Jena, den 2. Januar 1795
Meine besten Wünsche zu dem neuen Jahre, und
noch einen herzlichen Dank für das verflossene, das mir durch Ihre
Freundschaft vor allen übrigen ausgezeichnet und
unvergeßlich ist.
Ich habe es mit vielem Fleiße beschlossen, und
um etwas vollendet zu haben, wenn Sie kommen, habe ich mir in diesen
letzten Tagen etwas zugemutet. Nun bin ich mit dieser Arbeit zu Ende,
und sie kann Ihnen, wenn Sie kommen, vorgelegt werden.
Die Epistel, für die ich Ihnen bestens danke,
liegt noch bei mir; denn da das andere, was zunächst darauf folgen
sollte, noch nicht fertig war, so konnte ich sie allein nicht
abschicken. Auch pressierte es weniger, weil mir noch mehr Manuskript
zum ersten Stück der Horen abgefordert wurde, da selbst die
Fichtesche Abhandlung nicht reichte, und also die Erscheinung dieses
Stücks um vierzehn Tage verzögert wird.
Herr Professor Meyer wird mich entschuldigen,
daß ich einen Teil seines Aufsatzes ohne seine spezielle
Erlaubnis noch für dieses erste Stück abgeschickt habe. Es
war nicht möglich, ihm solchen nach meiner Bearbeitung wieder
vorzulegen, weil ich ihn noch an demselben Posttag mußte abgehn
lassen. Indessen glaube ich ihn im Voraus versichern zu können,
daß er damit zufrieden sein werde, weil meine Änderungen
sich schlechterdings nur auf das Äußere beschränkten.
Dieser Aufsatz hat mir sehr viel Freude gemacht, und er wird ein sehr
schätzbares Stück für die Horen sein. Es ist etwas so
äußerst Seltenes, daß ein Mann wie Meyer Gelegenheit
hat, die Kunst in Italien zu studieren, oder daß einer, der diese
Gelegenheit hat, gerade ein Meyer ist.
Die Klopfstockische Ode, von der Sie schreiben, habe
ich nicht gelesen, und wenn Sie solche noch haben, bitte ich sie
mitzubringen. Der Titel läßt schon eine solche Geburt
erwarten.
Auf die Fortsetzung Meisters, die Sie doch auch
mitbringen werden, freue ich mich gar sehr, und ich kann sie jetzt
recht genießen, da ich nach einer individuellen Darstellung
ordentlich lechze.
Möchten Sie uns doch einige Szenen aus dem
Faust noch zu hören geben. Frau von Kalb, die etwas davon
wußte, hat mich neuerdings äußerst begierig darnach
gemacht, und ich wüßte nicht, was mir in der ganzen
dichterischen Welt jetzt mehr Freude machen könnte.
Ihre Aufträge wegen Obereit werden besorgt.
Gegenwärtig hat er noch zu leben, weil ihm von Meiningen Geld
geschickt worden ist. Etwas von den vier Louisdor wird man notwendig
auf seine Bekleidung wenden müssen, besonders, da man ihm dadurch
die Möglichkeit verschafft, fremde Tische zu besuchen, von denen
ihn bis jetzt sein philosophischer Zynismus ausgeschlossen hat.
Ich hoffe in wenigen Tagen entweder Sie selbst zu
sehen, oder doch von der Zeit Ihrer Ankunft Nachricht zu erhalten.
Alles empfiehlt sich Ihnen aufs beste.
Schiller
50-51 An
Schiller [39]
Viel
Glück zum neuen Jahre! Lassen Sie uns dieses zubringen, wie wir
das vorige geendet haben, mit wechselseitiger Teilnahme an dem, was wir
lieben und treiben. Wenn sich die Gleichgesinnten nicht anfassen, was
soll aus der Gesellschaft und der Geselligkeit werden! Ich freue mich,
in der Hoffnung, daß Einwirkung und Vertrauen sich zwischen uns
immer vermehren werden.
Hier der erste Band des Romans. Das zweite Exemplar
für Humboldts. Möge das zweite Buch Ihnen wie das erste
Freude machen. Das dritte bringe ich im Manuskript mit.
Die Gespenstergeschichten denke ich zur rechten Zeit
zu liefern.
Auf Ihre Arbeit bin ich voller Verlangen. Meyer
grüßt. Wir kommen wahrscheinlich Sonntags den 11. In der
Zwischenzeit hören Sie noch von mir. Leben Sie recht wohl.
Weimar, den 3. Januar 1795
Goethe
51 An
Schiller [40]
Hier
erscheint auch das dritte Buch, dem ich eine gute Aufnahme wünsche.
Sonnabends erhalten Sie mein Märchen für
die Horen; ich wünsche, daß ich meines großen
Vorfahren in Beschreibung der Ahnungen und Visionen nicht ganz
unwürdig möge geblieben sein.
Sonntag nachmittags sehe ich Sie. Abends habe ich
mich mit Hofr. Loder in den Klub engagiert.
Meyer kommt mit und grüßt Sie bestens.
Ich freue mich sehr auf Ihre neue Arbeit und habe mir schon manchmal
gedacht, welchen Weg Sie wohl möchten genommen haben? werde mir's
aber wohl nicht erdenken.
Leben Sie recht wohl und empfehlen mich den Ihrigen.
Weimar, den 7. Januar 1795
Goethe
51-53 An
Goethe [41]
Jena, den 7. Januar
1795
Für das überschickte Exemplar des Romans
empfangen Sie meinen besten Dank. Ich kann das Gefühl, das mich
beim Lesen dieser Schrift, und zwar in zunehmendem Grade, je weiter
ich darin komme, durchdringt und besitzt, nicht besser als durch eine
süße und innige Behaglichkeit, durch ein Gefühl
geistiger und leiblicher Gesundheit ausdrücken, und ich wollte
dafür bürgen, daß es dasselbe bei allen Lesern im
ganzen sein muß.
Ich erkläre mir dieses Wohlsein von der
durchgängig darin herrschenden ruhigen Klarheit, Glätte und
Durchsichtigkeit, die auch nicht das Geringste
zurückläßt, was das Gemüt unbefriedigt und
unruhig läßt, und die Bewegung desselben nicht weiter
treibt,
als nötig ist, um ein fröhliches Leben in dem Menschen
anzufachen und zu erhalten. Über das einzelne sage ich Ihnen
nichts, bis ich das dritte Buch gelesen habe, dem ich mit Sehnsucht
entgegen sehe.
Ich kann Ihnen nicht ausdrücken, wie peinlich
mir das Gefühl
oft ist, von einem Produkt dieser Art in das philosophische Wesen
hineinzusehen. Dort ist alles so heiter, so lebendig, so harmonisch
aufgelöst und so menschlich wahr, hier alles so strenge, so rigid
und abstrakt, und so höchst unnatürlich, weil alle Natur nur
Synthesis und alle Philosophie Antithesis ist. Zwar darf ich mir das
Zeugnis geben, in meinen Spekulationen der Natur so treu
geblieben zu sein, als sich mit dem Begriff der Analysis verträgt;
ja vielleicht bin ich ihr treuer geblieben, als unsre Kantianer
für erlaubt und für möglich hielten. Aber dennoch
fühle ich nicht weniger lebhaft den unendlichen Abstand zwischen
dem Leben und dem Räsonnement — und kann mich nicht enthalten in
einem
solchen melancholischen Augenblick für einen Mangel in meiner
Natur auszulegen, was ich in einer heitern Stunde bloß für
eine natürliche Eigenschaft der Sache ansehen muß. So viel
ist indes gewiß, der Dichter ist der einzige wahre M
e n s c h,
und der best Philosoph ist nur eine Karikatur gegen ihn.
Daß ich voll Erwartung bin, zu wissen, was Sie
zu
meiner Metaphysik des Schönen sagen, darf ich Ihnen nicht erst
versichern. Wie das Schöne selbst aus dem ganzen Menschen genommen
ist, so ist diese meine Analysis desselben aus m e i n e r
ganzen Menschheit
heraus genommen, und es muß mir allzuviel daran liegen, zu
wissen, wie diese mit der Ihrigen zusammen stimmt.
Ihr Hiersein wird eine Quelle von Geistes- und
Herzensnahrung für mich sein. Besonders sehne ich mich auch
darnach, gewisse Dichterwerke in Gemeinschaft mit Ihnen zu
genießen.
Sie versprachen mir, mich bei Gelegenheit Ihre
Epigramme
hören zu lassen. Es wäre eine große Freude mehr
für mich, wenn dieses bei Ihrem jetzigen Aufenthalt in Jena
anginge, da es doch problematisch ist, wie bald ich nach W. kommen kann.
Meyern bitte ich mich recht freundschaftlich zu
empfehlen. Alles bei uns freut sich auf Ihre beiderseitige Ankunft
herzlich und niemand mehr als
Ihr aufrichtigster Verehrer
und
Freund
Schiller
Eben da ich schließen will, erhalte ich die
willkommene Fortsetzung Meisters. Tausend Dank dafür!
53 An
Schiller [42]
Dem
Vorsatze, Sie morgen zu sehen und einige Zeit in Ihrer Nähe zu
bleiben, hat sich nichts entgegengestellt; ich wünsche Sie wohl
und munter anzutreffen.
Beikommendes Manuskript habe ich nach der Abschrift
nicht wieder durchsehen können. Es sollte mir lieb sein, wenn
Ihnen meine Bemühung mit dem großen Hennings zu wetteifern,
nicht mißfiele.
Leben Sie recht wohl und grüßen Frau und
Freunde.
Weimar, den 10. Januar 1795
Goethe
54 An
Goethe [43]
Jena, den 25. Januar 1795
Wären Sie einen Tag länger bei uns
geblieben, so hätten wir den Advent der Horen zusammen feiern
können. Gestern kamen sie, und hier übersende ich Ihnen die
gebührenden Exemplare nebst einem für unsern Freund Meyer. Es
stehen Ihnen mehrere zu Dienst, sobald Sie deren benötigt sein
sollten. Ich wünschte nur, daß die äußere Gestalt
Ihrer beider Beifall haben möchte.
Cotta schreibt sehr zufrieden. Es sind bereits so
viele Bestellungen gemacht worden, daß er sich einen recht
großen Absatz verspricht; welches im Mund eines Verlegers eine
glaubwürdige Versicherung ist.
Da ich diese Tage ein Paket an Jacobi zu schicken
habe, so bitte ich Sie, mir den bewußten Brief an ihn zum
Einschluß zu senden, weil ich Sie mit meinem Paket nicht
belästigen mag. Auch wünschte ich zu wissen, ob Sie etwa
schon eins von Ihren Exemplarien dem Herzog zugedacht haben, in welchem
Fall ich es unterlassen würde, ihm eins zu präsentieren.
Aus dem überschickten Göttinnen habe ich
mit Vergnügen ersehen, daß Sie und unser
großer O f e n f r e u n d die kalte Region
glücklich passiert sind. Die kolossalische Frau freut mich sehr,
und ich werde ihr oft gegenüber stehen, und auch der
göttlichen Jungfrau, welche, den Kummer über die
Sterblichkeit abgerechnet, ganz vortrefflich ist.
Alles empfiehlt sich Ihrem Andenken bestens. Ganz
der Ihrige
Schiller
54-55 An
Schiller [44]
Für
die übersendeten Exemplare Horen danke ich; sie nehmen sich noch
ganz artig aus. Eins der kleinen Exemplare hab' ich in Ihrem Namen dem
Herzog überreicht und wünschte, daß Sie ihm bei dieser
Gelegenheit ein Wort schrieben.
Ich zweifle nicht daß das Journal gut gehen
wird.
Mein drittes Buch ist fort; ich habe es nochmals
durchgesehen und Ihre Bemerkungen dabei vor Augen gehabt.
Diese Woche vergeht unter anhaltender Theaterqual;
dann soll es wieder frisch an die vorgesetzten Arbeiten gehen. Ich
wünsche Gesundheit und Lust zu den Ihrigen.
Meyer grüßt. Nehmen Sie wiederholten Dank
für alles Gute das Sie uns in Jena gegönnt.
Weimar, den 27. Januar 1795
Goethe
Noch etwas: da ich wünschte daß der
Aufsatz des Herrn v. Humboldt, wie alle andern, im Zweifel wegen des
Verfassers ließe, so wäre vielleicht gut, das Zitat, wo der
Bruder angeführt ist, wegzulassen, besonders da es fast das
einzige ist und Mutmaßungen erregen und bestärken
könnte. Zwar weiß ich wohl, daß wir sehr offenbar
Versteckens spielen, doch halte ich es für sehr
ersprießlich, daß der Leser wenigstens erst urteilen
muß, ehe er erfährt, wer sein Autor sei.
Bitte um das Paket an Jacobi, das ich sogleich
absenden werde.
Goethe
55-56 An
Goethe [45]
Jena, den 28. Januar 1795
Ich danke Ihnen sehr dafür, daß Sie so
gütig waren, dem Herzog in meinem Namen ein Exemplar der Horen zu
überreichen. Es folgt solches hier zurück, und da ich auf den
nächsten Sonnabend noch einige neue Exemplare von Cotta zu
erwarten habe, so lege ich zu Ihrem Gebrauche noch einige, nebst dem
Paket an Jacobi, bei.
An den Herzog habe ich heute geschrieben. Was er zu
unsern Horen sagt, werde ich wohl einmal von Ihnen hören.
Endlich habe ich die merkwürdige Rezension der
Horen von Schütz in Manuskript gelesen. Für unsern Zweck ist
sie ganz gut und um vieles besser als für unsern Geschmack. Die
Bilder aus Utopien mochten seine Imagination noch nicht ganz verlassen
haben, als er sie niederschrieb; denn vom Essen ist reichlich die Rede
darin.
Es ist zu loben, daß er aus der Epistel viele
Stellen angeführt hat. Gegen mich hat er einiges auf dem Herzen,
was er mir aber nicht zeigen wollte, um keiner Kollusion sich schuldig
zu machen. Es soll mir lieb sein, wenn er dadurch auf eine geschickte
Art den Ruf der Unparteilichkeit behauptet.
An Herdern schrieb ich dieser Tage, und bitte Sie
sehr, wenn Sie Gelegenheit finden, mein Gesuch bei ihm zu
unterstützen.
Mich haben seit Ihrer Abreise von hier die Musen
nicht viel besuchen wollen, und es muß besser gehen, wenn ich dem
Kentaur des vierten Stücks Ehre machen soll.
Die Kinder haben die Blattern bekommen und auf eine
sehr glückliche Art, ohne alle übeln Zufälle. Alles
empfiehlt sich Ihnen aufs beste.
Schiller
56 An
Schiller [46]
Wie sehr
wünsche ich, daß Sie mein viertes Buch bei guter Gesundheit
und Stimmung antreffen und Sie einige Stunden unterhalten möge.
Darf ich bitten anzustreichen was Ihnen bedenklich vorkommt. Herrn v.
Humboldt und den Damen empfehle ich gleichfalls meinen Helden und seine
Gesellschaft.
Komme ich Sonnabend nicht, wie ich doch hoffen kann,
so hören Sie mehr von mir. Meyer grüßt vielmals.
Weimar, den 11. Februar 1795
Goethe
57 An
Schiller [47]
Sie sagten
mir neulich, daß Sie bald zu uns herüber zu kommen
gedächten. Ob nun schon, wie ich fürchte, das abermals
eingefallene kalte Wetter Sie abhalten wird, so wollte ich doch auf
jeden Fall einen Vorschlag tun.
Sie könnten beide bei mir einkehren, oder wenn
auch das Frauchen sich lieber wo anders einquartierte, so wünschte
ich doch, daß Sie wieder das alte Quartier bezögen. Machen
Sie es ganz nach Ihrem Sinne; Sie sind mir beide herzlich willkommen.
Durch den guten Mut, den mir die neuliche
Unterredung eingeflößt, belebt, habe ich schon das Schema
zum fünften und sechsten Buche ausgearbeitet. Wie viel
vorteilhafter ist es, sich in andern als in sich selbst zu bespiegeln.
Kennen Sie die Kantischen Beobachtungen über
das Gefühl des Schönen und Erhabenen von 1771? Es wäre
eine recht artige Schrift, wenn die Worte s c h ö n
und e r h a b e n auf dem Titel gar
nicht stünden und im Büchelchen selbst seltner vorkämen.
Es ist voll allerliebster Bemerkungen über die Menschen, und man
sieht seine Grundsätze schon keimen. Gewiß kennen Sie es
schon.
Ist denn von dem abwesenden Herrn v. Humboldt noch
keine Nachricht eingegangen? Empfehlen Sie mich in Ihrem Kreise, und
fahren Sie fort, mich durch Ihre Liebe und Ihr Vertrauen zu erquicken
und zu erheben.
Weimar, den 18. Februar 1795
Goethe
57-59 An
Goethe [48]
Jena, den 19. Februar 1795
Das elende Wetter hat wieder allen meinen Mut mit
fortgenommen, und meine Türschwelle ist wieder die alte Grenze
meiner Wünsche und meiner Wanderschaft. Wie gern will ich von
Ihrer Einladung Gebrauch machen, sobald ich meiner Gesundheit ein wenig
trauen kann, sollte ich Sie auch nur auf etliche Stunden sehen. Mich
verlangt herzlich darnach, und meine Frau, die sich sehr auf diesen
Besuch bei Ihnen freut, wird mir keine Ruhe lassen, ihn
auszuführen.
Ich gab Ihnen neulich treu den Eindruck zurück,
den Wilhelm Meister auf mich machte, und es ist also, wie billig, Ihr
eigenes Feuer, an dem Sie sich wärmen. Körner schrieb mir vor
einigen Tagen mit unendlicher Zufriedenheit davon, und auf sein Urteil
ist zu bauen. Nie habe ich einen Kunstrichter gefunden, der sich durch
die Nebenwerke an einem poetischen Produkt so wenig von dem Hauptwerke
abziehen ließe. Er findet in W. Meister alle Kraft aus Werthers
Leiden, nur gebändigt durch einen männlichen Geist, und zu
der ruhigen Anmut eines vollendeten Kunstwerks geläutert.
Was Sie von der kleinen Schrift Kants schreiben,
erinnere ich mich bei Lesung derselben auch empfunden zu haben. Die
Ausführung ist bloß anthropologisch, und über die
letzten Gründe des Schönen lernt man darin nichts. Aber als
Physik und Naturgeschichte des Erhabenen und Schönen enthält
es manchen fruchtbaren Stoff. Für die ernsthafte Materie schien
mir der Stil etwas zu spielend und blumenreich; ein sonderbarer Fehler
an einem Kant, der aber wieder sehr begreiflich ist.
Herder hat uns mit einem gar glücklich
gewählten und ausgeführten Aufsatz beschenkt, worin der so
gangbare Begriff v o m e i g e n e
n S c h i c k s a l beleuchtet wird. Materien dieser
Art sind für unsern Gebrauch vorzüglich passend, weil sie
etwas Mystisches an sich haben, und durch die Behandlung doch an irgend
eine allgemeine Wahrheit angeknüpft werden.
Weil doch eben vom Schicksal die Rede ist, so
muß ich Ihnen sagen, daß ich dieser Tage auch
über m e i n Schicksal etwas entschieden habe.
Meine Landsleute haben mir die Ehre angetan, mich nach Tübingen zu
vozieren, wo man sich jetzt sehr mit Reformen zu beschäftigen
scheint. Aber da ich doch einmal zum akademischen Lehrer unbrauchbar
gemacht bin, so will ich lieber hier in Jena, wo ich gern bin und wo
möglich leben und sterben will, als irgend anderswo
müßig gehen. Ich hab' es also ausgeschlagen und mache mir
daraus kein Verdienst; denn meine Neigung entschied schon allein die
ganze Sache, so daß ich gar nicht nötig hatte, mich der
Verbindlichkeiten zu erinnern, die ich unserm guten Herzog schuldig
bin, und die ich ihm am liebsten vor allen andern schuldig sein mag.
Für meine Existenz glaube ich nichts besorgen zu dürfen, so
lange ich noch einigermaßen die Feder führen kann, und so
lasse ich den Himmel walten, der mich noch nie verlassen hat.
Herr v. Humboldt aus Bayreuth ist noch nicht hier
und hat über seine Ankunft auch noch nichts bestimmtes geschrieben.
Hier folgen auch die Weißhuhnischen
Blätter, von denen ich Ihnen neulich sagte. Ich bitte mir sie bald
zurück.
Herzlich empfehlen wir uns alle Ihrem Andenken.
Schiller
59 An
Schiller [49]
Wie sehr
freue ich mich, daß Sie in Jena bleiben mögen, und daß
Ihr Vaterland Sie nicht hat wieder anziehen können. Ich hoffe, wir
wollen noch manches zusammen treiben und ausarbeiten.
Ich bitte um das Manuskript des vierten Buches und
werde die Synonymen balde zurückschicken. So wird ja der
Stundentanz immer reger werden.
Leben Sie recht wohl. Nächstens mehr.
Weimar, den 21. Februar 1795
Goethe
60-61 An
Goethe [50]
Jena, den 22. Februar 1795
Ihrem Verlangen gemäß folgt hier das
vierte Buch des W. Meister. Wo ich einigen Anstoß fand, habe ich
einen Strich am Rande gemacht, dessen Bedeutung Sie bald finden werden.
Wo Sie sie nicht finden, da wird auch nichts verloren sein.
Eine etwas wichtigere Bemerkung muß ich bei
Gelegenheit des Geldgeschenkes machen, das Wilhelm von der Gräfin
durch die Hände des Barons erhält und annimmt. Mir deucht —
und so schien es auch Humboldten — daß nach dem zarten
Verhältnisse zwischen ihm und der Gräfin diese ihm ein
solches Geschenk und durch eine fremde Hand nicht anbieten, und er
nicht annehmen dürfe. Ich suchte im Kontext nach etwas, was ihre
und seine Delikatesse retten könnte, und glaube, daß diese
dadurch geschont werden würde, wenn ihm dieses Geschenk als
Remboursement für gehabte Unkosten gegeben und unter diesem Titel
von ihm angenommen würde. Entscheiden Sie nun selbst. So wie es
dasteht, stutzt der Leser und wird verlegen, wie er das Zartgefühl
des Helden retten soll.
Übrigens habe ich beim zweiten Durchlesen
wieder neues Vergnügen über die unendliche Wahrheit der
Schilderungen und über die treffliche Entwicklung des Hamlet
empfunden. Was die letztere betrifft, so wünschte ich, bloß
in Rücksicht auf die Verkettung des ganzen und der
Mannigfaltigkeit wegen, die sonst in einem so hohen Grade behauptet
worden ist, daß diese Materie nicht so unmittelbar hintereinander
vorgetragen, sondern, wenn es anginge, durch einige bedeutende
Zwischenumstände hätte unterbrochen werden können. Bei
der ersten Zusammenkunft mit Serlo kommt sie zu schnell wieder aufs
Tapet, und nachher im Zimmer Aureliens gleich wieder. Indes sind dies
Kleinigkeiten, die dem Leser gar nicht auffallen würden, wenn Sie
ihm nicht selbst durch alles Vorhergehende die Erwartung der
höchsten Varietät beigebracht hätten.
Körner, der mir gestern schrieb, hat mir
ausdrücklich anbefohlen, Ihnen für das hohe Vergnügen zu
danken, das ihm Wilh. Meister verschafft. Er hat sich nicht versagen
können, etwas daraus in Musik zu setzen, welches er Ihnen durch
mich vorlegt. Eins ist auf die Mandoline und das andere auf das
Klavier. Die erstere findet sich wohl irgendwo in Weimar.
Noch muß ich Sie ernstlich bitten, sich unsers
dritten Stücks der Horen zu erinnern. Cotta bittet mich dringend,
ihm die Manuskripte früher zu schicken, und meint, daß der
Zehnte des Monats der späteste Termin sein müsse, an welchem
er das Manuskript beisammen haben müsse. Es müsse also am
Dritten von hier abgehen können. Glauben Sie wohl, um diese Zeit
mit dem Prokurator fertig zu sein? Meine Mahnung darf Sie aber
keineswegs belästigen, denn Sie haben völlig freie Wahl, ihn
entweder für das dritte oder vierte Stück zu bestimmen, weil
doch eines von diesen beiden Stücken von Ihnen übergangen
werden soll.
Herzlich empfehlen wir uns Ihnen alle, und Meyern
bitte ich von meiner Seite bestens zu grüßen.
Schiller
61-62 An
Schiller [51]
Ihre
gütige kritische Sorgfalt für mein Werk hat mir aufs neue
Lust und Mut gemacht, das vierte Buch nochmals durchzugehen. Ihre
Obelos habe ich wohl verstanden und die Winke benutzt, auch den
übrigen Desideriis hoffe ich abhelfen zu können und bei
dieser Gelegenheit noch manches Gute im Ganzen zu wirken. Da ich aber
gleich daran gehen muß, so werden Sie mich vom dritten Stück
entschuldigen, dagegen soll der Prokurator, in völliger
Zierlichkeit, zum vierten aufwarten.
Die Synonymen, die hier zurückkommen haben sehr
meinen Beifall; die Ausarbeitung ist sehr geistreich und an manchen
Stellen überraschend artig. Der Eingang dagegen scheint mir
weniger l e s b a r, obgleich gut gedacht und
zweckmäßig.
Des Verfassers Grille, nicht unter der Akademie
stehen zu wollen, ist nun mit Bericht herüber gekommen. Die
Akademie verlangt Satisfaktion, weil er den Prorektor u n v
e r s c h ä m t gescholten hat usw. — Da Sie sich seiner
annehmen, so sagen Sie mir nur, was man einigermaßen Plausibles
für ihn anführen kann. Denn ein Forum privilegiatum gegen ein
gemeines zu vertauschen, ist doch gar zu transcendent. Der Stadtrat
kann ihn nicht einmal aufnehmen, ohne daß er sich den
gewöhnlichen Konditionen unterwirft. Man kann von ihm Beweis
verlangen, daß er zweihundert Taler einbringt, er muß
Bürger werden und was des Zeugs mehr ist. Wäre es
möglich, ihn zu disponieren, daß er mit der Akademie Friede
machte, so ließe sich durch Voigt, der jetzt Prorektor ist, wohl
alles in Güte abtun.
Ich hoffe, Sie bald wieder, und wär' es nur auf
einige Stunden, zu besuchen. Lassen Sie mich auch abwesend nicht ferne
sein.
Körnern versichern Sie, daß mich seine
Teilnahme unendlich freut. Die Romanze denke ich bald auf dem Theater
zu hören.
Leben Sie recht wohl.
Weimar, den 25. Februar 1795
Goethe
62-64 An
Goethe [52]
Jena, den 27. Februar 1795
Wenn die freundlichen Tage, die wir hier haben, auch
von Ihnen genossen werden, so wünsche ich dem vierten Buch von W.
Meister dazu Glück. Mich hat diese Ankündigung des
Frühlings recht erquickt und über mein Geschäft, das
dessen sehr bedurfte, ein neues Leben ausgegossen. Wie sind wir doch
mit aller unsrer geprahlten Selbstständigkeit an die Kräfte
der Natur angebunden, und was ist unser Wille, wenn die Natur versagt!
Worüber ich schon fünf Wochen fruchtlos brütete, das hat
ein milder Sonnenblick binnen drei Tagen in mir gelöst; freilich
mag meine bisherige Beharrlichkeit diese Entwicklung vorbereitet haben,
aber die Entwicklung selbst brachte mir doch die erwärmende Sonne
mit.
Ich bemächtige mich meines Stoffes immer mehr
und entdecke mit jedem Schritt, den ich vorwärts tue, wie fest und
sicher der Grund ist, auf welchem ich baute. Einen Entwurf, der das
Ganze umstürzen könnte, habe ich von nun an nicht mehr zu
fürchten, und gegen einzelne Irrtümer in der Anwendung wird
die strenge Verbindung des Ganzen selbst mich sicher stellen, wie den
Mathematiker die Rechnung selbst vor jedem Rechnungsfehler warnt.
Mit unserm Transzendental-Philosophen, der die
akademische Freiheit so wenig zu schätzen weiß, habe ich —
da er selbst nicht sichtbar ist — durch Niethammers Mediation es dahin
geleitet, daß er sich mit dem zeitigen Prorektor friedlich setzen
will und also wahrscheinlich auch wird in Frieden gelassen werden. Ich
habe keine Ursache zu glauben, daß er Fakta verdreht hat; wenn er
aber die Wahrheit sagt, so hat sich Hr. Prof. Schmidt das
Prädikat, das er ihm gegeben, selbst zuzuschreiben; denn, wie
Weißhuhn versichert, so hat ihm derselbe mit ausdrücklichen
Worten versichert, daß er bis auf Ostern in Ruhe gelassen und ihm
keine Erklärung, seines Hierbleibens wegen, abgefordert werden
solle; nachher aber hat er sein gegebenes Wort abgeleugnet u. dgl. Da
Weißhuhn meinte, daß ein solches Betragen nicht von dem
Prorektor Schmidt, sondern von dem Prof. Schmidt herrühren
könne, so hat er, bei allem Respekt gegen den ersten, den andern
impertinent gefunden.
Die neuen Horen sind fertig, und ein Exemplar davon
ist mir schon mit der Briefpost zugeschickt worden. Morgen erwarte ich
das Paket. Wir haben in dem zweiten Heft die Schuld völlig
getilgt, die wir in dem ersten machten, denn es enthält anstatt 7
Bogen, 8 und ¼ Bogen.
Ihrem Versprechen gemäß können wir
mit jedem Tag einen Besuch von Ihnen erwarten, worauf ich mich herzlich
freue. Alles ist wohl und empfiehlt sich Ihnen aufs beste.
Schiller
N. S. Die Synonymen haben Sie letzthin beizulegen
vergessen.
64 An
Schiller [53]
Hierbei die
vergeßnen Synonymen. Ich las ein Stückchen davon in meiner
gestrigen Gesellschaft vor, ohne zu sagen, woher es komme und wohin es
gehe. Man gab ihm vielen Beifall.
Überhaupt wird es nicht übel sein, wenn
ich manchmal etwas von unsern Manuskripten voraus lese. Es sind doch
immer wieder ein Dutzend Menschen, die dem Produkt dadurch geneigter
und aufs nächste Stück aufmerksam werden.
Die Weißhuhnische Sache will ich aufhalten,
bis ich von Ihnen Nachricht einer amikalen Beendigung habe.
Zu der glücklichen Annäherung an Ihren
Zweck geb' ich meinen Segen. Wir können nichts tun, als den
Holzstoß erbauen und ihn recht trocknen; er fängt alsdann
Feuer zur rechten Zeit und wir verwundern uns selbst darüber.
Hierbei auch ein Brief von Jacobi. Sie werden sehen,
daß es ihm ganz gut geht. Sein Anteil an Ihren Briefen ist mir
sehr lieb. Sein Urteil über meinen ersten Band sei Ihnen zur
Revision übergeben.
Leben Sie recht wohl, ich sehe Sie
baldmöglichst.
Weimar, den 28. Februar 1795
Goethe
65 An
Goethe [54]
Jena, den 1. März 1795
Hier übersende ich Ihnen einstweilen vier
Exemplarien der Horen, wovon ich eins an den Herzog zu überreichen
bitte. Die übrigen werden nachfolgen.
Die Jacobische Kritik hat mich nicht im geringsten
gewundert; denn ein Individuum wie Er muß ebenso notwendig durch
die schonungslose Wahrheit Ihrer Naturgemälde beleidigt werden,
als Ihr Individuum ihm dazu Anlaß geben muß. Jacobi ist
einer von denen, die in den Darstellungen des Dichters nur ihre Ideen
suchen, und das was s e i n s o l
l, höher halten als das w a s
i s t; der Grund des Streits liegt also hier schon in den ersten
Prinzipien, und es ist völlig unmöglich, daß man
einander versteht.
Sobald mir einer merken läßt, daß
ihm in poetischen Darstellungen irgend etwas näher anliegt, als
die innere Notwendigkeit und Wahrheit, so gebe ich ihn auf. Könnte
er Ihnen zeigen, daß die Unsittlichkeit Ihrer Gemälde nicht
aus der Natur des Objekts fließt und daß die Art, wie Sie
dasselbe behandeln, nur von Ihrem Subjekt sich herschreibt, so
würden Sie allerdings dafür verantwortlich sein, aber nicht
deswegen weil Sie vor dem moralischen, sondern weil Sie vor dem
ästhetischen Forum fehlten. Aber ich möchte sehen, wie er das
zeigen wollte.
Ein Besuch stört mich, und ich will das Paket
nicht aufhalten.
Weißhuhn war eben bei mir. Er will sich morgen
inskribieren lassen. Leben Sie recht wohl.
Schiller
65-66 An
Goethe [55]
Jena, den 8. März 1795
Meine Hoffnung, Sie diese Woche hier zu sehen, war
vergebens; doch hoffe ich, daß sie mir bloß durch Ihren
Eifer zu arbeiten vereitelt worden ist. Aber weder von Ihnen zu
hören noch zu sehen, ist etwas, wozu ich mich kaum mehr
gewöhnen kann.
Ich bin sehr erwartend, von Ihrer gegenwärtigen
Beschäftigung zu hören. Mir ist gesagt worden, daß Sie
den dritten Band von Meister schon auf Johannis würden drucken
lassen. Das ginge schneller als ich dachte; aber so sehr es mich
für den Meister freut, so leid sollte es mir tun, daß Sie
dadurch auf eine so lange Zeit den Horen entführt werden.
Über das Schicksal des zweiten Stücks habe
ich noch kein Urteil einziehen können; vielleicht haben Sie in
Weimar etwas Lustiges gehört.
Ist unser Freund Meyer mit seinem Aufsatze
zufrieden? Ich wünschte, er wäre es. Dieser Aufsatz, schreibt
mir Cotta, hat vielen sehr gefallen, und ich zweifle gar nicht,
daß wir Ehre damit einlegen.
Hier sende ich Ihnen noch vier Horenstücke,
worunter eins für Herrn Meyer ist. Sollten Sie, anstatt der
Schreibpapier-Exemplare, noch eins oder zwei auf Postpapier brauchen,
so sind Sie so gütig es zu bemerken und mir die auf Schreibpapier
zurückzusenden. Alles empfiehlt sich Ihnen bestens.
Schiller
66-67 An
Schiller [56]
Ohngeachtet
einer lebhaften Sehnsucht, Sie wiederzusehen und zu sprechen, konnte
ich diese Woche doch nicht vom Platze kommen. Einige Schauspieler, die
ich in Gastrollen beurteilen wollte, das üble Wetter und ein
Rheumatism, den ich mir durch Verkältung zugezogen hatte, haben
mich stufenweise gehindert, und noch seh' ich nicht, wann und wie ich
abkommen werde.
Lassen Sie mich indessen sagen, daß ich
fleißig war, daß der größte Teil des vierten
Buchs abgegangen ist und daß der Prokurator auch durchgearbeitet
ist. Ich wünsche, daß die Art, wie ich die Geschichte
gefaßt und ausgeführt, Ihnen nicht mißfallen möge.
Wenn mein Roman in seinen bestimmten Epochen
erscheinen kann, will ich zufrieden sein; an eine Beschleunigung ist
nicht zu denken. An den Horen den Teil zu nehmen, den Sie
wünschen, wird mich nichts abhalten. Wenn ich Zeit und Stunde
zusammennehme und abteile, so kann ich dies Jahr vieles beiseite
bringen.
Von zweiten Stücke der Horen habe noch nichts
gehört, das erste spukt aber schon genug in Deutschland.
Meyer dankt für die Redaktion seiner Ideen; es
ist nur weniges, was anders gestellt sein könnte, doch das wird
uns niemand herausfinden. Er arbeitet jetzt an einer Darstellung
Perugins, Bellins und Mantegnas.
Aus der Beilage sehen Sie, welche Monatsschriften
künftig in unser Haus kommen. Ich lasse die Inhaltstafel jedes
Stücks abschreiben und füge eine kleine Rezension dazu. Wenn
wir's nur einmal ein halb Jahr haben, so können wir unsere
Kollegen schon übersehen.
Wenn wir uns streng und mannigfaltig erhalten, so
stehen wir bald oben an, denn alle übrigen Journale tragen mehr
Ballast als Ware; und da uns daran gelegen ist, unsere Arbeit zu
weiterer eigener Ausbildung zu benutzen, so kann nur gutes dadurch
entstehen und gewirkt werden.
Für die übersendeten Horen-Exemplare danke
ich vielmals. Die zweite Sendung ist mit der ersten
übereinstimmend; vier auf Schreib- und ebensoviel auf Postpapier.
Jacobi entschuldigt sich, daß er noch nichts
geschickt hat.
Ich wünsche, daß gutes Wetter mir einen
schnellen Ritt zu Ihnen erlauben möge, denn ich verlange sehr nach
einer Unterredung und nach Ihren bisherigen Arbeiten. Empfehlen Sie
mich den Ihrigen.
Weimar, den 11. März 1795
Goethe
68 An
Schiller [57]
Vorige
Woche bin ich von einem sonderbaren Instinkte befallen worden, der
glücklicherweise noch fortdauert. Ich bekam Lust, das
religiöse Buch meines Romans auszuarbeiten, und da das Ganze auf
den edelsten Täuschungen und auf der zartesten Verwechslung des
Subjektiven und Objektiven beruht, so gehörte mehr Stimmung und
Sammlung dazu als vielleicht zu einem andern Teile. Und doch wäre,
wie Sie seiner Zeit sehen werden, eine solche Darstellung
unmöglich gewesen, wenn ich nicht früher die Studien nach der
Natur dazu gesammelt hätte. Durch dieses Buch, das ich vor
Palmarum zu endigen denke, bin ich ganz unvermutet in meiner Arbeit
sehr gefördert, indem es vor- und rückwärts weist und
indem es begrenzt, zugleich leitet und führt. Der Prokurator ist
auch geschrieben und darf nur durchgesehen werden. Sie können ihn
also zur rechten Zeit haben.
Ich hoffe, es soll mich nichts abhalten, Palmarum zu
Ihnen zu kommen und einige Wochen bei Ihnen zu bleiben; da wollen wir
uns einmal wieder etwas zugute tun.
Mich verlangt nach Ihren letzten Arbeiten; Ihre
ersten haben wir gedruckt mit Vergnügen wiedergelesen.
Im weimarischen Publico rumoren die Horen gewaltig,
mir ist aber weder ein reines pro
noch contra vorgekommen; man
ist eigentlich nur d a h i n t e r h e r,
man reißt sich die Stücke aus den Händen, und
mehr wollen wir nicht für den Anfang.
Herr v. Humboldt wird recht fleißig gewesen
sein; ich hoffe auch mit ihm mich über Anatomica wieder zu unterhalten.
Ich habe ihm einige, zwar sehr natürliche, doch interessante
Präparate zurecht gelegt. Grüßen Sie ihn herzlich und
die Damen. Der Prokurator ist vor der Türe. Leben Sie wohl und
lieben mich, es ist nicht einseitig.
Weimar, den 18. März 1795
Goethe
69 An
Schiller [58]
Dem
Prokurator, der hier erscheint, wünsche ich gute Aufnahme.
Haben Sie die Güte, mir ihn bald
zurückzuschicken, weil ich ihn des Stils wegen gern noch einigemal
durchgehen möchte.
Ich arbeite alles weg, was mich hindern könnte,
mich bald in Ihrer Nähe zu freuen und zu erbauen.
Weimar, den 19. März 1795
Goethe
69-70 An
Goethe [59]
Jena, den 19. März 1795
Auf das Gemälde, das Sie jetzt entworfen haben,
bin ich nicht wenig neugierig. Es kann weniger als irgend ein anderes
aus Ihrer Individualität fließen, denn gerade dies scheint
mir eine Saite zu sein, die bei Ihnen, und schwerlich zu Ihrem
Unglück, am seltensten anschlägt. Um so erwartender bin ich,
wie Sie das heterogene ding mit Ihrem Wesen gemischt haben werden.
Religiöse Schwärmerei ist und kann nur Gemütern eigen
sein, die beschauend und müßig in sich selbst versinken, und
nichts scheint mir weniger Ihr Kasus zu sein als dieses. Ich zweifle
keinen Augenblick, daß Ihre Darstellung wahr sein wird — aber das
ist sie alsdann lediglich durch die Macht Ihres Genies und nicht durch
die Hilfe Ihres Subjekts.
Ich bin seit einiger Zeit meinen philosophischen
Arbeiten untreu geworden, um in der Geschwindigkeit etwas für das
vierte Stück der Horen zu schaffen. Das Los traf die bewußte
Belagerung von Antwerpen, welche auch schon ganz erträglich
vorwärts gerückt ist. Die Stadt soll übergegangen sein,
wenn Sie kommen. Erst an dieser Arbeit sehe ich, wie anstrengend meine
vorige gewesen; denn ohne mich gerade zu vernachlässigen, kommt
sie mir bloß wie ein Spiel vor, und nur die Menge elenden Zeugs,
die ich nachlesen muß, und die mein Gedächtnis anstrengt,
erinnert mich, daß ich arbeite. Freilich gibt sie mir auch nur
einen magern Genuß; ich hoffe aber, es geht mir wie den
Köchen, die selbst wenig Appetit haben, aber ihn bei anderen
erregen.
Sie würden mir einen großen Dienst
erweisen, wenn Sie mir den sehnlich erwarteten Prokurator bis Montag
gewiß schicken könnten. Ich würde alsdann nicht
genötigt sein, den Anfang meiner Geschichte in den Druck zu geben,
ehe das Ende fertig ist. Sollten Sie aber verhindert sein, so bitte
ich, mir es noch Sonnabends zu wissen zu tun. Doch hoffe ich das Beste.
Mich freut herzlich, daß Sie die Ostern mit
uns zubringen wollen, und ich bedarf auch wieder einer lebhaften
Anregung von außen von einer freundschaftlichen Hand.
Meyern bitte ich herzlich zu grüßen. Ich
wünschte, daß er uns bald wieder etwas liefern möchte.
Das Siegel für die Horen habe ich noch nicht erhalten.
Alles empfiehlt sich Ihnen und erwartet Sie mit
Verlangen.
Schiller
Den 20. Diesen Morgen erhalte ich Ihr Paket, welches
mich in jeder Rücksicht froh überraschte. Die Erzählung
liest sich mit ungemeinem Interesse; was mich besonders erfreute, war
die Entwicklung. Ich gestehe, daß ich diese erwartete, und ich
hätte mich nicht zufrieden geben können, wenn Sie hier das
Original nicht verlassen hätten. Wenn ich mich nämlich anders
recht erinnere, so entscheidet beim Boccaz bloß die zeitig
erfolgte Rückkehr des Alten das Glück der Kur.
Könnten Sie das Manuskript mir Montags
früh zurücksenden, so geschähe mir dadurch eine
große Gefälligkeit. Sie werden wenig mehr dabei zu tun
finden.
71 An
Schiller [60]
Das
Manuskript schicke ich morgen Abend mit der reitenden Post an Sie ab.
Montags geht der Schluß des vierten Buches an
Unger.
Nächste Woche hoffe ich alles, was mir noch
obliegt, abzutun und recht frei zu Ihnen zu kommen.
Zur Eroberung von Antwerpen wünsche ich
Glück; sie wird in den Horen guten Effekt machen.
Empfehlen Sie mich Ihren Nächsten. Meyer
grüßt; er ist auf alle Weise fleißig. Ich wünsche
Ihnen die beste Wirkung des langsam eintretenden Frühjahrs und
hoffe, daß wir bis zur Jahresfeier unserer Bekanntschaft noch
manches zusammen werden gearbeitet haben.
Weimar, den 21. März 1795
Goethe
71-72 An
Goethe [61]
Jena, den 25. März 1795
Ich erhielt heute wieder einen Brief, worin mir der
alte Antrag von Tübingen mit dem Zusatz erneuert wurde, daß
ich von allen öffentlichen Funktionen dispensiert sein und
völlige Freiheit haben solle, ganz nach meinem Sinn auf die
Studierenden zu wirken usf. Ob ich nun gleich meine erste
Entschließung nicht geändert habe und auch nicht leicht
ändern werde, so haben sich mir doch bei dieser Gelegenheit einige
ernsthafte Überlegungen in Rücksicht auf die Zukunft
aufgedrungen, welche mich von der Notwendigkeit überzeugen, mir
einige Sicherheit auf den Fall zu verschaffen, daß zunehmende
Kränklichkeit an schriftstellerischen Arbeiten mich verhindern
sollte. Ich schrieb deshalb an den Herrn G. R. Voigt, und bat ihn, mir
von unserm Herrn eine Versicherung auszuwirken, daß mir in jenem
äußersten Fall mein Gehalt verdoppelt werden solle. Wird mir
dieses zugesichert, so hoffe ich, es so spät als möglich oder
nie zu gebrauchen; ich bin aber doch wegen der Zukunft beruhigt, und
das ist alles was ich vor der Hand verlangen kann.
Da Sie vielleicht davon sprechen hören und sich
nicht gleich darein zu finden gewußt haben möchten, so
wollte ich Ihnen in zwei Worten davon Nachricht geben.
Nächsten Sonntag erwarten wir Sie mit
Verlangen. Alles begrüßt Sie.
Schiller
72 An
Schiller [62]
Gestern
konnte ich mich, ohngeachtet einiger sehr leeren Stunden, nicht
überwinden, nochmals zu Ihnen zu gehen und förmlich Abschied
zu nehmen; ich verließ Jena sehr ungern und danke Ihnen nochmals
herzlich für Ihre Teilnehmung und Mitteilung. Hier vor allen
Dingen die Elegien, die ich mir baldmöglichst zurück erbitte;
sie sollen dann, auf die gehörige Seitenzahl eingeteilt,
abgeschrieben erscheinen.
Für den Kalender habe ich einiges, besonders
für die Herrn X. Y. Z. gefunden, das nächstens mit dem
übrigen folgt. Erinnern Sie mich manchmal an die Desiderata, damit
mein guter Wille zur Tat werde.
Leben Sie recht wohl und grüßen die
Ihrigen und die Freunde.
Weimar, den 3. Mai 1795
Goethe
72-73 An
Goethe [63]
Jena, den 4. Mai 1795
Eben erhalte ich die Elegien mit Ihren
freundschaftlichen Zeilen. Ich habe Sie seit Ihrer Abreise jeden Abend
vermißt; man gewöhnt sich so gern an das Gute. Mit meiner
Gesundheit geht es langsam besser, und in einigen Tagen hoffe ich,
wieder im Gange zu sein.
Mit rechter Ungeduld erwarte ich, was Sie mir
für den Almanach schicken wollen. Eher kann ich meine poetische
Barschaft zu diesem Werkchen nicht übersehen.
Die Elegien werde ich gleich vor die Hand nehmen und
hoffe Ihnen solche Freitags zurück zu schicken.
Huber schreibt mir, daß er Ihren Meister ins
Französische zu übersetzen Lust habe. Soll ich ihn aufmuntern
oder davon abzuraten suchen?
Verlassen Sie sich darauf, daß ich Ihrem
Gedächtniß zu Hilfe kommen werde. Ich schenke Ihnen kein
Versprechen. Der Chronologie der Horen nach würden Sie jetzt bald
wieder auf die Unterhaltungen zu denken haben. Vielleicht schlägt
auch unterdessen eine gute Stunde für die Epistel.
Meine Frau empfiehlt sich Ihnen recht freundlich. An
Meyern bitte meinen herzlichen Gruß zu machen.
Schiller
73-74 An
Schiller [64]
Weimar, den 12. Mai 1795
Die Sendung der Elegien hat mich in elegischen
Umständen nach dem gewöhnlichen Sinne, das heißt in
erbärmlichen, angetroffen. Nach dem guten Leben in Jena, wo ich
nebst so mancher Seelenspeise auch der warmen freien Luft genoß,
hat mich hier die kalte Witterung sehr unfreundlich empfangen, und
einige Stunden, in denen ich dem Zug ausgesetzt war, brachten mir ein
Flußfieber zuwege, das mir die rechte Hälfte des Kopfs sehr
schmerzlich angriff und zugleich die linke unbrauchbar machte. Nun bin
ich so weit wieder hergestellt, daß ich ohne Schmerzen ziemlich
zufrieden in meiner Stube an die rückständigen Arbeiten gehen
kann.
Mit den Elegien wird nicht viel zu tun sein, als
daß man die zweite und die sechzehnte wegläßt: denn
ihr zerstümmeltes Ansehen wird auffallend sein, wenn man statt der
anstößigen Stellen nicht etwas Kurrenteres hinein
restaurierte, wozu ich mich aber ganz und gar ungeschickt fühle.
Auch wird man sie hintereinander wegdrucken müssen, wie es eben
trifft: denn jede auf einer anderen Seite anzufangen scheint, ich mag
auch zählen und rechnen wie ich will, nicht tunlich. Bei der Menge
Zeilen unsrer Seite würden mehr als einmal unschickliche
Räume übrig bleiben. Doch überlasse ich Ihnen das und
schicke nächstens das Manuskript. Der zweite Band des Romans
stockt irgend bei einem Spediteur; ich sollte ihn schon lange haben,
und wünschte, ihn mitschicken zu können. Ich bin nun am
fünften Buch und hoffe vor Pfingsten nicht viel mehr übrig zu
lassen.
Meyer ist sehr fleißig. Er hat bisher
vortreffliche Sachen gemacht; mir ist, als wenn ihm mit jedem Tage
Gedanke und Ausführung besser gelängen.
Haben Sie die Güte, mir bald Nachricht von
Ihrem Befinden zu geben, und ob nichts Neues eingelaufen ist. Jacobi
hat abermals durch Fritz von Stein sein Versprechen prorogiert.
Den 14. Mai 1795
Dieses Blatt, das einige Tage liegen geblieben, will
ich wenigstens der heutigen Post nicht vorenthalten.
Haben Sie die Abhandlung über den Stil in den
bildenden Künsten im Aprilmonat des Merkurs gesehen? Das,
worüber wir alle einige sind, ist recht gut und brav gesagt; aber
daß doch der Genius, der dem Philosophen vor aller Erfahrung
beiwohnt, ihn nicht auch zupft und warnt, wenn er sich bei
unvollständiger Erfahrung zu prostituieren Anstalt macht.
Wahrlich, in diesem Aufsatz sind Stellen, die des Herrn von Rochows
nicht unwürdig wären.
Lassen Sie mich bald hören, wie Sie sich
befinden.
Goethe
74-76 An
Goethe [65]
Jena, den 15. Mai 1795
Daß Sie sich nicht wohl befanden, erfuhr ich
erst vorgestern und beklage Sie aufrichtig. Wer so wenig gewöhnt
ist, krank zu sein, wie Sie, dem muß es gar unleidlich vorkommen.
Daß die jetzige Witterung auf mich keinen guten Einfluß
hatte, ist etwas so Gewöhnliches, daß ich nicht davon reden
mag.
Freilich verliere ich die ganze zweite Elegie sehr
ungern. Ich hätte geglaubt, daß selbst die sichtbare
Unvollständigkeit derselben keinen Schaden bei dem Leser tun
würde, weil man leicht darauf verfallen kann, eine absichtliche
Retizenz darunter zu mutmaßen. Übrigens kann man ja der
Schamhaftigkeit, die von einem Journal gefordert wird, dieses Opfer
bringen, da Sei in einigen Jahren, wenn Sie die Elegien besonders
sammeln, alles was jetzt gestrichen wird, wieder herstellen
können. Gern wünschte ich Montag früh die Elegien oder
doch einen Bogen derselben zu haben, um sie abschicken zu können.
Mit meinem Aufsatz hoffe ich endlich noch fertig zu werden, wenn kein
besonderer Unfall dazwischen kommt.
An andern Beiträgen ist nichts eingelaufen, und
das siebente Stück steht noch ganz in Gottes allmächtiger
Hand.
Cotta ist mit der Messe ziemlich zufrieden. Es sind
ihm zwar von den Exemplarien, die er in Kommission gegeben, manche
remittiert, aber auch ebenso viele wieder neu bestellt worden, so
daß der Kalkul im Ganzen dadurch nichts gelitten hat. Nur bittet
er sehr um größere Mannigfaltigkeit der Aufsätze. Viele
klagen über die abstrakten Materien, viele sind auch an Ihren
Unterhaltungen irre, weil sie, wie sie sich ausdrücken, noch nicht
absehen können, was damit werden soll. Sie sehen, unsre deutschen
Gäste verleugnen sich nicht; sie müssen immer
wissen, w a s sie essen, wenn es ihnen recht
schmecken soll. Sie müssen B e g r i f f davon
haben.
Ich sprach noch kürzlich mit Humboldt
darüber; es ist jetzt platterdings unmöglich mit irgend einer
Schrift, sie mag noch so gut oder noch so schlecht sein, in Deutschland
ein a l l g e m e i n e s Glück zu machen. Das
Publikum hat nicht mehr die Einheit des Kindergeschmacks und noch
weniger die Einheit einer vollendeten Bildung. Es ist in der Mitte
zwischen beiden, und das ist für schlechte Autoren eine herrliche
Zeit, aber für solche, die nicht bloß Geld verdienen wollen,
desto schlechter. Ich bin jetzt sehr neugierig zu hören, wie von
Ihrem Meister wird geurteilt werden, was nämlich die
öffentlichen Sprecher sagen; denn daß das Publikum
darüber geteilt ist, versteht sich ja von selbst.
Von hiesigen Novitäten weiß ich Ihnen
nichts zu melden; denn mit Freund Fichte ist die reichste Quelle von
Absurditäten versiegt. Freund Woltmann hat wieder eine sehr
unglückliche Geburt und in einem sehr anmaßenden Ton von
sich ausgehen lassen. Es ist ein gedruckter Plan zu seinen historischen
Vorlesungen: ein warnender Küchenzettel, der auch den hungrigsten
Gast verscheuchen müßte.
Daß Schütz wieder sehr krank war, sich
aber wieder besser befindet, wissen Sie ohne Zweifel.
Ihre Beiträge zu dem Musenalmanach erwarte ich
mit rechter Begierde; Herder wird auch etwas dafür tun.
R e i c h a r d t hat sich durch Hufeland zu
einem Mitarbeiter an den Horen anbieten lassen.
Haben Sie die L u i s e von
Voß schon gelesen, die jetzt heraus ist? Ich kann sie Ihnen
schicken. Den Aufsatz im Deutschen Merkur werde ich mir geben lassen.
Meyern wünsche viel Glück zu seiner
Arbeit. Grüßen Sie ihn herzlich von mir. Alles empfiehlt
sich Ihnen herzlich.
Schiller
N. S.
Cotta schickte mir nicht mehr als diese zwei Horen.
Ich glaube, daß ich Ihnen deren drei zu schicken hatte.
76-77 An
Schiller [66]
Ehe mein
Paket abgeht erhalt' ich das Ihrige, und nun noch einige Worte.
Von den Elegien soll morgen Abend mit der reitenden
Post etwas abgehen; ich wünsche, daß ja kein Unfall Ihren
Aufsatz unterbrechen möge. Zum siebenten Stück kann ich Ihnen
nahe an zwei Bogen versprechen.
Lassen Sie uns nur unsern Gang unverrückt
fortgehen; wir wissen, was wir geben k ö n n e n
und w e n wir vor uns haben. Ich kenne das
Possenspiel des deutschen Autorwesens schon zwanzig Jahre in- und
auswendig; es muß nur f o r t g e s p i e l t
werden, weiter ist dabei nichts zu sagen.
Reichardt ist nicht abzuweisen, aber seine
Zudringlichkeit werden Sie sehr in Schranken halten müssen.
L u i s e habe ich noch nicht gesehen; Sie
werden mir eine Gefälligkeit erzeigen, sie zu schicken. Ich lege
Ihnen einen Band von Herders T e r p s i c h o r e
bei, den ich mir bald zurück erbitte, und der Ihnen viel Freude
machen wird.
Mein Übel ist wieder ziemlich vorüber. Ich
hatte mich schon eingerichtet, Sie wenigstens auf einen halben Tag zu
besuchen; nun muß ich es bis auf Trinitatis anstehen lassen. Die
nächsten vierzehn Tage halten mich die Proben von Claudine fest.
Leben Sie recht wohl und grüßen Sie unsre
Freunde.
Im Moniteur steht, daß Deutschland
hauptsächlich wegen der Philosophie berühmt sei, und
daß ein Mr. Kant und
sein Schüler Mr. Fichte
den Deutschen eigentlich die Lichter aufsteckten.
Weimar, den 16. Mai 1795
Goethe
Mit den Exemplaren der Horen sind wir nicht ganz in
Ordnung. Es hat indes so viel nicht zu sagen; Herr Cotta ist ja wohl so
artig, am Ende des halben Jahres zu komplettieren.
77-78 An
Schiller [67]
Hier
erhalten Sie, mein Wertester, endlich den zweiten Band Wilhelms. Ich
wünsche ihm auch bei seiner öffentlichen Erscheinung die
Fortdauer Ihrer Neigung. Ich suche nun das fünfte Buch in Ordnung
zu bringen, und da das sechste schon fertig ist, so hoffe ich, vor Ende
dieses Monats mich für diesen Sommer frei gearbeitet zu haben. Ich
wünsche bald zu hören, wie es Ihnen gelingt.
Beiliegende Exemplare bitte ich nach der Aufschrift
völlig zu verteilen.
Leben Sie recht wohl.
Weimar, den 16. Mai 1795
Goethe
78 An
Schiller [68]
Hier, mein
Wertester, die Elegien. Die zwei sind ausgelassen. Die angezeichnete
Stelle in der sechsten habe ich stehen lassen. Man versteht sie nicht,
das ist wohl wahr; aber man braucht ja auch Noten, zu einem alten nicht
allein, sondern auch zu einem benachbarten Schriftsteller.
Wolfs Vorrede zur Ilias habe ich gelesen, sie ist
interessant genug, hat mich aber schlecht erbaut. Die Idee mag gut sein
und die Bemühung ist respektabel, wenn nur nicht diese Herrn, um
ihre schwachen Flanken zu decken, gelegentlich die fruchtbarsten
Gärten des ästhetischen Reichs verwüsten und in leidige
Verschanzungen verwandeln müßten. Und am Ende ist mehr
Subjektives, als man denkt, in diesem ganzen Krame. Ich freue mich,
bald mit Ihnen darüber zu sprechen. Eine tüchtige Epistel
habe ich diesen Freunden dereinst zugedacht.
Herr v. Humboldt hat uns durch seinen Besuch gestern
aufs angenehmste überrascht. Grüßen Sie ihn aufs beste.
Leben Sie recht wohl. Die übrigen Elegien
folgen und ich, will's Gott, bald auch.
Weimar, den 17. Mai 1795
Goethe
Die Einrichtung des Drucks überlasse ich Ihnen
ganz. Vielleicht lassen sie sich noch schicklich rücken.
79-80 An
Goethe [69]
Jena, den 18. Mai 1795
Nur zwei Worte, um Ihnen den Empfang der Elegien zu
melden und für den zweiten Teil Meisters meinen und meiner Frau
herzlichen Dank zu sagen. Was ich in der Geschwindigkeit (denn ich
wollte ihn gleich binden lassen) von Serlos Geschichte las, ist
äußerst unterhaltend, und ich freue mich nun schon auf den
Eindruck, den dieser Teil im Zusammenhang auf mich machen wird.
Zu den Elegien wollten Sie Anmerkungen geben,
welches
gewiß nicht überflüssig wäre. Da solche am Ende
derselben, wie man es jetzt gewöhnlich zu halten pflegt, folgen
könnten, so wäre dazu noch bis Montag Zeit. Das Publikum
läßt sich gern alles erklären.
Daß Sie wieder besser sind, hat mir Herr v.
Humboldt
zu meiner herzlichen Freude versichert. Ich habe ihm auf Ihre
Erlaubnis die Terpsichore gegeben, die mir Herder unterdessen
geschickt hat. So weit ich darin las, ist es eine sehr glückliche
Arbeit, und ein solcher Dichter war es in jedem Betrachte wert, in
einer so schönen Form aus der Vergessenheit aufzustehen.
Wenn wir zu den Überschriften der einzelnen
Elegien
recht viel Raum übrig lassen, so können wir jede auf einer
eigenen Seite anfangen, ohne daß sie zu hoch oben aufhört.
Ich werde denselben Druck wie bei den Episteln dazu nehmen lassen.
Und so wandre denn der Kentaur in einer guten Stunde in die Welt!
Mich erfreut sehr, Sie in einigen Wochen zu sehen.
Wenn
ich darauf rechnen kann, daß Sie am letzten des Monats
gewiß hier sind, so hoffe ich, Ihnen meine Briefe noch vorher
lesen zu können, ehe sie abgehen, welches mir sehr lieb sein
sollte.
Daß Sie für das siebente Stück so
freundlich sorgen, dafür sei Ihnen tausend Dank gesagt.
Unterdessen haben sich wieder drei Mitarbeiter gemeldet, deren Arbeiten
ich alle nicht brauchen kann.
Leben Sie recht wohl.
Schiller
80 An
Schiller [70]
Die letzten
Elegien folgen denn auch und mögen mit gutem Omen abgehen.
Nun sollen Liedchen folgen, und was dem Almanach
frommen könnte.
Ich bin fleißig und nachdenklich und
möchte Sie über vieles sprechen. Vielleicht komm' ich bald.
Leben Sie recht wohl und grüßen die liebe
Frau.
Weimar, den 18. Mai 1795
Goethe
80-81 An
Goethe [71]
Jena, den 21. Mai 1795
Der Überbringer dieses, Herr Michaelis aus
Strelitz, ist der Verleger meines Musenalmanachs. Wenn Sie ihm einige
Augenblicke widmen wollten, so würde ich Sie bitten, mit ihm und
unserm Freund Meyer zu deliberieren, ob aus den Beiträgen, die Sei
zu dem Almanach bestimmt haben (die Epigramme mit eingeschlossen),
nicht einige Stoff zu Vignetten geben, die vielleicht Meyer skizzieren
würde. Die Gewohnheit fordert dergleichen Verzierungen, und hier
weiß ich noch keinen Stoff dazu. Hätten Sie unter Ihren
kleinen Gedichten einige Romanzen oder dergleichen, so würde sich
daraus am besten etwas machen lassen. Der Almanach wird bei Herrn Unger
gedruckt und soll elegant werden.
Ich ließ Sie durch Herrn Gerning bitten, mich
den Tag wissen zu lassen, wo Claudine gespielt wird, um, wenn es mir
etwa möglich wäre, die Vorstellung mit anzusehen oder doch
meiner Frau das Vergnügen zu machen. Aber diese wird
wahrscheinlich die Masern bekommen, und so hebt sich denn das ganze
Plänchen.
Herzlich verlangt mich, Sie bald wieder hier zu
sehen.
Michaelis wird Ihnen auch sagen, daß in seinen
Gegenden starke Nachfrage nach Ihrem Meister ist.
Dieser Brief möge Sie bei der besten Gesundheit
finden.
Schiller
81 An
Schiller [72]
Ich danke
Ihnen recht sehr, daß Sie mir die Sorge über Ihren
Fieberanfall durch die liebe Frau, die ich bestens grüße, so
bald benommen haben; möge doch Karl auch die Masern glücklich
überstehen.
Mir ist es gleich bei meiner Rückkunft
übel ergangen; ein Rezidiv des Backengeschwulstes überfiel
mich, und da ich die Sache leicht nahm, ward sie stufenweise so arg,
daß ich von Humboldt nicht einmal Abschied nehmen konnte. Jetzt
ist das Übel im Fallen. Ich habe indessen am Roman abschreiben
lassen und schicke vielleicht die erste Hälfte des fünften
Buches, die auch Epoche macht, nächsten Sonnabend.
Die Horen habe erhalten.
Hierbei ein Tragelaph von der ersten Sorte.
Meyer grüßt und ist sehr fleißig.
Leben Sie wohl und lassen mich bald wissen, wie es
Ihnen und den Ihrigen geht und was Sie arbeiten.
Weimar, den 10. Juni 1795
Goethe
81-82 An
Schiller [73]
Hier die
Hälfte des fünften Buches; sie macht Epoche, drum durft' ich
sie senden. Ich wünsche ihr gute Aufnahme. Mein Übel hat
meine Plane geändert, so mußt' ich mit dieser Arbeit
vorrücken. Verzeihen Sie die Schreibfehler und vergessen des
Bleistifts nicht. Wenn Sie und Humboldt es gelesen haben, bitte ich es
bald zurück. Da ich ungeduldig bin, körperlich zu leiden,
werde ich wohl nach Karlsbad gehen, das mich ehemals auf lange Zeit von
gleichen Übeln befreite. Leben Sie wohl. Für den Kalender
nächstens etwas, auch für die Horen. Ich bin erwartend, wie
Ihnen ein Einfall gefällt, den ich habe, die J u r i s
d i k t i o n der Horen und der Journale überhaupt zu
erweitern. Sie erhalten einen B r i e f e i n e
s M i t a r b e i t e r s.
Mögen Sie doch recht wohl sein und in Ihren
Arbeiten nicht gehindert.
Weimar, den 11. Juni 1795
Goethe
Was macht Karl?
82-83 An
Goethe [74]
Jena, den 12. Juni 1795
Daß Sie aufs neue krank geworden, habe ich von
Herrn v. Humboldt mit herzlichem Bedauern gehört, und daß
Sie uns, einer solchen Ursache wegen, auf eine Zeitlang verlassen,
beklage ich noch mehr. Sie waren in einer so frischen und heitern
Tätigkeit, und der Sprudel ist eine schlechte Hippokrene,
wenigstens so lang er getrunken wird. Möchten Sie indes nur bald
imstande sein, abzureisen, um desto zeitiger wieder bei uns zu sein.
Mein Fieber hat mich seit vier oder fünf Tagen
verlassen, und ich bin gegenwärtig mit meinem Befinden ganz wohl
zufrieden. Könnte ich es ebenso mit meiner Tätigkeit sein!
Aber der Übergang von einem Geschäft zum andern war mir von
jeher ein harter Stand und jetzt vollends, wo ich von Metaphysik zu
Gedichten hinüberspringen soll. Indessen habe ich mir, so gut es
angeht, eine Brücke gebaut, und mache den Anfang mit einer
gereimten Epistel, welche P o e s i e d e
s L e b e n s überschrieben ist, und also, wie
Sie sehen, an die Materie, die ich verlassen habe, grenzt. Könnten
Sie kommen und Ihren Geist auch nur sechs Wochen lang und nur, soviel
ich davon in mich aufnehmen kann, in mich hauchen, so würde mir
geholfen sein.
Der Kentaur ist nun glücklich ausgerüstet
und mit ihm die erste Semestre
der Horen. Für die andern ist mir ein klein wenig bang, wenn ich
an den kleinen Vorrat gedenke. Sind Sie indessen nur gesund und frei,
und geht es mir selbst nicht schlechter, als es in diesem Jahre
gegangen ist, so ist nicht zu verzagen. Sehr neugierig bin ich auf den
versprochenen B r i e f. Kann ich aber auch noch auf
die Fortsetzung der U n t e r h a l t u n g e n
für das siebente Stück zählen?
Das fünfte Buch Meisters, das ich vor einigen
Augenblicken erhielt, wird in
instanti vorgenommen. Ich freue mich nicht wenig darauf, und
wünschte nur, gleich auch den Rest des Buchs zu haben.
Das ist ein prächtiger Patron, der Hesperus,
den Sie mir neulich schickten. Er gehört ganz zum
Tragelaphen-Geschlecht, ist aber dabei gar nicht ohne Imagination und
Laune und hat manchmal einen recht tollen Einfall, so daß er eine
lustige Lektüre für die langen Nächte ist. Er
gefällt mir noch besser als die L e b e n s l ä u
f e.
Meine Frau ist wieder besser und mit Karln geht es
recht gut. Wenn Sie durchreisen, welches wohl bald sein wird, finden
Sie uns, wie ich hoffe, auf besserem Weg.
Meyern bitte recht schön zu grüßen.
Leben Sie recht wohl und werden Sie baldmöglichst gesund.
Schiller
83-84 An
Schiller [75]
Hierbei die
Konzepte von den bewußten Briefen, an denen sich noch manches
wird retuchieren lassen, wenn Sie mit den Hauptideen zufrieden sind.
Dergleichen Aufsätze sind wie Würfel im Brettspiele; es
entsteht meist etwas daraus, was man nicht denkt, aber es muß
doch etwas daraus entstehen. Vor Ende dieses Monats geh' ich von hier
nicht weg und lasse Ihnen noch für das siebente Stück eine
gewöhnliche Portion U n t e r h a l t u n g e n
zurück. Bis dahin ist auch die zweite Hälfte des fünften
Buchs abgeschrieben, und so hätten wir uns der
Widerwärtigkeit so gut als möglich zu unsern Arbeiten
bedient. Leben Sie recht wohl, tun Sie desgleichen; möge Ihnen die
Epistel recht gut geraten.
Weimar, den 13. Juni 1795
Goethe
84-86 An
Goethe [76]
Jena, den 15. Juni 1795
Dieses fünfte Buch Meisters habe ich mit einer
ordentlichen Trunkenheit und mit einer einzigen ungeteilten
Empfindung durchlesen. Selbst im Meister ist nichts, was mich so
Schlag auf Schlag ergriffen und in seinem Wirbel unfreiwillig mit
fortgenommen hätte. Erst am Ende kam ich zu einer ruhigen
Besinnung. Wenn ich bedenke, durch wie einfache Mittel Sie ein so
hinreißendes Interesse zu bewirken wußten, so muß ich
mich noch mehr verwundern. Auch was das Einzelne betrifft, so fand ich
darin treffliche Stellen. Meisters Rechtfertigung gegen Werner seines
Übertritts zum Theater wegen, dieser Übertritt selbst, Serlo,
der Souffleur, Philine, die wilde Nacht auf dem Theater u. dgl. sind
ausnehmend glücklich behandelt. Aus der Erscheinung des anonymen
Geistes haben Sie so viel Partie zu ziehen gewußt, daß ich
darüber nichts mehr zu sagen weiß. Die ganze Idee
gehört zu den glücklichsten, die ich kenne, und Sie
wußten das Interesse, das darin lag, bis auf den letzten Tropfen
auszuschöpfen. Am Ende freilich erwartet jedermann den Geist bei
der Tafel zu sehen, aber da Sie selbst an diesen Umstand erinnern, so
begreift man wohl, daß die Nichterscheinung ihre guten Ursachen
haben müsse. Über die Person des Gespenstes werden so viele
Hypothesen gemacht werden, als mögliche Subjekte dazu in dem
Romane vorhanden sind. Die Majorität bei uns will schlechterdings,
daß Mariane der Geist sei oder doch damit in Verbindung stehe.
Auch sind wir geneigt, den weiblichen Kobold, der Meistern in seinem
Schlafzimmer in die Arme zu packen kriegt, für Eine Person mit dem
Geist zu halten. Bei der letzteren Erscheinung habe ich aber doch auch
an Mignon gedacht, die an dem heutigen Abend sehr viele Offenbarungen
über ihr Geschlecht scheint erhalten zu haben. Sie sehen aus
dieser kleinen hermeneutischen Probe, wie gut Sie Ihr Geheimnis
zu bewahren gewußt.
Das Einzige, was ich gegen dieses fünfte Buch
zu
erinnern habe, ist, daß es mir zuweilen vorkam, als ob Sie
demjenigen Teile, der das Schauspielwesen ausschließend angeht,
mehr Raum gegeben hätten, als sich mit der freien und weiten Idee
des Ganzen verträgt. Es sieht zuweilen aus, als schrieben
Sie
f ü r den Schauspieler, da Sie doch nur v o
n d e m Schauspieler
schreiben wollen. Die Sorgfalt, welche Sie gewissen kleinen Details in
dieser Gattung widmen, und die Aufmerksamkeit auf einzelne kleine
Kunstvorteile, die zwar dem Schauspieler und Direktor, aber nicht dem
Publikum wichtig sind, bringen den falschen Schein eines b
e s o n d e r n
Z w e c k e s in die Darstellung, und wer einen solchen Zweck
auch nicht
vermutet, der möchte Ihnen gar Schuld geben, daß eine
Privatvorliebe für diese Gegenstände Ihnen zu mächtig
geworden sei. Könnten Sie diesen Teil des Werks füglich in
engere Grenzen einschließen, so würde dies gewiß
gut für das Ganze sein.
Jetzt noch ein Wort über Ihre Briefe an den
Redakteur
der Horen. Ich habe schon ehemals daran gedacht, daß wir wohl
daran tun würden, einen kritischen Fechtplatz in den Horen zu
eröffnen. Aufsätze dieses Inhalts bringen ein
augenblickliches Leben in das Journal und erregen ein sicheres
Interesse beim Publikum. Nur dürften wir, glaube ich, das Heft
nicht aus den Händen geben, welches geschehen würde, wenn wir
dem Publikum und den Autoren ein gewisses Recht durch unsre
förmliche Einladung einräumten. Von dem Publikum hätten
wir sicher nur die elendesten Stimmen zu erwarten, und die Autoren
würden sich, wie man Beispiele hat, sehr beschwerlich machen. Mein
Vorschlag wäre, daß wir die Angriffe aus unserm eigenen
Mittel machen müßten; wollten dann die Autoren sich in den
Horen verteidigen, so müßten sie sich den Bedingungen
unterwerfen, die wir ihnen vorschreiben wollen. Auch wäre deshalb
mein Rat, sogleich mit der Tat und nicht mit der Proposition
anzufangen. Es schadet uns nichts, wenn man uns für unbändig
und ungezogen hält.
Was würden Sie dazu sagen, wenn ich mich, im
Namen
eines Herrn von X., gegen den Verfasser von Wilhelm Meister beschwerte,
daß er sich so gern bei dem Schauspielervolk aufhält, und
die g u t e S o z i e t ä t in
seinem Roman vermeidet? (Sicherlich ist
dies der allgemeine Stein des Anstoßes, den die feine Welt
an dem Meister nimmt, und es wäre nicht überflüssig,
auch nicht uninteressant, die Köpfe darüber
zurechtzustellen.) Wenn Sie antworten wollen, so will ich Ihnen einen
solchen
Brief fabrizieren.
Ich hoffe, daß es mit Ihrer Gesundheit jetzt
wieder
besser geht. Der Himmel segne Ihre Geschäfte und hebe Ihnen noch
recht viele so schöne Stunden auf, wie die waren, in denen Sie den
Meister schrieben.
Auf die Beiträge zu dem Almanach und auf die
Unterhaltungen, wozu Sie mir Hoffnung gemacht haben, harre ich mit
großem Verlangen. In meinem Haus geht es besser. Alles
grüßt Sie.
Schiller
86-88 An
Schiller [77]
Ihre
Zufriedenheit mit dem fünften Buche des Romans war mir höchst
erfreulich und hat mich zur Arbeit, die mir noch bevorsteht,
gestärkt. Es ist mir sehr angenehm, daß die wunderlichen und
spaßhaften Geheimnisse ihre Wirkung tun und daß mir, nach
Ihrem Zeugnisse, die Ausführung der angelegten Situationen
geglückt ist. Um so lieber habe ich Ihre Erinnerungen, wegen des
theoretisch-praktischen Gewäsches, genutzt und bei einigen Stellen
die Schere wirken lassen. Dergleichen Reste der frühern Behandlung
wird man nie ganz los, ob ich gleich das erste Manuskript fast um ein
Drittel verkürzt habe.
Über das, was mit dem Briefe an den Herausgeber
oder bei Gelegenheit desselben anzufangen ist, werden wir bei einer
Unterredung leicht einig werden. Ich werde etwa zu Ende der andern
Woche bei Ihnen sein und womöglich die versprochene Erzählung
mitbringen.
Auf den Sonnabend schicke ich Meyers Aufsatz
über J o h a n n B e l l i n; er
ist sehr schön, nur leider zu kurz. Haben Sie die Güte, uns
die Einleitung, die Sie schon in Händen haben, wieder
zurückzuschicken, weil noch einiges darin zu supplieren ist. Wenn
er den M a n t e g n a noch dazu fügen
könnte, so wär' es ein Gewinn für das siebente
Stück.
Es ist mir angenehm, daß Ihnen der neue
Tragelaph nicht ganz zuwider ist; es ist wirklich schade für den
Menschen, er scheint sehr isoliert zu leben und kann deswegen bei
manchen guten Partien seiner Individualität nicht zu Reinigung
seines Geschmacks kommen. Es scheint leider, daß er selbst die
beste Gesellschaft ist, mit der er umgeht. Sie erhalten noch zwei
Bände dieses wunderlichen Werks.
Die vier Wochen in Karlsbad denke ich einer Revision
meiner naturwissenschaftlichen Bemühungen zu widmen; ich will
sehen, daß ich ein Schema dessen, was ich schon getan habe und
wohin ich mich zunächst wenden muß, aufsetze, um nur erst
ein Fachwerk für die vielen zerstreuten Erfahrungen und
Betrachtungen bereit zu haben.
Was sagen Sie zu einer Schrift, aus der ich Ihnen
beiliegende Stelle abschreiben lasse?
Leben Sie recht wohl mit den Ihrigen und
grüßen Humboldts.
Weimar, den 18. Juni 1795
Goethe
88 An
Goethe [78]
Jena, den 19. Juni 1795
Hier folgt das Manuskript von Meyern nebst meinem
besten Gruß. Daß ich sobald etwas von ihm zu erwarten habe,
ist mir sehr tröstlich. Wenn es ihm indessen bloß an Zeit
fehlt, um noch den Mantegna folgen zu lassen, so kann ich ihm diese
vielleicht geben, da ich von Freund Fichte einen Aufsatz erwarte und
nun auf die Unterhaltungen sicher rechnen darf. Nächsten Montag
kann ich bestimmter wissen, wie ich daran bin.
Daß Sie meine Erinnerungen, das fünfte
Buch des Romans betreffend, Ihrer Aufmerksamkeit wert achten, freut
mich und gibt mir neuen Mut. Ich fühle indessen mit der Liebe, die
ich für dieses Werk Ihres Geistes hege, auch alle Eifersucht wegen
des Eindrucks, den es auf andere macht, und ich möchte mit dem
nicht gut Freund sein, der es nicht zu schätzen wüßte.
Aus welchem Tollhause Sie das vortreffliche Fragment
mögen aufgegriffen haben, weiß ich nicht, aber nur ein
Verrückter kann so schreiben. Freund Obereit könnte es wohl
geschrieben haben, doch zweifle ich daran. Es hat mir vielen Spaß
gemacht.
Gleich geht die Post. Ich freue mich sehr darauf,
Sie bald wieder zu sehen.
Schiller
88-89 An
Schiller [79]
Eine
Erzählung für die Horen und ein Blättchen für den
Almanach mögen meine Vorläufer sein. Montags bin ich bei
Ihnen und es wird sich manches bereden lassen. Voß
grüßt und bietet eine antiquarische Abhandlung über
die H ä h n e der Götter und
allenfalls ein Stück alte Geographie an.
Herder verspricht baldigst etwas über den
Homer. Wenn noch was von Jacobi käme, so wäre es recht gut.
Ich verlange zu sehen, was Sie gearbeitet haben.
Empfehlen Sie mich Ihrer lieben Frauen und
Humboldts; ich freue mich, Sie wieder zu sehen.
Weimar, den 27. Juni 1795
Goethe
89-90 An
Goethe [80]
Jena, den 6. Juli 1795
Eine große Expedition der Horen, die ich heute
habe, läßt mir nur einige Augenblicke frei, um Sie zu Ihrer
Ankunft im Karlsbad, welche, wie ich hoffe, glücklich gewesen ist,
zu begrüßen. Ich freue mich, daß ich von den
dreißig Tagen Ihrer Abwesenheit viere wegstreichen darf.
Von Fichte habe ich einen Brief erhalten, worin er
mir zwar das Unrecht, das ich ihm getan, sehr lebhaft demonstriert,
dabei aber sehr bemüht ist, nicht mit mir zu brechen. Bei aller
nicht unterdrückten Empfindlichkeit hat er sich sehr zu
mäßigen gewußt, und ist bemüht, den
Räsonnablen zu spielen. Daß er mir schuld gibt, seine
Schrift ganz mißverstanden zu haben, ist eine Sache, die sich von
selbst versteht. Daß ich ihm aber Verworrenheit der Begriffe
über seinen Gegenstand schuld gab, das hat er mir kaum verzeihen
können. Er will mir seinen Aufsatz, wenn er ganz fertig ist, zum
Lesen schicken und erwartet, daß ich alsdann mein übereiltes
Urteil widerrufen werde. So stehen die Sachen, und ich muß ihm
das Zeugnis geben, daß er sich in dieser kritischen Situation
noch ganz gut benommen hat. Sie sollen seine Epistel lesen, wenn Sie
zurückkommen.
Von hiesigen Novitäten weiß ich Ihnen
nichts zu schreiben, als daß die Tochter vom Hofr. Schütz
wirklich gestorben ist, er selbst aber sich erträglich befindet.
Woltmann, der mich vor einigen Tagen besuchte,
versicherte mir, daß nicht F i c h t e,
sondern ein gewisser Fernow (ein junger Maler, der hier studierte, auch
Gedichte macht und mit Baggesen eine Zeitlang reiste) Verfasser des
Aufsatzes im Merkur über den Stil in den bildenden Künsten
sei. Baggesen selbst erzählte dieses, und erklärte dabei,
daß jener Aufsatz das Sublimste sei, was je über diesen
Gegenstand geschrieben worden. Ich hoffe also, Sie werden dem
großen Ich in Oßmannstedt im Herzen Abbitte tun und
wenigstens diese Sünde von seinem schuldigen Haupte nehmen.
Woltmann sagt mir, daß er angefangen habe an
einem Roman zu arbeiten, welches ich freilich mit seiner übrigen
historischen Aktivität nicht recht reimen kann.
Von Humboldt habe noch keine Nachricht. Daß
Ihr Aufenthalt im Karlsbad recht fruchtbar für Ihre Gesundheit und
für die mitgenommenen Beschäftigungen sein möchte,
wünsche ich von Herzen. Sollte sich eine Gelegenheit finden, mir
den Rest des fünften Buchs zu schicken, so würden Sie mir
eine große Freude damit machen.
Von den Horen habe ich zwei Exemplarien nach Ihrer
Vorschrift verschickt.
Meine Frau empfiehlt sich Ihnen bestens. Leben Sie
recht wohl und behalten uns in freundschaftlichem Angedenken.
Schiller
90-91 An
Schiller [81]
Die
Gelegenheit, Ihnen durch Fräulein von Göchhausen diesen Brief
zu übersenden, versäume ich nicht. Nach überstandenen
leidlichen und bösen Wegen bin ich am Vierten abends angelangt;
das Wetter war bis heute äußerst schlecht, und der erste
Sonnenblick scheint nur vorübergehend zu sein. Die Gesellschaft
ist zahlreich und gut; man beklagt sich, wie immer, über den
Mangel an Harmonie, und jeder lebt auf seine Weise. Ich habe nur
gesehen und geschwätzt; was sonst werden und gedeihen wird,
muß abgewartet werden. Auf alle Fälle habe ich gleich einen
kleinen Roman aus dem Stegreife angeknüpft, der höchst
nötig ist, um einen morgens um fünf Uhr aus dem Bette zu
locken. Hoffentlich werden wir die G e s i n n u n g e n
dergestalt mäßigen und die B e g e b e n
h e i t e n so zu leiten wissen, daß er vierzehn Tage
aushalten kann.
Als berühmter Schriftsteller bin ich
übrigens recht gut aufgenommen worden, wobei es doch nicht an
Demütigungen gefehlt hat. Z. B. sagte mir ein allerliebstes
Weibchen: sie habe meine letzten Schriften mit dem größten
Vergnügen gelesen, besonders habe sie Giaffar, der Barmecide,
über alle Maßen interessiert. Sie können denken,
daß ich mit der größten Bescheidenheit mich in Freund Klingers
hinterlaßne arabische Garderobe einhüllte und so meiner
Gönnerin in dem vorteilhaftesten Lichte erschien. Und ich darf
nicht fürchten, daß sie in diesen drei Wochen aus ihrem
Irrtume gerissen wird.
Die vielen Menschen, unter denen sehr interessante
sind, lerne ich nach und nach kennen und werde Ihnen manches zu
erzählen haben.
Indem ich auf meiner Herreise einige alte
Märchen durchdachte, ist mir verschiedenes über die
Behandlungsart derselben durch den Kopf gegangen. Ich will ehstens eins
schreiben, damit wir einen Text vor uns haben. Leben Sie recht wohl mit
den Ihrigen und denken mein.
Karlsbad, den 8. Juli 1795
Goethe
91-92 An
Schiller [82]
Karlsbad, den 19. Juli 1795
Ihren lieben Brief vom 6ten habe ich erst den 17ten
erhalten; wie danke ich Ihnen, daß Sie mir in den Strudel einer
ganz fremden Welt eine freundliche Stimme erschallen lassen.
Gegenwärtiges nimmt Frl. von Beulwitz mit, ich hoffe, es soll bald
bei Ihnen anlangen.
Die Kur schlägt sehr gut an, ich halte mich
aber auch wie ein echter Kurgast und bringe meine Tage in einem
absoluten Nichtstun zu, bin beständig unter den Menschen, da es
denn nicht an Unterhaltung und an kleinen Abenteuern fehlt. Ich werde
mancherlei zu erzählen haben.
Dagegen ist aber auch weder das fünfte Buch des
Romans abgeschrieben, noch irgend ein Epigramm gelungen, und wenn die
andre Hälfte meines hiesigen Aufenthaltes der ersten gleich ist,
so werde ich an guten Werken arm zurückkehren.
Mir war sehr lieb zu hören, daß das
Oßmannstedter Ich sich zusammengenommen hat, und daß auf
Ihre Erklärung kein Bruch erfolgt ist; vielleicht lernt er nach
und nach Widerspruch ertragen.
Auch mir ist durch Madame Brun die sublime
Abhandlung Fernows im Merkur angepriesen und also der Name des Autors
entdeckt worden. Leider spukt also dieser Geist anmaßlicher
Halbheit auch in Rom, und unsre Freundin wird wahrscheinlicherweise
dort mit den drei Stilen näher bekannt werden. Welch eine
sonderbare Mischung von Selbstbetrug und Klarheit diese Frau zu ihrer
Existenz braucht, ist kaum denkbar, und was sie und ihr Zirkel sich
für eine Terminologie gemacht haben, um das zu b e s e
i t i g e n, was ihnen nicht ansteht, und das, was sie besitzen,
als die Schlange Mosis aufzustellen, ist höchst merkwürdig.
Doch ausführlich von allem diesem und anderm,
wenn ich zurückkomme. Die Finger erstarren mir vor Kälte; das
Wetter ist entsetzlich und die Unbehaglichkeit allgemein.
Leben Sie desto wohler und wärmer und gedenken
mein.
Goethe
93-94 An
Goethe [83]
Jena, den 20. Juli 1795
Daß ich seit den letzten zwölf Tagen mich
schlimm befunden und dadurch abgehalten worden, Ihnen Nachricht von mir
zu geben, hat meine Frau Ihnen geschrieben. Hoffentlich haben Sie
diesen und einen Brief von mir, der vier Tage nach Ihnen von hier
abging, richtig erhalten.
Der Ihrige hat mich sehr erfreut, und ich
wünsche herzlich, daß Ihnen die Klingerische Maske recht
viele freundliche Abenteuer zuwenden möge. Ich halte es für
gar nichts Schlechtes, sich unter einem s o l c h e n
Namen bei Damen wohl aufgenommen zu sehen, denn das Schwierigste
ist alsdann schon abgetan.
Ich bin gleich ungeduldig zu hören, wie Sie mit
Ihrer Gesundheit und mit Ihren Beschäftigungen vorwärts
gerückt sind. Auf den Rest des fünften Buchs freue ich mich
sehr. Was ich unterdessen von dem Kentaur erfahren, klang noch ganz
gut. Über die Elegien freut sich alles und niemand denkt daran,
sich daran zu skandalisieren. Die eigentlich gefürchteten
Gerichtshöfe haben freilich noch nicht gesprochen. Auch ich habe
über meinen Anteil an dem Kentaur mein Teil Lob weg, ja ich bin
noch glücklicher sogar als Sie; denn kaum acht Tage nach
Erscheinung dieses Stücks erhielt ich von einem Leipziger
Schriftsteller ein förmliches Gedicht zu meinem Lobe.
Es sind unterdessen zwei neue Aufsätze von
Orten, wo ich nichts erwartete, für die Horen eingelaufen. Der
eine darunter handelt von griechischer und gotischer Baukunst und
enthält, in einem ziemlich vernachlässigten Stil und bei
vielem Unbedeutenden, manchen sinnreichen Einfall. Nach langen
Deliberationen, ob ich ihn aufnehmen solle, bestimmte mich die
Zweckmäßigkeit und Neuheit des Gegenstandes für die
Horen, besonders da er nicht groß ist, ihn aufzunehmen. Der
zweite, auch nicht einmal einen Bogen stark, untersucht die Ideen der
Alten vom Schicksal. Er ist von einem vortrefflichen Kopf und scharfen
Denker, ich werde ihn daher ohne Anstand brauchen können. Erst vor
einer Stunde erhielt ich ihn.
Jacobi hat nun seine Abhandlung geschickt. Sie
enthält viel Vortreffliches, besonders über die Billigkeit in
Beurteilung fremder Vorstellungsarten, und atmet durchaus eine liberale
Philosophie. Den Gegenstand kann ich Ihnen nicht wohl bestimmen. Unter
der Aufschrift: Zufällige Ergießungen eines einsamen Denkers
(in Briefen an Ernestine) wird von mancherlei Dingen gehandelt.
Von Herdern habe ich weder Manuskript noch Nachricht
seit vielen Wochen. Humboldt ist glücklich angelangt, hat aber
seine Mutter sehr krank angetroffen.
Meine Poesien rücken sehr langsam
vorwärts, da ich ganze Wochen lang zu jeder Arbeit untüchtig
war. Etwas sollen Sie aber doch finden, wenn Sie kommen. Von hiesigen
Novitäten weiß ich Ihnen gar nichts zu schreiben.
Leben Sie recht wohl, und der Himmel bringe Sie
gesund und heiter zurück.
Schiller
94-95 An
Schiller [84]
Ein Brief
kann doch noch früher als ich selbst ankommen, darum will ich
Ihnen für Ihr letztes danken. Ihr erster Brief war elf Tage
unterwegs, der zweite fünf und der letzte sieben. So ungleich
gehen die Posten hierher.
Es tut mir leid, daß Sie inzwischen aus Not
gefeiert haben, indes meine Tagedieberei willkürlich genug war.
Ich habe mein einmal angefangenes Leben fortgesetzt, nur mit der
Gesellschaft existiert und mich dabei ganz wohl befunden. Man
könnte hundert Meilen reisen und würde nicht so viel Menschen
und so nah sehn. Niemand ist zu Hause, deswegen ist jeder
zugänglicher und zeigt sich doch auch eher von seiner
günstigen Seite. Das fünfte Buch ist abgeschrieben, und das
sechste kann in einigen Tagen fertig sein. An den Epigrammen ist wenig
geschehen und sonst gar nichts.
Ich wünsche Glück zu den neuen
Beiträgen und bin neugierig sie zu lesen.
Nach Ihnen ist viel Nachfrage, und ich antworte je
nachdem die Menschen sind. Überhaupt hat das Publikum nur den
dunkelsten Begriff vom Schriftsteller. Man hört nur uralte
Reminiszenzen; von seinem Gange und Fortschritte nehmen die wenigsten
Notiz. Doch muß ich billig sein und sagen, daß ich einige
gefunden habe, die hierin eine merkwürdige Ausnahme machen.
Das sechste Stück der Horen ist noch nicht in
diese Gebirge gedrungen; ich habe bei C a l v e von
Prag schon Beschlag darauf gelegt.
Leben Sie wohl, grüßen Sie die liebe Frau.
Karlsbad, den 29. Juli 1795
Goethe
95-96 An
Goethe [85]
[Jena, den 11. August 1795]
Die Erwartung steigt noch immer, aber man sieht doch
schon
von ferne, daß der Wald anfängt lichter zu werden. Die
Erinnerung an Marianen tut viel Wirkung und Mignon wächst mit
jedem Buch mehr heran. Der düstre Harfenspieler wird immer
düsterer und geisterhafter und Philine gefällt mir noch immer
trefflich wohl. Man freut sich, wie Sie in diesem Buch vorhergegangene
Personen und Szenen wieder ins Gedächtnis bringen.
Der vielen Schreibfehler wegen, auch wegen einiger
Ungleichheiten in der Schreibart (bald des Publi k u m s, bald
des Publi c i
usw.) ist noch viel Aufmerksamkeit zu empfehlen. In dem Gedicht am
Schluß haben Sie ein Wort lang gebraucht, das durch die Stellung
notwendig kurz wird, und ein Zeitwort kurz, das lang bleiben muß.
Verzeihen Sie mein Geschmiere. Ich muß eilen,
um das
Manuskript nicht länger aufzuhalten.
Bald hoffe ich wieder von Ihnen zu hören und
wünsche Glück zur Ankunft in Weimar. Meyern meinen
freundlichen Gruß.
Schiller
96-97 An
Schiller [86]
Hier
schicke ich Ihnen endlich die Sammlung Epigramme, auf einzelnen
Blättern, numeriert, und der bessern Ordnung willen noch ein
Register dabei; meinen Namen wünschte ich aus mehreren Ursachen
nicht auf dem Titel. Mit den Mottos halte ich für ratsam, auf die
Antiquität hinzudeuten.
Bei der Zusammenstellung habe ich zwar die
zusammengehörigen hintereinander rangiert, auch eine gewisse
Gradation und Mannigfaltigkeit zu bewirken gesucht, dabei aber, um alle
Steifheit zu vermeiden, vornherein unter das venetianische Lokal
Vorläufer der übrigen Arten gemischt. Einige, die Sie
durchstrichen hatten, habe ich durch Modifikation annehmlich zu machen
gesucht. Nr. 78 wünsche ich, so unbedeutend es ist, an diesem
Platze, um die Schule zu reizen und zu ärgern, die, wie ich
höre, über mein Stillschweigen triumphiert und ausstreut: ich
würde die Sache fallen lassen. Haben Sie sonst noch ein Bedenken,
so teilen Sie mir es mit, wenn es die Zeit erlaubt, wo nicht, so helfen
Sie ihm selbst ohne Anstand ab.
Ich wünschte einige Exemplare von diesem
Büchlein besonders zu erhalten, um sie zum Gebrauch bei einer
künftigen neuen Ausgabe beiseite zu legen.
Wollten Sie wegen der Druckfehler noch besondere
Warnung ergehen lassen; in den Elegien sind einige sehr unangenehme
eingeschlichen.
Sobald der Almanach heraus ist, könnte man zu
den Elegien und Epigrammen kurze Noten machen, dabei der Druckfehler
erwähnen und den Aufsatz in die Horen einrücken, welches von
mancherlei Nutzen sein würde; wie leicht könnte man dieser
wirklich unentbehrlichen Noten am Ende des Büchleins mit einigen
Worten gedenken.
Ich schicke dieses Paket durch einen Boten, damit es
Ihnen so früh als möglich zukomme, und damit ich den Roman
wieder zurückerhalte, mit welchem ich auch nicht länger
zaudern darf.
Ich sehe voraus, daß ich Anfangs September
nach Ilmenau muß, und daß ich unter zehn bis vierzehn Tagen
dort nicht loskomme; bis dahin liegt noch vielerlei auf mir, und ich
wünschte noch von Ihnen zu wissen, was Sie zu den Horen
bedürfen. Soviel ich übersehe, könnte ich folgendes
leisten:
| August. |
Unterhaltungen, Schluß
der letzten Gedichte. Hymnus, den ich mir zu diesem Ende zurück
erbitte. |
| September. |
Drama und Roman.
Das
Märchen. Ich würde
die Unterhaltungen damit schließen, und es würde vielleicht
nicht übel
sein, wenn sie durch ein Produkt der Einbildungskraft gleichsam ins
Unendliche ausliefen.
|
| Oktober. |
Fortsetzung des Märchens.
Noten zu den Elegien und Epigrammen. |
| November und Dezember. |
Ankündigung von Cellini,
und wenn es möglich wäre, etwas von Faust. |
Mit diesem letzten geht
mir's wie mit einem Pulver, das sich aus seiner Auflösung nun
einmal niedergesetzt hat; so lange Sie dran rütteln, scheint es
sich wieder zu vereinigen, sobald ich wieder für mich bin, setzt
es sich nach und nach zu Boden.
Schreiben Sie mir vor allem, wie Sie sich befinden,
und wie Ihre Arbeiten gehn, und leben recht wohl.
Weimar, den 17. August 1795
Goethe
98-100 An
Goethe [87]
Jena, den 17. August 1795
Ich nahm Ihre neuliche Zusage nach dem Buchstaben
und
rechnete darauf, Sie morgen, als den Dienstag, gewiß hier zu
sehen: dies ist Ursache, daß ich den Meister so lange
behielt und Ihnen auch nichts darüber schrieb. Sehr hätte ich
gewünscht, mit Ihnen über dieses sechste Buch mündlich
zu sprechen, weil man sich in einem Brief nicht auf alles besinnt und
zu solchen Sachen der Dialog unentbehrlich ist. Mir deucht,
daß Sie den Gegenstand von keiner glücklichern Seite
hätte fassen können, als die Art ist, wie Sie den stillen
Verkehr der Person mit dem Heiligen in sich eröffnen. Dieses
Verhältnis ist zart und fein, und der Gang, den Sie es
nehmen lassen, äußerst übereinstimmend mit der Natur.
Der Übergang von der Religion überhaupt zu
der
christlichen durch die Erfahrung der Sünde ist meisterhaft
gedacht. Überhaupt sind die leitenden Ideen des Ganzen trefflich,
nur, fürchte ich, etwas zu leise angedeutet. Auch will ich Ihnen
nicht dafür stehen, daß nicht manchen Lesern vorkommen wird,
als wenn die Geschichte stille stände. Hätte sich manches
näher zusammenrücken, anderes kürzer fassen, hingegen
einige Hauptideen mehr ausbreiten lassen, so würde es vielleicht
nicht übel gewesen sein, Ihr Bestreben, durch Vermeidung der
trivialen Terminologie der Andacht ihren Gegenstand zu purifizieren und
gleichsam wieder ehrlich zu machen, ist mir nicht entgangen; aber
einige Stellen habe ich doch angestrichen, an denen, wie ich
fürchte, ein christliches Gemüt eine zu „leichtsinnige“
Behandlung tadeln könnte.
Dies wenige über das, was Sie gesagt und
angedeutet. Dieser Gegenstand ist aber von einer solchen Art, daß
man auch über das, was nicht gesagt ist, zu sprechen versucht
wird. Zwar ist dieses Buch noch nicht geschlossen, und ich weiß
also nicht, was etwa noch nachkommen kann, aber die Erscheinung des
Oheims und seiner gesunden Vernunft scheint mir doch eine Krise
herbeizuführen. Ist dieses, so scheint mir die Materie doch zu
schnell abgetan: denn mir deucht, daß über das
E i g e n t ü m l i c h e christlicher Religion und
christlicher
Religionsschwärmerei noch zu wenig gesagt sei; daß
dasjenige, was diese Religion einer schönen Seele sein kann, oder
vielmehr was eine schöne Seele daraus machen kann, noch nicht
genug angedeutet sei. Ich finde in der christlichen Religion
virtualiter die Anlage zu dem Höchsten und Edelsten, und die
verschiedenen Erscheinungen derselben im Leben scheinen mir bloß
deswegen so widrig und abgeschmackt, weil sie verfehlte
Darstellungen dieses Höchsten sind. Hält man sich an den
eigentümlichen Charakterzug des Christentums, der es von allen
monotheistischen Religionen unterscheidet, so liegt er in nichts anderm
als in der A u f h e b u n g d e s
G e s e t z e s oder des Kantischen Imperativs, an
dessen Stelle das Christentum eine freie Neigung gesetzt haben will. Es
ist also in seiner reinen Form Darstellung s c h ö n e
r Sittlichkeit
oder der Menschwerdung des Heiligen, und in diesem Sinn die
einzige
ä s t h e t i s c h e Religion; daher ich es mir auch
erkläre, warum
diese Religion bei der weiblichen Natur so viel Glück gemacht, und
nur in Weibern noch in einer gewissen erträglichen Form
angetroffen wird. Doch ich mag in einem Brief über diese
kitzlichte Materie nichts weiter vorbringen, und bemerke bloß
noch, daß ich diese Saite ein wenig hätte mögen
klingen hören.
Ihre Wünsche, die Epigramme betreffend, sollen
pünktlich erfüllet werden. Die Druckfehler in den Elegien
haben mich auch sehr verdrossen, und ich habe den wichtigsten im
Intelligenzblatt der Lit. Z. sogleich anzeigen lassen; es sind aber
Fehler des Kopisten, nicht des Setzers, und lassen sich also
künftig um so eher verhüten.
Mit der Ausführung dessen, was Sie für die
restierenden Monate in die Horen versprechen, werden Sie mir
große
Freude machen, und noch einmal wiederhole ich meine Fürbitte wegen
Faust. Lassen Sie es auch nur eine Szene von zwei oder drei Seiten
sein. Das Märchen wird mich recht herzlich erfreuen und die
Unterhaltung für dieses Jahr schön schließen.
Ich habe in dieser Woche mich zwar körperlich
nicht
besser befunden, aber doch Lust und Laune zu einigen Gedichten gehabt,
die meine Sammlung vermehren werden.
Meine Frau wünscht zu erfahren, ob die Nadeln,
in
welche Sie das sechste Buch neulich gepackt haben, Symbole von
Gewissensbissen vorstellen sollen.
Leben Sie recht wohl. Ich sehne mich Sie bald zu
sehen und
unsern Freund Meyer.
Schiller
100 An
Schiller [88]
Hierbei
überschicke ich einige Stücke Horen, die ich
überflüssig habe. Können Sie mir dagegen gelegentlich
Nr. I und II auf Schreibpapier und Nr. IV auf holländisch Papier
verschaffen, so wären meine übrigen Exemplare komplet.
Da Meyer nun sich zur Abreise anschickt, werden wir
Sie baldmöglichst besuchen, um uns Ihren Rat und Segen zu erbitten.
Grüßen Sie die liebe Frau und leben recht
wohl.
Den 17. August 1795
Goethe
100-101 An
Schiller [89]
An dem
Hymnus, der hierbei folgt, habe ich soviel getan, als die Kürze
der Zeit und die Zerstreuung, in der ich mich befinde, erlauben wollen.
Den Beschluß der Geschichte und den Übergang zum
Märchen übersende ich baldmöglichst, ich glaube aber
nicht, daß es einen gedruckten Bogen ausfüllen wird. Zu dem
Märchen selbst habe ich guten Mut; es unterhält mich und wird
also doch wohl auch einigermaßen für andere unterhaltend
sein.
Ihr Zeugnis, daß ich mit meinem sechsten Buche
wenigstens glücklich vor der Klippe vorbeigeschifft bin, ist mir
von großem Werte, und Ihre weitern Bemerkungen über diese
Materie haben mich sehr erfreut und ermuntert. Da die Freundin des
sechsten Buchs aus der Erscheinung des Oheims sich nur so viel
zueignet, als in ihren Kram taugt, und ich die christliche Religion in
ihrem reinsten Sinne erst im achten Buche in einer folgenden Generation
erscheinen lasse, auch ganz mit dem, was Sie darüber schreiben,
einverstanden bin, so werden Sie wohl am Ende nichts Wesentliches
vermissen, besonders wenn wir die Materie noch einmal durchsprechen.
Freilich bin ich sehr leise aufgetreten, und habe
vielleicht dadurch, daß ich jede Art von Dogmatisieren vermeiden
und meine Absichten völlig verbergen wollte, den Effekt aufs
große Publikum etwas geschwächt; es ist schwer, in solchen
Fällen den Mittelweg zu halten.
Leben Sie recht wohl; Meyer grüßt
vielmals. Sagen Sie der lieben Frau, daß sie meine symbolischen
Nadeln gesund brauchen und verlieren mögen. Nächstens mehr.
Weimar, den 18. August 1795
Goethe
101 An
Schiller [90]
Mehr ein
Übersprung als ein Übergang vom bürgerlichen Leben zum
Märchen ist mein diesmaliger Beitrag geworden. Nehmen Sie damit
vorlieb.
Herders H o m e r, den ich soeben
mit Meyern gelesen, ist fürtrefflich geraten und wird den Horen zu
großem Schmucke gereichen; ich will treiben, daß Sie den
Aufsatz morgen mit den Botenweibern erhalten. Die erste Portion des
Märchens erhalten Sie vor Ende des Monats. Leben Sie recht wohl.
Weimar, den 21. August 1795
Goethe
102 An
Goethe [91]
Freitag Abends 22. August
Ich erinnre mich, wie ich einmal vor sieben Jahren
in Weimar saß und mir alles Geld bis etwa auf zwei Groschen Porto
ausgegangen war, ohne daß ich wußte, woher neues zu
bekommen. In dieser Extremität denken Sie sich meine angenehme
Bestürzung, als mir eine längst vergessene Schuld der
Literatur-Zeitung an demselben Tage übersendet wurde. Das war in
der Tat Gottes Finger, und das ist auch Ihre heutige Mission. Ich
wußte in der Tat nicht, was ich Cottaen, der Manuskript für
das neunte Stück nötig hat, heute senden sollte; und Sie als
ein wahrer Himmelsbote senden mir zwar nur etwa einen halben Bogen,
aber doch genug, um mit dem Apollo einen ganzen auszumachen.
Ich werde kaum zeit haben, dieses Manuskript noch zu
lesen, ob ich es gleich in orthographischer Rücksicht
sorgfältig durchlaufen will.
Auf Ihr Märchen freue ich mich sehr, denn es
scheint unter sehr guten Auspizien zur Welt zu kommen.
Herders Abhandlung soll mir auch eine recht
angenehme Apparition sein.
Humboldt begrüßt Sie. Ich werde Ihnen
allerlei Curiosa, die Horen und auch etwas den Meister betreffend, zu
erzählen haben, wenn Sie hieher kommen, welches ich bald zu tun
herzlich bitte.
Leben Sie recht wohl.
Schiller
102-103 An
Schiller [92]
Es freut
mich, daß meine kleine Gabe zur rechten Zeit kam. Die erste
Hälfte des Märchens sollte nach meiner Rechnung auch ins
neunte Stück kommen; inwiefern es nötig oder tunlich sei,
wollen wir Montags bereden, da ich Sie mit Meyern zu besuchen gedenke.
Abends gehe ich zurück, denn Mittwochs muß ich endlich nach
Ilmenau, von da ich etwa in acht Tagen zurückkomme.
Nur soviel zur Nachricht. Die Botenweiber packen ein.
Weimar, den 22. August 1795
Goethe
103 An
Schiller [93]
Morgen
früh gehe ich mit Geh. Rat Voigt nach Ilmenau und würde bei
meinen Streifereien noch heitrer sein, wenn ich Sie zu Hause wohl und
nicht so oft durch Krankheit an so manchem Guten gehindert
wüßte. Meyer grüßt. Ich wünsche zu
vernehmen, daß der gute Effekt des Märchens nachgekommen ist
und die Folge den anfänglichen bösen Eindruck wieder
ausgelöscht hat. Wenn ich Ihnen Lebewohl sage, so heißt das
immer: gebrauchen Sie wie bisher der guten Stunden zu unsrer Freude.
Weimar, den 24. August 1795
Goethe
103-104 An
Schiller [94]
Aus dem
gesellig müßigen Karlsbad hätte ich in keine
entgegengesetztere Existenz kommen können, als in das einsam
tätige Ilmenau. Die wenigen Tage, die ich hier bin, sind mir sehr
schnell verstrichen, und ich muß noch acht Tage hier bleiben,
wenn ich in den Geschäften nach Wunsch klar werden will. Ich war
immer gerne hier und bin es noch; ich glaube, es kommt von der Harmonie
in der hier alles steht: Gegend, Menschen, Klima, Tun und Lassen.
Ein stilles, mäßiges, ökonomisches Streben, und
überall den Übergang vom H a n d werk
zum M a s c h i n e n werk, und bei der Abgeschnittenheit
einen größeren Verkehr mit der Welt als manches
Städtchen im flachen zugänglichen Lande. Noch habe ich auch
keine Idee gehabt, als die hierher paßte, es war aber sehr
notwenig, daß ich das Pensum vor Winters absolvierte. Leben Sie
recht wohl in andern Regionen und gedenken mein mit der Ihrigen.
Ilmenau, den 29. August 1795
Goethe
104-105 An
Goethe [95]
Jena, den 29. August 1795
Das Märchen ist bunt und lustig genug, und ich
finde die Idee, deren Sie einmal erwähnten, „das gegenseitige
Hilfleisten der Kräfte und das Zurückweisen aufeinander,“
recht artig ausgeführt. Meiner Frau hat es viel Vergnügen
gemacht; sie findet es im Voltairischen Geschmack, und ich muß
ihr recht geben. Übrigens haben Sie durch diese Behandlungsweise
sich die Verbindlichkeit aufgelegt, daß alles Symbol sei. Man
kann sich nicht enthalten, in allem eine Bedeutung zu suchen. Die vier
Könige präsentieren sich gar prächtig, und die Schlange
als Brücke ist eine charmante Figur. Sehr charakteristisch ist die
schöne Lilie mit ihrem Mops. Das Ganze zeigt sich überhaupt
als die Produktion einer sehr fröhlichen Stimmung. Doch hätte
ich gewünscht, das Ende wäre nicht vom Anfang getrennt, weil
doch beide Hälften einander zu sehr bedürfen, und der Leser
nicht immer behält, was er gelesen. Liegt Ihnen also nichts daran,
ob es getrennt oder ganz erscheint, so will ich das nächste
Stück damit anfangen; ich weiß zum Glück für das
neunte Rat, und kommt dann das Märchen im zehnten Stück auf
einmal ganz, so ist es um so willkommener.
An dem Epigramm, das ich beilege, fehlt der
Schluß. Seien Sie so gütig, es mir mit ehester Gelegenheit
zurückzuschicken.
Mit meiner Gesundheit geht es noch nicht viel
besser. Ich fürchte, ich muß die lebhaften Bewegungen
büßen, in die mein Poetisieren mich versetzte. Zum
Philosophieren ist schon der halbe Mensch genug, und die andere
Hälfte kann ausruhen; aber die Musen saugen einen aus.
Seien Sie herzlich gegrüßt zu Ihrem
Geburtstag.
Sch.
N. S.
An den Herzog habe ich noch kein Exemplar des achten
Stücks gesendet. Sie sind wohl so gütig es zu besorgen.
Wenn Sie Herrn v. Humboldt zu schreiben haben, so
kann ich den Brief einschließen.
105-106 An
Goethe [96]
Jena, den 31. August 1795
Nur zwei Worte heute, Ihnen für Ihr Andenken
aus
Ilmenau zu danken. Es ist heute der Expeditionstag der Horen, wo ich
immer viel zu schreiben haben, da ich die Pakete benutze, um Briefe
einzuschließen.
Zu einem kleinen „prosaischen“ Amüsement lege
ich
Ihnen den Extrakt der Subskriptionsliste für die Horen bei, den
mir Cotta heute gesendet hat.
Meinen und Herrn von Humboldts Brief, den ich Ihnen
nebst
den Horen-Paketen vorgestern nach Weimar gesendet, haben Sie, weil es
ein großes Paket ist, wohl nicht erhalten. Es ist mir aber daran
gelegen, auf einige Punkte daraus schnell Ihre Resolution zu erfahren.
1. Schlug ich Ihnen vor, ob wir das Märchen
nicht
lieber auf einmal im zehnten Stück geben wollen. Das Publikum ist
immer mit dem Abbrechen unzufrieden, und jetzt müssen wir es bei
guter Laune erhalten. Für das neunte Stück weiß ich
Rat; dies darf Sie also nicht bestimmen, wenn Sie sonst nicht
wünschen, daß es getrennt erscheint.
2. Fehlt zu dem 101. Epigramme der letzte halbe
Pentameter
— — — Es deutet die fallende
Blüte
dem Gärtner,
Daß die liebliche
Frucht
Wollen
Sie mir diese zwei Punkte mit dem schnellsten
beantworten?
Mögen Sie in dem stillen geschäftigen
Kreis, wo
Sie jetzt sind, recht zufrieden sein und sich unserer mit Liebe
erinnern. Frau von Kalb ist seit einigen Tagen hier und bleibt noch
einige Tage. Meine Frau grüßt Sie schönstens.
Schiller
N. S.
In Nr. 28 steht u n t e r s t ä n d
i g, wovon ich nicht
weiß, ob es Schreibfehler ist. Es geradezu dafür zu nehmen
und u n v e r s t ä n d i g dafür zu
setzen, wäre in dem Kontexte,
worin es steht, eine zu große Kommentators-Freiheit.
Übrigens kenne ich kein solches Wort, wenn es wirklich
unterständig heißen soll. Resolvieren Sie baldmöglichst
darauf.
106 An
Schiller [97]
Eben da ich
Ihren Brief erhalte, geht eine Gelegenheit nach Weimar. Also einen
schönen Gruß aus diesen stillen Gebirgen, in denen ich das
schönste Wetter erlebt habe.
Das Epigramm kommt zurück und t e r
ist in b e verwandelt, so mag's wohl
noch hingehen.
Der letzte Pentameter des 101. Epigramms mag
heißen:
Daß die liebliche Frucht
schwellend im Herbste
gedeiht.
Das
Märchen wünscht' ich getrennt, weil
eben bei so einer Produktion eine Hauptabsicht ist die Neugierde zu
erregen. Es wird zwar immer auch am Ende noch Rätsel genug bleiben.
Zu dem Zug der Horen wünsche ich Glück;
möge sich die Lust und Liebe des Publikums verdoppeln.
Frau von Kalb und Ihrer lieben Frauen empfehlen Sie
mich.
Sonntag abend bin ich in Weimar und hoffe Sie bald
zu sehen. Leben Sie recht wohl.
Ilmenau, den 3. September 1795
Goethe
106-107 An
Schiller [98]
Das Paket
der Horen mit Ihrem und Hrn v. Humboldts Brief hat mich freundlich
empfangen, als ich von Ilmenau zurückkam, und ich schreibe zum
ersten Gruße nur einige Worte.
Hier das Epigramm, weil Sie wohl keine Abschrift
davon haben.
Jakobis Aufsatz ist wunderlich genug. Seinem Ludwig,
Lear und Oedipus habe ich, als ein Profaner, nichts abgewinnen
können; das zweite aber hat sehr viel Gutes, und wenn man
von s e i n e r Erklärung über
Vorstellungsarten nun auch s e i n e Vorstellungsart
abzieht, so wird man sie sich leicht übersetzen können.
Die gute Aufnahme meines Märchens erfreut mich
und muntert mich auf. Wenn nur Einer von den hundert Kobolden des Alten
von Ferney drinne spukt, so bin ich schon zufrieden. Wenn es zusammen
ist, wünsche ich über die Intention und das Gelingen Ihre
Gedanken zu hören.
Die zweite Hälfte des Märchens und der
Schluß des sechsten Buches des Romans sind nun meine
nächsten Arbeiten. Wann müssen Sie das Märchen haben?
Möchte Ihnen doch Ihr erster Ausritt ins Gebiet
der Dichtkunst nach einer so langen Pause besser bekommen sein.
Könnten Sie doch einige Zeit sich Ruhe lassen!
Grüßen Sie die liebe Frau und behalten
mich lieb.
Weimar, den 7. September 1795
Goethe
107-108 An
Goethe [99]
Jena, den 9. September 1795
Zur Zurückkunft nach W. wünschen wir Ihnen
Glück. Warum kann ich nicht diese kleinen Veränderungen mit
Ihnen teilen, die Leib und Seele stärken!
Das Märchen kann nun erst im zehnten Stück
der Horen erscheinen, da ich in der Zeit, daß ich Ihre Resolution
erwartete, das nächste beste aus meinen Abhandlungen zum neunten
Stück habe absenden müssen. Auch ist es im zehnten Stück
noch nötiger, weil ich zu diesem sonst noch keine glänzende
Aussichten habe. Wollen Sie es alsdann noch getrennt, so kann der
Schluß im elften Stück nachfolgen. Ich bin aber nie für
das Trennen, wo dieses irgend zu verhindern ist, weil man das Publikum
nicht genug dazu anhalten kann, das Ganze an einer Sache zu
übersehen und darnach zu urteilen.
Wenn das sechste Buch des Meisters fertig ist, so
denken Sie doch wohl noch auf etwas zu den Horen, was in eins der
letzten Stücke kann eingerückt werden. Wir müssen jetzt
mit allen Segeln zu fahren suchen, denn ich weiß von mehrern
Orten, auch aus Cottas Briefen, daß wir gar nicht sicher sind,
unsere dermaligen Subskribenten auch fürs nächste Jahr zu
behalten.
Für das neunte Stück habe ich noch redlich
getan, was ich konnte. Ich habe alle die größeren und
kleineren Gedichte von mir, welche für den Almanach nicht
schlechterdings nötig waren, darin eingerückt, so daß
dieses Stück nun siebzehn Artikel enthält, worüber man
gewaltige Augen machen wird. Das Inhaltsverzeichnis will ich Ihnen
beilegen.
Diese Zeit über, daß Sie weg sind, habe
ich zwischen prosaischen und poetischen Arbeiten abgewechselt. Eine
über das Naive angefangene Abhandlung scheint gelingen zu wollen,
die Materie wenigstens entwickelt sich, und ich sehe mich auf einigen
sehr glücklichen Spuren.
Ich hoffe, wir sehen Sie bald wieder. Meine Frau
begrüßt Sie.
Schiller
108-110 An
Goethe [100]
Jena, den 13. September 1795
Nur ein kleines Lebenszeichen. Ich kann mich gar
nicht daran gewöhnen, Ihnen acht Tage nichts zu sagen und nichts
von Ihnen zu hören.
Sonst ist hier bei mir alles in altem guten und
schlechten Stand. Aus dem Zimmer kann ich noch immer nicht, aber die
Arbeiten gehen darum doch ihren Gang. S i e denke
ich mir jetzt sehr mit Meyers Instruktion beschäftigt, der
wahrscheinlich bald abreist. Grüßen Sie ihn aufs beste von
mir.
Ich wünschte zu wissen, ob es bei Vicenza ist,
wo die schöne Brücke mit Einem Bogen (über die Etsch,
wie ich denke) geführt ist. Schreiben Sie mir doch ein Wort
darüber. Ich brauche diese Brücke zu einem Hexameter.
Wenn Sie sich nur entschließen wollten,
für die drei letzten Horenstücke noch ein Almosen von einem
Dutzend Epigramme oder ähnlicher poetischen kleinen Sachen
beizusteuern. Ich will auch Herdern darum ersuchen, und selbst einige
Gedanken dafür zu ertappen suchen. Solche kleine Sachen vermehren
auf eine wohlfeile Art die Zahl, erfreuen dabei jeden Leser, und
prangen auf dem Inhaltsverzeichnis der Stücke so gut als die
größten Sachen. Dadurch habe ich es gezwungen, daß das
neunte Stück siebzehn Artikel enthält.
In dem neuesten Stück des Archivs der Zeit
findet sich eine Replik auf Ihren Aufsatz: Literarischer
Sansculottism. Ich habe sie aber noch nicht gelesen, nur bloß die
Anzeige davon in der Hamburger Zeitung. Sollten Sie das Stück in
Weimar bald erhalten, so seien Sie doch so gütig, es mir
mitzuteilen.
Der Almanach kommt noch zu stande und wird gerade
jetzt unter dem Druck sein. Humboldt wird nun in drei Wochen wieder
hier sein, wenn nichts dazwischen kommt.
Mein Frau grüßt Sie bestens. Seien Sie
nicht zu fleißig und bleiben Sie auch nicht zu lang von Jena weg.
Sch.
N e u n t e s S t
ü c k
1)
|
Reich der Schatten. |
|
|
2)
|
Beiträge zur Geschichte
der neuern bildenden Kunst. |
|
|
3)
|
Unterhaltungen. Fortsetzung. |
|
|
4)
|
Hymne auf Apollo. |
|
|
5)
|
Schwarzburg. Gedicht von
Madame Mereau. |
|
|
6)
|
Herders Homer. |
|
|
7)
|
Natur und Schule, von mir. |
|
|
8)
|
Verschleiertes Bild, item. |
|
|
9)
|
Über die notwendigen
Grenzen des Schönen, besonders im Vortrag philosophischer
Wahrheiten. Abhandlung von mir. |
|
|
10)
|
Deutsche Treue. |
|
Gedichte von mir |
11)
|
An einen Weltverbesserer. |
12)
|
Antike an einen Wanderer. |
13)
|
Der philosophische Egoist. |
14)
|
Das Höchste. |
15)
|
Weisheit und Klugheit. |
16)
|
Ilias. |
17)
|
Unsterblichkeit. |
110-111 An
Schiller [101]
Diese Tage
habe ich Ihnen nicht geschrieben, weil ich einen Besuch zu Ihnen
vorhatte, der mir aber nicht gelungen ist. Meyer bereitet sich zur
Abreise und arbeitet noch eine kolorierte Zeichnung von den drei Parzen
aus, die Sie sehen sollen. Ich wünsche ihm nur Gesundheit, sonst
geht er ausgestattet mit allen guten Gaben. Es ist ein herrlicher
Mensch. Was mich betrifft, so habe ich, wie Sie wohl fühlen, auch
nur diese Zeit auf Einem Fuß gestanden und mit dem andern mich
schon nach den Alpen bewegt. Die Mineralogie und geologische Base, die
anfängliche und fortschreitende und gestörte Kultur des
Landes habe ich von unten herauf teils zu gründen, teils zu
überblicken gesucht und mich auch von oben herein, von der
Kunstseite, noch mit Meyern auf alle Weise verständiget. Und doch
sind das alles nur Schulvorübungen. Ein guter Geist helfe uns zum
Schauen, zum rechten Begriff und zum fröhlichen Wiedersehen.
An die Horen denke ich täglich und hoffe auch
noch etwas zu leisten. Möchten Sie doch des schönen Wetters
unter freiem Himmel genossen haben!
Der gezüchtigte Thersit krümmt sich, wie
ich höre, erbärmlich, bittet ab und fleht nur, daß man
ihn leben lasse. Noch hab' ich das Stück nicht gesehen.
Leben Sie recht wohl und glauben Sie meiner
Weissagung, daß mit dem neuen Jahre die Subskribenten der Horen
sich eher vermehren als vermindern werden.
Weimar, den 14. September 1795
Goethe
111 An
Schiller [102]
Über
Ihre Anfrage wegen der Brücke habe ich etwas zu sagen unterlassen,
das ich jetzt nachhole. Bei Vicenz ist keine merkwürdige
einbogigte Brücke. Die zwei daselbst, von Palladio erbaut, sind
dreibogigt. Auch ist mir außer dem Rialto zu Venedig keine derart
in jenen Gegenden erinnerlich.
Außer dem Pater
peccavi des literarischen Sansculotten ist noch für die
Horen ein günstiger Stern erschienen, indem Genz vor den Briefen
über ästhetische Erziehung große Reverenzen in seiner
Monatschrift macht. Das kommt alles zur rechten Zeit und zu
überlegen wäre es, ob man nicht vor Ende des Jahrs sich
über einiges erklärte und unter die Autoren und Rezensenten
Hoffnung und Furcht verbreitete?
Nächstens besuchen wir Sie. Haben Sie die
Güte, mir das Märchen zurückzuschicken, es soll
vollendet zurückkehren. Leben Sie recht wohl.
Weimar, den 16. September 1795
Goethe
111-112 An
Goethe [103]
Jena, den 18. September 1795
Nach Verlangen folgt hier das Märchen. Wenn ich
es nur in acht Tagen zurückerhalte, so kommt es noch recht zum
Druck.
Für die tröstlichen Nachrichten, die Sie
mir von den Horen geben, danke ich herzlich. Auch ich hoffe, daß
uns die letzten Stücke wieder Glück bringen sollen. Sie
enthalten gerade von demjenigen, was man an den vorhergehenden
vermißte, viel: nämlich Poesie und Erzählung. Vor
einigen Tagen schickte mir auch Engel wieder einen, über drei
gedruckte Bogen starken, Aufsatz von einem für das Publikum sehr
passenden Inhalt, teils Dialog, teils Erzählung; kein Wunderwerk
des Genies freilich, aber gerade so, wie unsre werten Leser es lieben.
Daß aber auch diejenigen etwas erhalten, welche für
dergleichen Oblationen zu gut sind, werden S i e
noch sorgen, wie ich fröhlich und festiglich glaube.
Für das zehnte Stück wäre durch das
Märchen gesorgt. Es ist also nur noch das elfte, worauf es
ankommt, und worin wir unsre Stärke konzentrieren müssen.
Besonders ist es auch um Mannigfaltigkeit zu tun.
Wenn Sie doch auch Herdern bewegen wollten, kleine
Sachen, wie Epigramme im Geschmack der Anthologie usw. in die letzten
Stücke zu stiften.
Humboldt schreibt mir aus Berlin, daß man von
den drei letztherausgekommenen Horenstücken sehr gut spreche.
Wenn Sie das Archiv der Zeit und die Genzische
Monatschrift früher als ich erhalten, so sind Sie wohl so
gütig, mir die prächtigen Sachen auch mitzuteilen.
Ich freue mich, Sie bald hier zu sehen. Wir beide
grüßen Sie bestens.
Schiller
112-113 An
Schiller [104]
Das
Märchen ist fertig und wird in neuer Abschrift Sonnabends
aufwarten. Es war recht gut, daß Sie es zurückhielten, teils
weil noch manches zurecht gerückt werden konnte, teils weil es
doch nicht übermäßig groß geworden ist. Ich bitte
besonders die liebe Frau, es nochmals von vorne zu lesen.
In der Mitte der andern Woche hoffe ich zu kommen
mit Meyern; seine Abwesenheit wird mir sehr fühlbar werden. Wenn
ich nur im Winter einige Zeit bei Ihnen sein kann!
Ich habe viel zu sagen und zu fragen und hoffe, Sie
wohl zu finden und manches Gearbeitete. Grüßen Sie doch
Humboldts vielmals.
Weimar, den 23. September 1795
Goethe
113 An
Schiller [105]
Wie ich in
dieser letzten unruhigen Zeit meine Tonne gewälzt habe, wird
Ihnen, werter Mann, aus Beiliegendem bekannt werden. Selig sind, die da
Märchen schreiben; denn Märchen sind à l'ordre du jour. Der
Landgraf von Darmstadt ist mit zweihundert Pferden in Eisenach
angelangt und die dortigen Emigrierten drohen, sich auf uns zu
repliieren. Der Kurfürst von Aschaffenburg wird in Erfurt erwartet.
Ach! warum steht der Tempel
nicht am Flusse!
Ach! warum ist die
Brücke nicht gebaut!
Ich
wünsche indessen, weil wir doch immer Menschen und Autoren
bleiben, daß Ihnen meine Produktion nicht mißfallen
möge. Wie ernsthaft jede Kleinigkeit wird, sobald man sie
kunstmäßig behandelt, hab' ich auch diesmal wieder erfahren.
Ich hoffe die achtzehn Figuren dieses Dramatis sollen, als so viel
Rätsel, dem Rätselliebenden willkommen sein.
Meyer packt, und wir erscheinen bald; hoffentlich
haben Sie uns mit mancherlei zu regalieren. Leben Sie recht wohl.
Weimar, den 26. September 1795
Goethe
113-114 An
Goethe [106]
Jena, den 2. Oktober 1795
Ich
höre von unserm Freunde, der sich Ihnen noch bestens empfiehlt,
daß Sie sich ganz in Ihr Zimmer vergraben hätten, um Ihren
Roman zu expedieren, weil Unger pressiert. Meine besten Wünsche zu
diesem Geschäft. Ich bin voll Erwartung, diesen dritten Teil
beisammen zu sehen.
Übermorgen werden wir Sie also wieder sehen,
worauf ich mich herzlich freue und lange gehofft habe.
Humboldt kommt diesen Winter nicht mehr hieher,
welches mir sehr unangenehm ist.
Seien Sie doch so gütig, mir das Archiv der
Zeit, welches die berühmte Antwort auf Ihren Angriff enthält,
sowie auch das Stück der neuen Monatsschrift, worin m
e i n L o b stehen soll, mitzubringen. Ich kann
beides hier nicht zu Gesicht bekommen.
Ein Rudel Gedichte erwartet Sie hier.
Ich höre mit Vergnügen, daß Sie
damit umgehen, uns eine neue Acquisition für die Horen zu
verschaffen, von der ich im Voraus eine sehr gute Meinung habe.
Das Märchen hat uns recht unterhalten, und es
gefällt gewiß allgemein. Mündlich ein mehreres.
Leben Sie recht wohl.
Schiller
114-115 An
Schiller [107]
Der Wunsch,
Sie wieder zu sehen, ist mir diese Zeit her immer vereitelt worden.
Morgen hoffe ich bei Ihnen zu sein und zu vernehmen, was Sie in dem
Zwischenraume gearbeitet haben.
Daß mir, nach Ihrem Urteil, das Märchen
geglückt ist, macht mir viel Freude, und ich wünsche,
über das ganze Genre nunmehr mit Ihnen zu sprechen und noch einige
Versuche zu machen.
Der Schluß des sechsten Buches meines Romans
geht Montags ab und dieser Band wird gedruckt bald aufwarten. Im
folgenden rollt der Stein den Berg hinab und das meiste ist schon
geschrieben und fertig.
Die verlangten Monatschriften lasse ich aufsuchen,
sie wo möglich mitzubringen.
Die Knebelischen Elegien sind recht gefunden und in
mehr als Einem Sinne gut und heilsam. Vielleicht bringe ich einige mit.
Vielmals Adieu.
Den 3. Oktober 1795
Goethe
115-116 An
Schiller [108]
[Weimar den 6. Oktober 1795]
Anstatt gestern von Ihnen fortzueilen, wäre ich
lieber geblieben, und die Unbehaglichkeit eines unbefriedigten
Zustandes hat mich auf dem ganzen Wege begleitet. In so kurzer Zeit
gibt man vielerlei Themata an und führt keins aus, und so
vielerlei man auch rege macht, kommt doch wenig zur Runde und Reife.
Ihren Gedichten hab' ich auf meiner Rückkehr
hauptsächlich nachgedacht; sie haben besondere Vorzüge, und
ich möchte sagen, sie sind nun wie ich sie vormals von Ihnen
hoffte. Diese sonderbare Mischung von Anschauen und Abstraktion, die in
Ihrer Natur ist, zeigt sich nun in vollkommenem Gleichgewicht, und alle
übrigen poetischen Tugenden treten in schöner Ordnung auf.
Mit Vergnügen werde ich sie gedruckt wiederfinden, sie selbst
wiederholt genießen und den Genuß mit andern teilen. Das
kleine Gedicht in Stanzen an das Publikum würde den
diesjährigen Jahrgang der Horen sehr schicklich und anmutig
schließen.
Ich habe mich sogleich mit der Frau von Stael
beschäftigt und finde mehr Arbeit dabei, als ich dachte; indessen
will ich sie durchsetzen, denn es ist nicht viel; das Ganze gibt
höchstens fünfundfünfzig Blätter meines
Manuskripts. Die erste Abteilung von einundzwanzig Blättern
sollen Sie bald haben. Ich werde mich in einer kleinen Vorrede an den
Herausgeber über die Art erklären, wie ich bei der
Übersetzung verfahren bin. Um Ihnen kleine Zurechtweisungen zu
ersparen, hab' ich ihre Worte unserm Sinne genähert und zugleich
die französische Unbestimmtheit nach unserer deutschen Art etwas
genauer zu deuten gesucht. Im einzelnen werden Sie sehr viel Gutes
finden, da sie aber einseitig und doch wieder gescheit und ehrlich ist,
so kann sie mit sich selbst auf keine Weise einig werden; als Text aber
können Sie es gewiß fürtrefflich brauchen. Ich
wünschte, daß Sie sich die Mühe gäben, in Ihrer
Arbeit so klar und galant als möglich zu sein, damit man es ihr in
der Folge zuschicken und dadurch einen Anfang machen könnte, den
Tanz der Horen auch in das umgeschaffne Frankreich hinüber zu
leiten.
Weimar, den 10. Oktober 1795
So weit hatte ich vor einigen Tagen diktiert, nun
sage ich
Ihnen nochmals Adieu, ich gehe erst morgen frühe weg. Das
Staelische Werk erhalten Sie bald, halb oder ganz. Was die gute Frau
mit sich selbst eins und uneins ist!
Von Frankfurt schreibe ich bald. Leben Sie recht
wohl mit
den Ihrigen. Grüßen Sie Humboldt; von Frankfurt schreibe ich
auch ihm. Wenn mein Roman ankommt, erhalten Sie vier Exemplare, wovon
Humboldt, Loder, Prof. Hufeland die drei erhalten. Wenn Humboldt
nicht, wie ich hoffe, das seinige schon in Berlin weggenommen hat.
Goethe
„Welch ein erhabener Gedanke! uns lehrt der
unsterbliche
Meister
Künstlich zu spalten den Strahl, den wir nur
einfach
gekannt.“
Das ist ein pfäffischer Einfall! denn lange
spaltet
die Kirche
Ihren Gott sich in drei, wie ihr in sieben das Licht.
116-117 An
Schiller [109]
Noch bin
ich hier und werde wohl noch erst abwarten, was aus den Dingen werden
will, eh ich meine Reise fortsetze. Die Österreicher
sind wieder über den Main herüber und umgeben Frankfurt,
und vielleicht ist es zwischen ihnen und dem Franzosen schon zur
Schlacht gekommen. In ein solches Gewirre möchte ich von heiler
Haut mich nicht hineingeben, da ich dergleichen anmutige Situationen
schon kenne. Meinen hiesigen stillen Aufenthalt habe ich gleich
benutzt, um Madame de Stael völlig zu ü b e r
setzen und mitunter zu v e r setzen. Eine weibliche Methode
und die französiche Sprache machten mir viel zu schaffen und
besonders auch die Annäherung ihrer Meinungen an die unsrigen und
die Abstände und die ewigen A b e r s. Nun bin
ich fertig, lasse das Werk abschreiben und gleich sollen Sie es haben.
Vielleicht lassen Sie es gleich im ganzen drucken und bringen Ihre
Noten auch in ein Ganzes. Doch darüber wird der Genius und der
Augenblick entscheiden. Schreiben Sie mir doch! Wenn Ihr Brief mich
nicht antreffen sollte, wie ich doch vermute, so wird er mir
nachgeschickt. Nun denke ich mich gleich an den Roman zu machen, denn
wenn ich mich hier nicht vorsätzlich zerstreuen will, so bin ich
einsamer und ruhiger als zu Hause. Leben Sie recht wohl. Vielleicht
sehe ich Sie eher wieder, als wir glaubten.
Eisenach, 13. Oktober 1795
Goethe
117 An
Schiller [110]
Bald werde
ich Sie wieder sehen, denn meine Reise nach Frankfurt hat nicht statt.
Die Frau von Stael wird wohl noch vor mir aufwarten; die Abschrift ist
bald fertig. Haben Sie denn etwa Humboldt ein Wort wegen des Quartiers
gesagt? Es wäre gar artig wenn ich sein Stübchen beziehen
könnte, da im Schlosse die Fußtapfen des Militärs so
bald nicht auszulöschen sind. Ich bin mit Herz, Sinn und Gedanken
nur an dem Roman und will nicht wanken, bis ich ihn überwunden
habe. Leben Sie recht wohl und denken mein bei Ihren Arbeiten und
grüßen die liebe Frau.
Eisenach, den 16. Oktober 1795
Goethe
118-119 An
Goethe [111]
Jena, den 16. Oktober 1795
Hätte ich vermuten können, daß Sie
länger in Eisenach bleiben würden, so würde ich es nicht
so lange haben anstehen lassen, Ihnen zu schreiben. Es ist mir in der
Tat lieb, Sie noch ferne von den Händeln am Main zu wissen. Der
Schatten des Riesen könnte Sie leicht etwas unsanft anfassen. Es
kommt mir oft wunderlich vor, mir Sie so in die Welt hinein geworfen zu
denken, indem ich zwischen meinen papiernen Fensterscheiben sitze und
auch nur Papier vor mir habe, und daß mir uns doch nahe sein und
einander verstehen können.
Ihr Brief von Weimar hat mir große Freude
gemacht.
Es gibt gegen Eine Stunde des Muts und Vertrauens immer zehn, wo ich
kleinmütig bin und nicht weiß, was ich von mir denken soll.
Da kommt mir eine solche Anschauung meiner selbst außer mir recht
zum Troste. Auch Herder hat mir über meine Gedichte kürzlich
viel erfreuendes geschrieben.
So viel habe ich nun aus gewisser Erfahrung,
daß nur
strenge Bestimmtheit der Gedanken zu einer Leichtigkeit verhilft. Sonst
glaubte ich das Gegenteil und fürchtete Härte und
Steifigkeit. Ich bin jetzt in der Tat froh, daß ich mir es nicht
habe verdrießen lassen, einen sauren Weg einzuschlagen, den ich
oft für die poetisierende Einbildungskraft verderblich hielt. Aber
freilich spannt diese Tätigkeit sehr an, denn wenn der Philosoph
seine Einbildungskraft und der Dichter seine Abstraktionskraft ruhen
lassen darf, so muß ich, bei dieser Art von Produktionen, diese
beiden Kräfte immer in gleicher Anspannung erhalten, und nur durch
eine ewige Bewegung in mir kann ich die zwei heterogenen Elemente in
einer Art von Solution erhalten.
Den Staelischen Bogen sehe ich mit vieler Erwartung
entgegen. Wenn es irgend der Raum erlaubt, so bin ich auch dafür,
sogleich das Ganze in Ein Stück zu setzen. Meine Bemerkungen
bringe ich alsdann in dem nächsten Stücke nach. Der Leser hat
unterdessen die seinigen darüber angestellt und hört mir mit
mehr Interesse zu. Auch würde ich schwerlich in der kurzen Frist,
die zu dem elften Stücke noch übrig ist, damit fertig
werden können, wenn ich auch die Übersetzung auf den
nächsten Montag erhalte. Herder hat für das elfte Stück
auch einen Aufsatz über die Grazien geschickt, in welchem er diese
mißbrauchten Gestalten in ihre alten Rechte zu restituieren
sucht.
Er verspricht noch einen Aufsatz für das zwölfte Stück.
Ich hoffe mit der Abhandlung über das Naive, die nur etliche Bogen
stark wird, und wie ich denke, sehr populär geschrieben ist, noch
für das elfte Stück fertig zu werden. An kleinen poetischen
Zugaben fehlt es auch nicht. Hier erhalten Sie einige Schnurren von
mir. Die T e i l u n g d e r E r d
e hätten Sie billig in Frankfurt auf der
Zeile vom Fenster aus lesen sollen, wo eigentlich das Terrain dazu ist.
Wenn sie Ihnen Spaß macht, so lesen Sie sie dem Herzog vor.
Bei dem andern Stück habe ich mich über
den Satz
des Widerspruchs lustig gemacht; die Philosophie erscheint immer
lächerlich, wenn sie aus eigenem Mittel, ohne ihre
Abhängigkeit von der Erfahrung zu gestehen, das Wissen erweitern
und der Welt Gesetze geben will.
Daß Sie den Meister bald vornehmen wollen, ist
mir
sehr lieb. Ich werde dann nicht säumen, mich des Ganzen zu
bemächtigen, und wenn es mir möglich ist, so will ich eine
neue Art von Kritik, nach einer genetischen Methode, dabei versuchen,
wenn diese anders, wie ich jetzt noch nicht präzis zu sagen
weiß, etwas Mögliches ist.
Meine Frau und meine Schwiegermutter, die
gegenwärtig
hier ist, empfehlen sich Ihnen aufs beste. Es ist hier bei mir
angefragt worden, wo Sie gegenwärtig wären, ich habe aber
unnötig gefunden, es zu sagen. Erhalten Sie Nachrichten von
unserem italienischen Wanderer, so bitte ich, sie mir auch mitzuteilen.
Leben Sie recht wohl.
Schiller
120 An
Schiller [112]
Ob ich
gleich schon Mittwoch wieder hoffe, in Weimar zu sein, so schicke Ihnen
doch die Abhandlung voraus; ich habe sie nicht einmal in der Abschrift
durchsehen können. Hie und da läßt sich noch einiges
retuchieren. Vielleicht besuche ich Sie zu Ende der Woche, und wir
sehen uns früher wieder als ich dachte. Wie ist das zerstreute
Leben doch ein leeres Leben; man erfährt nur gerade das, was man
nicht wissen mag. Ich freue mich recht, Sie wieder zu sehen.
Eisenach, den 17. Oktober 1795
Goethe
120-121 An
Goethe [113]
Jena, den 19. Oktober 1795
Seien Sie mir willkommen in Weimar! Ich bin recht
froh, Sie wieder in der Nähe zu wissen. Daß Sie die letzten
acht Tage nicht haben hier sein können, tat mir sehr leid. Ich
befand mich bei dem schönen Wetter merklich leichter und bin auch
heute wieder spazieren gefahren, welches mir ganz wohl bekam. Freilich
ist auch dafür mehrere Tage nichts gearbeitet worden.
Die Frau Stael erwarte mit Begierde.
Meinen Brief, den ich Ihnen vorigen Freitag nach
Eisenach schrieb, haben Sie vermutlich noch nicht erhalten und waren
abgereist, eh er dort ankam.
Von Humboldt erwarte ich des Quartiers wegen
Antwort. Ich habe es, weil ich noch nicht weiß, ob sein Logis in
abtretbarem Stande ist, nur so sachte berührt, daß er nicht
geniert ist, es auch mit Stillschweigen zu übergehen. Es wäre
mir gar lieb, wenn Ihnen eine rechte Bequemlichkeit hier könnte
verschafft werden.
Zu dem Roman wünsche ich alles Glück und
Segen. Ich zweifle gar nicht, daß es jetzt das vorteilhafteste
für das Ganze ist, wenn Sie ununterbrochen darin leben. Dann halte
ich es für keinen unbedeutenden Gewinn, wenn Sie den letzten Band
einige Monate früher fertig haben, als er in Druck gegeben werden
muß. Sie haben eine große Rechnung abzuschließen. Wie
leicht vergißt sich da eine Kleinigkeit.
Finden Sie unter Ihren Papieren den Brief, den ich
Ihnen im vorigen Jahre nach meiner Zurückkunft von Jena zur
Eröffnung einer ästhetischen Korrespondenz schrieb, so haben
Sie die Güte, ihn mir zu schicken. Ich denke jetzt etwas daraus zu
machen. Meine Frau und Schwiegermutter, die auf einige Wochen hier ist,
empfehlen sich.
Schiller
121 An
Goethe [114]
[Jena, den 24. Oktober 1795]
Ich habe mit dem Expressen, der Ihnen diesen Brief
bringt,
ein Intelligenzblatt der Lit. Zeitung in Korrektur an Herdern
geschickt, worin ein höchst grober und beleidigender Ausfall Wolfs
in Halle auf den Herderischen Aufsatz im neunten Horenstück
abgedruckt ist. Ich finde es schlechterdings nötig, wie Sie
gewiß auch finden werden, daß Herder irgendwo darauf
repliziert. Sie werden aber finden, daß nicht wohl etwas anders
geschehen kann, als den Philister zu persiflieren.
Mir wäre es sehr lieb, wenn Sie den Ausfall
lesen
und mit Herdern darüber kommunizieren könnten, ehe Sie hieher
kommen, so können wir vielleicht gemeinschaftlich etwas
beschließen.
Vielleicht sehe ich Sie morgen, welches mir recht
angenehm
sein würde, denn wir haben uns wieder vielerlei zu sagen.
Ich habe meine Abhandlung über das Naive einen
Posttag zurückbehalten, um sie Ihnen, wenn Sie morgen oder
übermorgen kämen, noch vorlesen zu können.
Meine Frau und Schwiegermutter empfehlen sich.
Schiller
122 An
Schiller [115]
Ich bin
neugierig zu vernehmen, was uns das Intelligenzblatt bringt; schon
gestern in der Komödie hört' ich davon summen.
Heute komme ich nicht, mein Lieber, aber ich hoffe
bald. Jeden Tag erwarte ich einen neuen Weltbürger in meinem
Hause, den ich doch gern freundlich empfangen möchte. Indessen ist
das Schloß von den militärischen Effluvien gereinigt, und
ich kann einige Tage bei Ihnen bleiben.
Leben Sie recht wohl, empfehlen mich den Damen und
behalten mich lieb.
In diesen letzten zerstreuten Tagen habe ich meine
Italienischen Kollektaneen vorgenommen und zu ordnen angefangen und mit
viel Freude gesehen: daß, mit einiger Beharrlichkeit, ein
wundersames Werk wird zusammengestellt werden können.
Haben Sie keine Abschrift vom Aufsatz übers
Naive?
Weimar, den 25. Oktober 1795
Jene Blätter, nach denen Sie fragten habe ich
noch nicht gefunden, sie liegen aber gewiß nicht weit.
Goethe
122-123 An
Goethe [116]
Jena, den 26. Oktober 1795
Zu dem neuen Hausgenossen gratuliere ich im Voraus.
Lassen Sie ihn immer ein Mädchen sein, so können wir uns noch
am Ende mit einander verschwägern.
Ich habe Ihnen vorgestern von der Mad. Stael zu
schreiben vergessen. Das Produkt ist mit vielem Geiste geschrieben, und
da es darin mehr wetterleuchtet, als ordentlicher Tag ist, so
qualifiziert es sich gar nicht übel zum Kommentieren. Eine
eigentliche Harmonie hineinzubringen, möchte schwer sein und auch
die Mühe nicht genug lohnen. Im einzelnen aber läßt es
ich versuchen, auch habe ich mir schon etliche Materien daraus
gewählt, die auch sonst nicht außer der Zeit sein werden.
Sie haben einigemal den Ausdruck: v e r
f ü h r e n von der Poesie gebraucht. Ich wünschte zu
wissen, wie dies im Original heißt, ob es bloß
t ä u s c h e n überhaupt bedeutet, weil
verführen auch in ästhetischer Bedeutung einen Nebenbegriff
hat.
Es freut mich, daß Sie in Ihren italienischen
Papieren so viel Ausbeute finden. Ich war immer auf diese Papiere sehr
begierig, nach dem wenigen zu urteilen, was Sie davon haben laut werden
lassen. Erinnern Sie sich bei diesen Nachforschungen auch der Horen und
leiten Sie einen Arm dieses Paktolus hinein.
Ich bin begierig, was Sie zu dem Wolfischen Ausfall
sagen werden, wenn Sie ihn gelesen. Herder wünscht, daß ich
bloß als Redakteur etwas darüber sagen möchte, insofern
auch die Horen mit getroffen werden sollten; und da ich es nicht
für ratsam halte, ganz zu schweigen und dem Philister gleich
anfangs das letzte Wort zu lassen, so will ich es lieber tun, als
daß ganz geschwiegen wird.
Ich habe die zwei neuen Musenalmanache gelesen, die
über die Maßen dürftig und elend sind. Voß hat
neunundzwanzig Stücke in den seinigen geliefert, worunter Sie
vergeblich ein einziges gutes suchen, und die meisten abominabel sind.
Ich habe sie Herdern mitgegeben.
Leben Sie recht wohl. Ich hoffe bald wieder von
Ihnen zu hören.
Die Meinigen grüßen.
Schiller
123-124 An
Schiller [117]
Seit meiner
Rückkunft habe ich mich noch nicht wiederfinden können, hier
also nur indessen das verlangte Manuskript.
Ich habe, glaub' ich, auch noch nichts über die
Gedichte gesagt, die Sie mir nach Eisenach schickten; sie sind sehr
artig, besonders das T e i l d e s
D i c h t e r s ganz allerliebst, wahr, treffend und
tröstlich.
Sollten Sie sich nicht nunmehr überall umsehn
und sammeln, was gegen die Horen im allgemeinen und besondern gesagt
ist, und hielten am Schluß des Jahrs darüber ein kurzes
Gericht, bei welcher Gelegenheit der Günstling der Zeit auch
vorkommen könnte? Das hallische philosophische Journal soll sich
auch ungebührlich betragen haben. Wenn man dergleichen Dinge in
Bündlein bindet, brennen sie besser.
Leben Sie recht wohl. Lieben Sie mich. Empfehlen Sie
mich der lieben Frauen und Ihrer Frau Mutter. Das
Schwiegertöchterchen säumt noch.
Weimar, den 28. Oktober 1795
Goethe
124-125 An
Goethe [118]
Sonntag Abends. [1. Nov.]
Ich bin ungeduldig wieder ein Lebenszeichen von
Ihnen zu erhalten. Mir ist, als wenn ich gar lange nichts von Ihnen
erfahren hätte. Das Evenement im Hause ist, wie ich hoffe,
glücklich vorbeigegangen.
Wir leben jetzt recht in den Zeiten der Fehde. Es
ist eine wahre ecclesia militans
— die Horen meine ich. Außer den Völkern, die Herr Jakob in
Halle kommandiert und die Herr Manso in der Bibliothek d. S. W. hat
ausrücken lassen, und außer Wolfs schwerer Kavallerie haben
wir auch nächstens vom Berliner Nicolai einen derben Angriff zu
erwarten. Im zehnten Teil seiner Reisen soll er fast von nichts als von
den Horen handeln und über die Anwendungen Kantischer Philosophie
herfallen, wobei er alles unbesehen, das Gute wie das Horrible, was
diese Philosophie ausgeheckt, in einen Topf werfen soll. Es
läßt sich wohl noch davon reden, ob man überall nur auf
diese Platituden antworten soll. Ich möchte noch lieber etwas
ausdenken, wie man seine Gleichgültigkeit dagegen recht
anschaulich zu erkennen geben kann. Nicolain sollten wir aber doch von
nun an in Text und Noten, und wo Gelegenheit sich zeigt, mit einer
recht insignen Geringschätzung behandeln.
Haben Sie die neuen Musenalmanache gesehen? Sie sind
horribel.
Leben Sie recht wohl.
Schiller
125 An
Schiller [119]
Statt eines
artigen Mädchens ist endlich ein zarter Knabe angekommen, und so
läge denn eine von meinen Sorgen in der Wiege. Nun wäre es an
Ihnen, zu Bildung der Schwägerschaft und zu Vermehrung der
dichtrischen Familie für ein Mädchen zu sorgen. Ich komme nun
bald und bedarf wirklich eines Gesprächs, wie ich es mit Ihnen
führen kann; ich habe Ihnen viel zu sagen. Noch immer bin ich
nicht auf den Pfaden der Dichtung. Durch äußre Veranlassung
habe ich in der Baukunst mich wieder umgesehen und habe einiges bei
dieser Gelegenheit zusammengestellt, das Urteil über solche
Kunstwerke zu erleichtern und zu fixieren.
Von Meyern habe ich einen Brief von München mit
sehr schönen Nachrichten von diesem Orte, auch von Nürnberg.
Ich bringe sie mit. Sagen Sie mir, wie Sie sich befinden und gedenken
mein.
Weimar, den 1. November 1795
Goethe
125-127 An
Goethe [120]
Jena, den 4. November 1795
Zum neuen Ankömmling meinen herzlichen
Glückwunsch. Ich hätte Ihnen wohl ein Pärchen
gönnen mögen, aber dazu kann ja Rat werden. Nunmehr hoffe ich
auch, Sie bald hier zu sehen, und freue mich recht darauf. Humboldten
ist es sehr angenehm, wenn Sie sein Logis ganz als das Ihrige ansehen
wollen. Das einzige Bedenken dabei war, daß Hellfeld, der sich im
Kontrakt ausbedungen, daß keine Aftermiete stattfinden
dürfte, vielleicht eine Einwendung machen möchte. Weil aber
hier ja von keiner Miete die Rede ist, so wird er nicht so albern sein,
sich auf den Kontrakt zu berufen. Ich habe zum Überfluß
einen Brief von Humboldt an ihn in Händen, den ich, sobald Sie ihn
bloß mit einem kleinen Billet an Hellfeld begleiten wollen, worin
Sie um Übergabe des Schlüssels bitten, an ihn abliefern will.
Er wird, wenn Sie ihm diese Ehre antun, sehr bereitwillig sein. Sie
werden sich gewiß in dieser Wohnung besser als im Schlosse
gefallen.
Ihre Elegien haben, wie Ihnen der eingeschlossene
Brief des D. Gros an Hrn. v. Humboldt zeigen wird, auch in der
lateinischen Welt einen großen und gar keinen unwichtigen
Bewunderer gefunden. Ich lege den Brief in Natura bei; vielleicht
gefällt es Ihnen zu Realisierung des Wunsches, den der Verfasser
desselben äußert, etwas beizutragen. Mir deucht, daß
ich Ihnen schon von demselben etwas erzählt habe; so viel kann ich
mit Gewißheit versichern, daß unsere Akademie an diesem
Manne keine unwichtige Acquisition machen würde. Ich kenne wenige
aus der neuen Generation, die einen so gesunden Kopf, so viel
gründlichen Verstand und eine so solide Beurteilungskraft haben.
Im juristischen Fach hat man ihn in Göttingen sehr geachtet.
Auf den Meister warte ich mit rechter Ungeduld.
Eilfertigkeit ist, wie es scheint, Ungers Sache nicht.
Leben Sie recht wohl. Meine Frau empfiehlt sich aufs
beste.
Schiller
Die Horen sind Ihnen doch letzten Montag richtig
zugekommen? Das achte Exemplar für Meyer habe ich an Fräulein
von Imhof abgeben lassen, wie unser Freund verordnet hat. Die Exemplare
sind schlecht konditioniert, und ich habe die Ihrigen noch dazu
ausgesucht. Cotta entschuldigt sich mit dem Krieg, der die
Papierlieferung gestört habe.
127-128 An
Goethe [121]
Jena, den 20. November 1795
Den Verlust, den Sie erlitten, haben wir herzlich
beklagt.
Sie können sich aber damit trösten, daß er so früh
erfolgt ist und mehr Ihre Hoffnung trifft. Ich könnte mich schwer
darein finden, wenn mir mit meinem Kleinen jetzt noch ein Unglück
begegnete.
Seit etwa sechs Tagen habe ich mich ganz leidlich
befunden und die gute Zeit auch brav benutzt, um in meiner Abhandlung
vorzurücken.
Schlegel schrieb mir kürzlich und schickte
etwas
für die Horen. Er ist sehr entzückt über das
Märchen; auch Humboldts haben große Freude daran. Werden
Sie vielleicht Muße finden, das neue noch für den Januar
fertig zu bringen? Wenn ich es in den ersten Tagen des
Januars
s p ä t e s t e n s hätte, so könnte es noch in
das erste
Stück kommen. Mir wäre dies ungemein lieb, da wir doch
gut anfangen müssen, und ich noch nichts im Fach der Darstellung
habe.
Über den neuen Teil des Meisters, wofür
wir
Ihnen schönstens danken, habe ich schon allerlei Urteil
eingezogen. Jedermann findet das sechste Buch an sich selbst sehr
interessant, wahr und schön, aber man fühlt sich dadurch im
Fortschritt aufgehalten. Freilich ist dieses Urteil kein
ästhetisches, denn beim ersten Lesen, besonders einer
Erzählung, dringt mehr die Neugierde auf den Erfolg und das Ende,
als der Geschmack auf das Ganze.
Sind Sie noch willens den letzten Teil ein Jahr lang
zurückzuhalten?
Herr v. Soden schickt mir heute eine schreckliche
Produktion: Aurora oder das Kind der Hölle, die eine elende
Nachahmung der Biondetta ist. Prächtig ist der Gedanke, daß
er die ganze Zauberei als eine bloße Maschinerie einer
Liebhaberin des Helden entwickelt, die ihn dadurch erobern will. So
verpufft endlich das ganze Pathos. Auch das übrige ist dieses
weisen Einfalls würdig.
Leben Sie recht wohl und alle Musen seien mit Ihnen.
Meine
Frau grüßt.
Schiller
128-130 An
Schiller [122]
Heute habe
ich 21 Properzische Elegien von Knebeln erhalten, ich werde sie
sorgfältig durchgehen, und was ich dabei bemerke, dem
Übersetzer mitteilen, denn da er sich so viel Mühe gegeben,
so möchte wohl ohne seine Bestimmung nichts zu verändern sein.
Ich wünschte, daß Sie Cottaen
ansönnen, dieses Manuskript, dessen künftiger Bogenbetrag
sich leicht ausrechnen läßt, sogleich zu bezahlen. Ich habe
zwar hierzu keinen unmittelbaren Anlaß, aber es sieht doch gleich
viel artiger aus, muntert zu fleißiger Mitarbeit auf und dient
zur Verbreitung des guten Rufs der Horen. Da ein Buchhändler so
oft Vorschüsse geben muß, so kann er auch wohl einmal ein
Manuskript beim Empfang bezahlen. Knebel wünscht, daß sie
auf dreimal gedruckt werden, ich glaube auch, daß das die rechte
Proportion ist, und so würden dadurch die drei ersten
Horenstücke des künftigen Jahrs dekoriert. Ich will sorgen,
daß sie zur rechten Zeit in Ihren Händen sind.
Haben Sie schon die abscheuliche Vorrede Stolbergs
zu seinen platonischen Gesprächen gelesen? Die Blößen,
die er darin gibt, sind so abgeschmackt und unleidlich, daß ich
große Lust habe, drein zu fahren und ihn zu züchtigen. Es
ist sehr leicht die unsinnige Unbilligkeit dieses bornierten Volks
anschaulich zu machen, man hat dabei das vernünftige Publikum auf
seiner Seite, und es gibt eine Art Kriegserklärung gegen die
Halbheit, die wir nun in allen Fächern beunruhigen müssen.
Durch die geheime Fehde des Verschweigens, Verruckens und Verdruckens,
die sie gegen uns führt, hat sie lange verdient, daß ihrer
nun auch in Ehren und zwar in der Kontinuation gedacht werde.
Bei meinen wissenschaftlichen Arbeiten, die ich nach
und nach zusammenstelle, finde ich es doppelt nötig und nicht zu
umgehen. Ich denke gegen Rezensenten, Journalisten, Magazinsammler und
Kompendienschreiber sehr frank zu Werke zu gehen und mich darüber,
in einer Vor- oder Nachrede, gegen das Publikum unbewunden zu
erklären und besonders in diesem Falle keinem seine Renitenz und
Retizenz passieren zu lassen.
Was sagen Sie z. B. dazu, daß Lichtenberg, mit
dem ich in Briefwechsel über die bekannten optischen Dinge, und
übrigens in einem ganz leidlichen Verhältnis stehe, in seiner
neuen Ausgabe von Erxlebens Kompendio meiner Versuche auch nicht einmal
erwähnt, da man doch gerade nur um des Neuesten willen ein
Kompendium wieder auflegt und die Herren in ihre durchschoßnen
Bücher sich sonst alles geschwind genug zu notieren pflegen. Wie
viel Arten gibt es nicht, so eine Schrift auch nur im Vorbeigehen
abzufertigen, aber auf keine derselben konnte sich der witzige Kopf in
diesem Augenblicke besinnen.
Die ästhetische und sentimentale Stimmung ist
in diesem Augenblick ferne von mir, was denken Sie, wie es dem armen
Roman gehen werde? Ich brauche die Zeit indessen, wie ich kann, und es
ist bei der Ebbe zu hoffen, daß die Flut wiederkehren werde.
Ich erhalte Ihren lieben Brief und danke für
den Anteil, dessen ich schon versichert war. Man weiß in solchen
Fällen nicht, ob man besser tut, sich dem Schmerz natürlich
zu überlassen, oder sich durch die Beihilfen, die uns die Kultur
anbietet, zusammen zu nehmen. Entschließt man sich zu dem
letzten, wie ich es immer tue, so ist man dadurch nur für einen
Augenblick gebessert, und ich habe bemerkt, daß die Natur durch
andere Krisen immer wieder ihr Recht behauptet.
Das sechste Buch meines Romans hat auch hier guten
Effekt gemacht; freilich weiß der arme Leser bei solchen
Produktionen niemals, wie er dran ist, denn er bedenkt nicht, daß
er diese Bücher gar nicht in die Hand nehmen würde, wenn man
nicht verstünde, seine Denkkraft, seine Empfindung und seine
Wißbegierde zum besten zu haben.
Die Zeugnisse für mein Märchen sind mir
sehr viel wert, und ich werde künftig auch in dieser Gattung mit
mehr Zuversicht zu Werke gehen.
Der letzte Band des Romans kann auf alle Fälle
vor Michaeli nicht erscheinen; es wäre sehr artig wenn wir die
Plane, von denen Sie neulich sprachen, darauf richteten.
Das neue Märchen kann wohl schwerlich im
Dezember fertig werden; selbst darf ich nicht wohl, ohne etwas auf eine
oder andere Weise über die Auslegung des ersten gesagt zu haben,
zu jenem übergehen. Kann ich etwas Zierliches dieser Art noch im
Dezember leisten, so soll es mir lieb sein, auch auf diese Weise an dem
ersten Eintritt ins Jahr teilzunehmen.
Leben Sie recht wohl! Mögen wir recht lange uns
der Unsrigen und unserer Freundschaft erfreuen. Zum neuen Jahre hoffe
ich Sie wieder auf einige Zeit zu besuchen.
Weimar, den 21. November 1795
Goethe
130-133 An
Goethe [123]
Jena, den 23. November 1795
Auf die Knebelsche Arbeit bin ich sehr neugierig,
und zweifle nicht, daß die beßre Gattung unsrer Leser uns
dafür danken wird. Dem größern Teil freilich werden wir
nicht damit gefallen, das weiß ich vorher: den kann man nur durch
Aufsätze von dem Schlage, wie Lorenz Stark ist, gewinnen. Sie
glauben nicht, wie allgemein man sich an diesem Aufsatz erlustigt. Noch
von keinem ist so viel Redens gewesen.
Was den Vorschuß für die Knebelschen
Elegien betrifft, so glaube ich nur, wir werden Cottaen gerade jetzt,
wo sein Mut in Ansehung der Horen durch das häufige
Aufkündigen der Subskription etwas Ebbe ist, nicht sehr damit
erbauen. Indes, bezahlen wird er gewiß, wenn darauf bestanden
wird; aber ich möchte es ihm gerne jetzt ersparen. Ich weiß
nicht, wie hoch die Summe sich etwa belaufen wird; ist sie
mäßig, so will ich als Redakteur statt Cotta sie bezahlen.
Vielleicht wird der Zweck auch schon erreicht, wenn man etwa sogleich
die Hälfte abträgt und den Rest in der Messe. Die Bezahlung
würde dann immer noch vor dem Abbruch des g a n z e n
Manuskripts erfolgen, denn ich wäre nicht dafür, die
drei Lieferungen ununterbrochen in den drei ersten Monaten zu machen,
sondern immer einen Monat ausfallen zu lassen. Sechs oder acht Bogen
von einerlei Autor, unter Einerlei Titel und noch außerdem
Übersetzung würden, zu schnell hintereinander, zu
einförmig gefunden werden.
Wenn Sie also glauben, daß ein Vorschuß
von etwa 20 Louisdor j e t z t gleich bezahlt von
Wirkung sein würde, so liegt die Summe parat, und wir brauchen
Cotta gar nicht dazu. Ich weiß, er steht schon mit 60 Louisdor
bei Fichte im Vorschuß, und Gott weiß! — wann er da zu
seinem Geld kommen wird. Mehrere kleine Aufsätze wie z. B.
Weißhuhns usw. sind auch schon von ihm bezahlt.
Doch genug von diesem Artikel. Ihr Unwille über
die Stolberge, Lichtenberge und Konsorten hat sich auch mir mitgeteilt,
und ich bin's herzlich zufrieden, wenn Sie ihnen eins anhängen
wollen. Indes, das ist die histoire
du jour. Es war nie anders und wird nie anders werden. Seien Sie
versichert, wenn Sie einen Roman, eine Komödie geschrieben haben,
so müssen Sie ewig einen Roman, eine Komödie schreiben.
Weiter wird von Ihnen nichts erwartet, nichts anerkannt — und
hätte der berühmte Hr. Newton mit einer Komödie
debütiert, so würde man ihm nicht nur seine Optik, sondern
seine Astronomie selbst lange verkümmert haben. Hätten Sie
den Spaß sich gemacht, Ihre optischen Entdeckungen unter dem
Namen unsers Professor Voigts oder eines ähnlichen Kathederhelden
in die Welt zu bringen, Sie würden Wunder daran erlebt haben. Es
liegt gewiß weniger an der Neuerung selbst, als an der Person,
von der sie herrührt, daß diese Philister sich so dagegen
verhärten.
Stolbergs Deliktum wünschte ich in Augenschein
nehmen zu können. Können Sie mir's auf einen Posttag
verschaffen, so wird es mir sehr lieb sein. Bei diesem Menschen ist
Dünkel mit Unvermögen in so hohem Grade gepaart, daß
ich kein Mitleid mit ihm haben kann. Der närrische Mensch, der
Jenisch in Berlin, der sich in alles mischen muß, hat auch die
Rezensionen der Horen gelesen und in dem ersten Feuer einen Aufsatz
über mich und meinen schriftstellerischen Charakter geschrieben,
der eine Apologie gegen jene Anklagen vorstellen soll. Humboldt hat ihn
zum Glück von Genz, in dessen Monatschrift derselbe bestimmt war,
in Manuskript erhalten und den Abdruck noch hintertrieben. Doch bin ich
nicht davor sicher, daß er ihn nicht anderswo drucken
läßt. Es ist ein ganz eigenes Unglück, daß ich,
bei so heftigen und zahlreichen Feinden, doch noch am meisten von dem
Unverstand eines Freundes zu fürchten habe, und die wenigen
Stimmen, die für mich sprechen wollen, über Hals und Kopf zum
Schweigen bringen muß.
Eine Beurteilung Ihres Meisters werde ich im August
oder September künftigen Jahrs sehr ausführlich liefern
können, und dann soll es, denke ich, recht à propos sein, der letzte
Teil mag nun auf Michaelis 96 oder Ostern 97 herauskommen. Vielleicht
findet sich ein Morceau im vierten Teil, das Sie auf Ostern 96, wo das
Publikum das Ganze erwartet, ihm zur einstweiligen Befriedigung
hingeben können.
Von Archenholz habe ich endlich gestern einen braven
historischen Aufsatz, betitelt: S o b i e s k y,
erhalten, der noch im letzten Stücke der Horen erscheinen
muß. Freilich hätte ich viel darum gegeben, wenn Sie
für das erste Stück im zweiten Jahrgang etwas hätten tun
können. Vielleicht haben Sie auch Lust, in diesem Stück
den K r i e g zu eröffnen?
Sie werden von Herdern meine Abhandlung über
die sentimentalischen Dichter erhalten, davon Sie bis jetzt noch den
wenigsten Teil gehört, und die ich noch einmal ganz durchzulesen
bitte. Ich hoffe, Sie sollen damit zufrieden sein; es ist mir in dieser
Art nicht leicht etwas besser gelungen. Ich glaube, dieses jüngste
Gericht über den größten Teil der deutschen Dichter
wird am Schluß des Jahrgangs eine gute Wirkung tun und unsern
Herren Kritikern besonders viel zu denken geben. Mein Ton ist
freimütig und fest, obgleich wie ich hoffe, überall mit der
gehörigen Schonung. Unterwegs habe ich freilich so viel als
möglich e f f l e u r i e r t, und es sind
wenige, die unverwundet aus dem Treffen kommen.
Auch über die Naturalität und ihre Rechte
(in Rücksicht auf die Elegien) habe ich mich weitläuftig
herausgelassen, bei welcher Gelegenheit Wieland einen kleinen
Streifschuß bekommt. Aber ich kann nicht dafür, und da man
sich nie bedacht hat (auch Wieland nicht), die Meinung
über m e i n e Fehler zu unterdrücken, im
Gegenteil sie mich öfters derb genug hören ließ, so
habe ich jetzt, da ich zufälligerweise das gute Spiel in die
Hände bekam, auch meine Meinung nicht verschwiegen.
Leben Sie recht wohl. Ich freue mich wenn wir nach
Neujahr wieder eine Strecke lang miteinander leben können.
Schiller
133-135 An
Schiller [124]
Hier
schicke ich Ihnen sogleich die neueste Sudelei des gräflichen
Salbaders. Die angestrichene Stelle der Vorrede ist's eigentlich,
worauf man einmal, wenn man nichts Bessers zu tun hat, losschlagen
muß. Wie unwissend überhaupt diese Menschen sind, ist
unglaublich; denn wem ist unbekannt, daß die Christen von jeher
alles, was vernünftig und gut war, sich dadurch zueigneten,
daß sie es dem λογος zuschrieben? und meine liebe Christin tut pag. 304 eben das, und man wird dem
guten Wesen darüber nicht feind werden.
Ein Brief von Prinz August, den ich Ihnen beilege,
wird Ihnen Vergnügen machen; es ist keine der schlimmsten
Produktionen seiner ganz eignen Laune.
Das Exemplar von Humboldt erbitte ich mir wieder
zurück; er hat das seine schon in Berlin weggenommen.
Hederichs Lexikon wünschte ich auch wieder und
das siebente Stück der Horen im kleinen Format.
Auf Ihren Aufsatz verlange ich sehr. Das was ich von
Ihren
Ideen kenne, hat mir in dieser letzten Zeit im praktischen manchen
Vorteil gebracht; so wenig man mit Bewußtsein erfindet, so sehr
bedarf man des Bewußtseins besonders bei längern Arbeiten.
Übrigens kann ich niemand übelnehmen, wenn er lange
gepaßt hat und nun einmal Trümpfe in die Hände kriegt,
daß er sie auch ausspielt.
Wegen des Honorars der neuen Elegien läßt
sich's noch überlegen. Der Vorschlag, 20 Louisdor zu zahlen und
das
übrige alsdann bis zum Abdruck bewenden zu lassen, hat meinen
Beifall. Es ist doch so etwas zum Anbiß und wird guten Effekt
tun, auf alle Fälle hat es Zeit bis aufs neue Jahr.
Der Weißhuhnische Aufsatz im sechsten Hefte
des
Niethammerischen Journals hat mir sehr wohl gefallen. Diese Art zu
philosophieren liegt mir viel näher als die Fichtische; wir wollen
den Aufsatz doch einmal mit einander lesen, ich wünschte,
über
einiges Ihre Gedanken zu hören. Bei Zusammenstellung meiner
physikalischen Erfahrungen ist es mir schon, wie ich finde, von
großem Nutzen, daß ich etwas mehr als sonst in den
philosophischen Kampfplatz hinunter sehe. Eben erhalte ich Ihren
Aufsatz und freue mich, ihn in der nächsten ruhigen Stunde zu
lesen. Sobald Sie etwas Gewisseres wegen der Subskription der Horen
erfahren, so schreiben Sie mir es doch.
Leben Sie recht wohl.
Weimar, den 25. November 1795
Goethe
135 An
Schiller [125]
Ihre
Abhandlung schicke ich hier mit vielem Danke zurück. Da diese
Theorie mich selbst so gut behandelt, so ist nichts natürlicher,
als daß ich den Prinzipien Beifall gebe und daß mir die
Folgerungen richtig scheinen. Ich würde aber mehr Mißtrauen
darein setzen, wenn ich mich nicht anfangs selbst in einem polemischen
Zustand gegen Ihre Meinung befunden hätte. Denn es ist Ihnen nicht
unbekannt, daß ich, aus einer allzu großen Vorliebe
für die alte Dichtung, gegen die neuere oft ungerecht war. Nach
Ihrer Lehre kann ich erst selbst mit mir einig werden, da ich das nicht
mehr zu schelten brauche, was ein unwiderstehlicher Trieb mich doch,
unter gewissen Bedingungen, hervorzubringen nötigte, und es ist
eine sehr angenehme Empfindung, mit sich selbst und seinen Zeitgenossen
nicht ganz unzufrieden zu sein.
Ich bin diese Tage wieder an den Roman gegangen und
habe alle Ursache, mich daran zu halten. Die Forderungen, wozu der
Leser durch die ersten Teile berechtigt wird, sind wirklich, der
Materie und Form nach, ungeheuer. Man sieht selten eher, wie viel man
schuldig ist, als bis man wirklich einmal reine Wirtschaft machen und
bezahlen will. Doch habe ich guten Mut. Es kommt alles darauf an,
daß man die Zeit wohl braucht und keine Stimmung versäumt.
Leben Sie recht wohl.
Weimar, den 29. November 1795
Goethe
135-137 An
Goethe [126]
Jena, den 29. November 1795
Der Brief des Prinzen August hat mich unterhalten.
Er hat, für einen Prinzen besonders, viel guten Humor.
Könnten wir nicht durch diesen Prinzen
Vergünstigung erhalten, die Diderotische Erzählung La Religieuse, die sich in dem
geschriebenen Journale befindet und, so viel ich weiß, noch nicht
übersetzt ist, für die Horen zu übersetzen? Aus
demselben ist auch Jaques le
Fataliste gezogen und in Berlin bei Unger übersetzt
herausgekommen. Ich kann's nicht lassen: bei einem Prinzen fällt
mir immer zuerst ein, ob er nicht zu etwas gut sei?
Hier das verlangte siebente Stück.
Ich erwarte in dieser Woche Exemplarien von dem
Musenalmanach.
Wenn es angeht, so will auch ich zu der weimarischen
Journal-Gesellschaft förmlich treten, und kann drei Journale dazu
stiften, entweder
Klio, oder
Posselts Europäische
Annalen, oder
Flora.
Hätte man diese
Journale schon und wollte sie nicht abbestellen, so will ich den
gewöhnlichen Anteil an Geld bezahlen.
Bei dieser Gelegenheit fällt mir ein, daß
ich an den Herrn —us (ich weiß die Anfangssilben nicht), der mir
das Siegel zu den Horen gestochen, noch eine halbe Karolin zu bezahlen
habe. Mögen Sie wohl so gütig sein und diese Zahlung
einstweilen an ihn leisten?
Die Stolbergische Vorrede ist wieder etwas
horribles. So eine vornehme Seichtigkeit, eine anmaßungsvolle
Impotenz, und die gesuchte, offenbar nur gesuchte Frömmelei — auch
in einer Vorrede zum Plato Jesum Christum zu loben!
Von Jacobi hab' ich eine Ewigkeit lang nichts
gehört, da er mir doch, höflichkeitshalber, über einige
Gedichte, die ich ihm geschickt, und auf Verlangen geschickt, etwas
hätte sagen sollen.
Wenn Sie meinen Aufsatz etwa mit der heutigen Post
nicht hätten abgehen lassen, so sind Sie wohl so gütig, ihn
Dienstags auf die Post zu geben, es sei denn, daß Sie ihn
länger brauchen könnten. Ich wollte ihn Humboldten senden.
Sehr erwartend bin ich auf Ihre Meinung darüber. Wenn ich jetzt
zurücksehe, wie weit ich mich hier, ohne Führer, bloß
mit Hilfe der Prinzipien, die aus dem Ganzen meines Systems
fließen, gewagt, so freut mich die Fruchtbarkeit dieser
Prinzipien gar sehr, und ich verspreche mir noch mehr davon für
die Zukunft.
Der Rest des Aufsatzes, der jetzt erst fertig
geworden und die I d y l l e abhandelt, ist noch
nicht kopiert. Sie erhalten ihn morgen oder übermorgen. Ein
Nachtrag zu dem Aufsatz kommt unter der Aufschrift:
Über P l a t i t u d e und Ü b
e r s p a n n u n g (die zwei Klippen des Naiven und
Sentimentalen) im Januar. Hier habe ich Lust, eine kleine Hasenjagd in
unserer Literatur anzustellen und besonders etliche gute Freunde, wie
Nicolai und Konsorten, zu regalieren.
Leben Sie recht herzlich wohl.
Schiller
137-138 An
Goethe [127]
Jena, den 8. Dezember 1795
Die Horen, die mir diesmal die Zeit sehr lang gemacht haben, erfolgen
hier. Zwei Exemplare haben Sie von diesem Stücke noch gut. Cotta,
dem der Kopf etwas unrecht stehen muß, hat mir nicht weniger als
sieben Exemplare weniger eingepackt, und die er schickt, die auf
Postpapier nämlich, sind alle schlecht konditioniert. Es ist mein
Trost, daß mit dem neuen Jahrgang auch besser Papier genommen
wird.
Ich hörte lange nichts von Ihnen, und habe auch
selbst lange geschwiegen. Das üble Wetter hat mich sehr
gedrückt, so daß ich aus Nacht Tag und aus Tag Nacht machen
mußte. Es ist auch jetzt noch nicht besser, und die Arbeit geht
langsam. Aber sie ist mir unter den Händen wichtiger geworden, und
ich hoffe, das neue Jahr meinerseits mit einem ziemlich interessanten
Aufsatz zu eröffnen, wenn ich ihn bis dahin vollenden kann.
Möchten Sie doch auch einen Ihrer Geister in
dem neuen Jahrstück erscheinen lassen. Den Staelischen Aufsatz
muß ich, der Varietät wegen, zum zweiten Stück liegen
lassen, da alles von Dichtern und Dichtungstheorien handelt.
Hier sendet der Musenalmanach ein kleines
epigrammatisches Honorar. Es wird nicht hinreichen, die Zechinen zu
ersetzen, die über den Epigrammen darauf gegangen sind. Aber das
übrige rechnen Sie auf die schönen Bettinen und Lacerten!
Exemplarien hat mir der dumme Mensch, der Michaelis, noch keine
gesendet.
Man sagt hier, daß Iffland nächste Woche
in Weimar sein werde. Da wird ja Thalia und Melpomene recht frohlocken.
Vielleicht bringen Sie ihn einmal auch hieher. Es würde mich
freuen, einen alten Bekannten wieder zu sehen.
Meine Frau grüßt aufs beste. Leben Sie
heiter und tätig.
Schiller
Nur zwei Worte erbitte mir auf einem besondern Blatt
über den Empfang, für Michaelis.
Die reitende Post sendet mir mein Paket zurück
und will es, des Geldes wegen, nicht nehmen. Weil die fahrende Post
erst Montags abgeht, so sende ich einstweilen die Horen. Was für
klägliche Postanstalten!
138-139 An
Schiller [128]
Auf
beiliegendem Blättchen erhalten Sie Nachricht wegen der Journale;
wollten Sie nun desfalls das Nötige mit den Botenweibern
arrangieren, so könnten Sie die Stücke ordentlich erhalten.
Hier kommen auch meine Elegien; ich wünsche,
daß Sie damit zufrieden sein mögen, es ist noch zuletzt
allerlei daran getan worden; doch wie man mit eigenen Sachen selten
fertig wird, so wird man es mit Übersetzungen niemals. Haben Sie
noch etwas zu erinnern, so teilen Sie es mir gefällig mit. Es
wäre gut, wenn diese neuen Stücke zusammen erscheinen
könnten. Sie machen zusammen nicht über anderthalb Bogen; die
übrigen sollen nach und nach eintreffen.
Wie sieht es übrigens mit dem Vorrat aufs
nächste Vierteljahr aus, und was hören Sie von der neuen
Subskription?
Wenn Sie die Abhandlung über die
sentimentalischen Dichter wieder zurück haben, wünschte ich
sie noch einmal zu lesen; wegen des Schlusses habe ich noch einige
Skrupel, und wenn einen der Geist warnt, so soll man es wenigstens
nicht verschweigen. Da das Ganze so weit und breit ist, so scheint es
mir bei näherer Überlegung zu enge und zu spitz auszulaufen,
und da diese Spitze grade zwischen mir und einem alten Freunde
hinfällt, so macht's mir wirklich ein wenig bange. Doch davon
mündlich. Heute nur ein Lebewohl.
Weimar, den 9. Dezember 1795
Goethe
139-140 An
Goethe [129]
Jena den 13. Dezember
1795.
Mein Aufsatz über die sentimentalischen Dichter, den
ich doppelt kopieren ließ, ist schon seit drei Wochen zum Druck
abgeschickt, aber Sie können des Schlusses wegen außer
Sorgen sein. Sie haben nur gelesen, was damals fertig war; zu diesem
aber sind noch acht Seiten, die Idylle betreffend, gekommen, womit
der Aufsatz für das zwölfte Horenstück schließt.
Der eigentliche Schluß aber erfolgt erst im ersten Stück des
neuen Jahrs. Sie und W. fallen also noch in die B r e i t
e, und ich denke,
wenn der Aufsatz ordentlich geendigt sein wird, soll der Totaleindruck
und das Sachinteresse jeder Privatbeziehung vorbeugen.
Die Elegien sende ich hier nebst meinen Anmerkungen
darüber zurück. Ich habe es mit diesen mit Fleiß etwas
genau genommen, weil man bei einer Übersetzung, und zwar nicht mit
Unrecht, eine größere Strenge in Kleinigkeiten fordert, als
bei einem Originalwerk, und wir auch die Voßischen — Rigoristen
auf dem Nacken haben. Da ich diese Lieferung erst in acht Tagen
abzuschicken brauche, so ist noch Zeit, jenen Kleinigkeiten abzuhelfen,
wenn Sie von meinen Anmerkungen Gebrauch machen wollen.
Sonst bin ich mit der Übersetzung in hohem
Grade
zufrieden. Sie ist ganz in den Geist des Autors eingegangen, und jene
kleinen Härten abgerechnet, ungemein fließend und
ungezwungen.
Hier das Geld, so ich neulich nicht habe mitschicken
können. Auf Neujahr werde ich 20 Louisdor für den Properz
senden.
Leben Sie recht wohl.
Schiller
140-142 An
Schiller [130]
Für
das übersendete, über welches hier eine Quittung beiliegt,
danke ich zum schönsten. Es scheint, da wir Dichter bei der
Teilung der Erde zu kurz gekommen sind, uns ein wichtiges Privilegium
geschenkt zu sein, daß uns nämlich unsere Torheiten bezahlt
werden.
Das Gedicht, worauf ich hier anspiele, findet
großen Beifall, und die Leute sind höchst neugierig wer es
wohl gemacht habe?
Übrigens sind gegenwärtig die
H u n d s p o s t t a g e das Werk, worauf unser feineres
Publikum seinen Überfluß von Beifall ergießt; ich
wünschte, daß der arme Teufel in Hof bei diesen traurigen
Wintertagen etwas angenehmes davon empfände.
Wenn j e n e r A u f s a t z
sich nicht gerade mit der bedenklichen Note schließt, so
wird dadurch ihre Wirkung geringer werden, und wir müssen
abwarten, was daraus erfolgt.
Haben Sie beiliegenden Hymnus schon gesehen, mit dem
man Sie beehrt hat? Ich habe ihn auf alle Fälle abschreiben
lassen. Man sieht auch hieraus, daß man im Literarischen jenen
Sämann, der nur säete, ohne viel zu fragen, wo es hinfiel,
nachahmen soll.
Von den Anmerkungen zu den Elegien wollen wir, so
viel die Zeit erlaubt, Gebrauch machen. In so einer wunderlichen
Sprache, wie die deutsche ist, bleibt freilich immer etwas zu
wünschen übrig.
Zum Jännerstücke arbeitete ich gerne
etwas, aber der Roman nimmt mir jetzt, zu meinem Glücke, alle Zeit
weg. Dieser letzte Band mußte sich notwendig selbst machen, oder
er konnte gar nicht fertig werden, und die Ausarbeitung drängt
sich mir jetzt recht auf, und der lange zusammengetragene und gestellte
Holzstoß fängt endlich an zu brennen.
Länger als Februar rat' ich den Staelischen
Aufsatz nicht zurückzuschieben, weil Ostern derselbe nebst den
Erzählungen wahrscheinlich übersetzt erscheinen wird. Die
französischen Exemplare fangen an sich in Deutschland auszubreiten.
Vielleicht kann ich zum März jenes zweite
Märchen, von dem ich eine Skizze vorgetragen, fertig schreiben und
dabei mit einem kleinen Eingang über die Auslegung des ersten
wegschlüpfen. Daß dieses seine Wirkung nicht verfehlt, sehen
Sie aus beiliegendem Briefe des Prinzen.
Es wäre sehr gut, wenn man von der Religieuse für die Horen
Gebrauch machen könnte. Sie könnten dazu die Erlaubnis durch
Herdern am besten erhalten; ich mag nicht gerne darüber anfragen,
weil mir bei dieser Gelegenheit die Travestierung der Claironschen
Geschichte könnte zu Gemüte geführt werden.
Iffland kommt sobald nicht; sie sind von den
Überwindern in Mannheim zu spielen gezwungen. Gegen Ostern oder
nach Ostern hofft er zu kommen.
Ich bereite mich, Sie aufs Neujahr besuchen zu
können, denn mich verlangt sehr, den ganzen Kreis Ihrer
theoretischen Arbeiten nun einmal mit Ihnen zu durchlaufen und mich
dadurch zu den Arbeiten, die vor mir liegen, zu stärken. Ich habe
Ihre Prinzipien und Deduktionen desto lieber, da sie mir unser
Verhältnis sichern und mir eine wachsende Übereinstimmung
versprechen; denn leider sind es öfter die Meinungen über die
Dinge als die Dinge selbst, wodurch die Menschen getrennt werden, wovon
wir in Weimar die betrübtesten Beispiele täglich erfahren.
Leben Sie recht wohl und grüßen die liebe
Frau. Wird denn ein wenig gezeichnet?
Weimar, den 15. Dezember 1795
Goethe
142-143 An
Goethe [131]
Jena den 17. Dezember
1795
Wie beneide ich Sie um Ihre jetzige poetische
Stimmung,
die Ihnen erlaubt, recht in Ihrem Roman zu leben. Ich habe mich lange
nicht so prosaisch gefühlt, als in diesen Tagen, und es ist hohe
Zeit, daß ich für eine Weile die philosophische Bude
schließe. Das Herz schmachtet nach einem betastlichen Objekt.
Es ist prächtig, daß der scharfsinnige
Prinz
sich in den mystischen Sinn des Märchens so recht verbissen hat.
Hoffentlich lassen Sie ihn eine Weile zappeln; ja wenn Sie es auch
nicht täten, er glaubte Ihnen auf Ihr eigenes Wort nicht,
daß er keine gute Nase gehabt habe.
Daß in Weimar jetzt die Hundsposttage
grassieren, ist
mir ordentlich psychologisch merkwürdig; denn man sollte sich
nicht träumen lassen, daß derselbe Geschmack so ganz
heterogene Massen vertragen könnte, als diese Produktion und Clara
du Plessis ist. Nicht leicht ist mir ein solches Beispiel von
Charakterlosigkeit bei einer ganzen Sozietät vorgekommen.
Das Gedicht, welches Sie mir so gütig waren
kopieren
zu lassen, hat der Verfasser vorigen Sommer in Manuskript an mich
gesendet. Es freut mich, daß man doch hie und da etwas wachsen
und blühen sieht, und leib ist mir die öffentliche
Erscheinung gerade jetzt, da es die Widersacher gewaltig
verdrießen wird.
Cotta, der mir vor einigen Tagen schrieb, weiß
von
der neuen Subskription noch nichts zu sagen. Daraus, daß jetzt
noch nicht schon abbestellt wird, schließe ich doch etwas gutes.
Herdern will ich zu disponieren suchen, daß er
die
Religieuse übersetzt. Den
Staelischen Aufsatz bringe ich nicht
später als im Februar. Eine Übersetzung gleich im ersten
Stück, wo schon eine poetische sich findet, würden uns die
Herren auch aufgemutzt haben.
Leben Sie recht wohl. Meine Frau dankt
schönstens
für Ihr Andenken. Gezeichnet ist nicht viel worden.
Schiller
143 An
Schiller [132]
Von Ihren
gütigen und gegründeten Anmerkungen haben wir bei den
Elegien, die hier zurückkommen, so viel als möglich Gebrauch
gemacht; es ist freilich möglich, auf einem solchen Wege diese Art
Arbeiten immer der Vollkommenheit näher zu bringen.
Ich habe diese Tage, in Hoffnung von meinem Herrn
Kollegen was zu lernen, den vortrefflichen H e r r
n S t a r k gelesen und studiert. Ich könnte
nicht sagen, daß ich sehr auferbauet worden wäre. Vorn
herein hat es wirklich einigen Schein, der uns bestechen kann, in der
Folge aber leistet es doch gar zu wenig.
Dagegen habe ich an den Novellen des Cervantes einen
wahren Schatz gefunden, sowohl der Unterhaltung als der Belehrung. Wie
sehr freut man sich, wenn man das anerkannte Gute auch anerkennen kann,
und wie sehr wird man auf seinem Wege gefördert, wenn man Arbeiten
sieht die nach eben den Grundsätzen gebildet sind, nach denen wir
nach unserm Maße und in unserm Kreise selbst verfahren.
Leben Sie recht wohl. Bald mehr.
Weimar, den 17. Dezember 1795
Goethe
144-145 An
Goethe [133]
Jena, den 23. Dezember 1795
Für die Elegien danke ich schönstens. Ich
denke nicht, daß jetzt noch etwas darin sein sollte, was den
Krittlern Gelegenheit geben könnte, über kleinen Versehen
gegen den schönen Geist des Ganzen sich zu verhärten.
Lorenz Stark ist, wie mir Humboldt schrieb, ehmals
zu einer Komödie bestimmt gewesen und nun zufälligerweise in
die erzählende Form gegossen worden. Ein ziemlich leichter Ton
empfiehlt es, aber es ist mehr die Leichtigkeit des Leeren als die
Leichtigkeit des Schönen. Solchen Geistern wie Herrn E. ist das
Platte so gefährlich, wenn sie wahr und naiv sein wollen. Aber die
göttliche Platitude: das ist eben der Empfehlungsbrief.
Haben Sie denn auch die schönen Abbildungen vom
Seifersdorfer Tal mit Herrn Beckers (in Dresden) Beschreibungen
gesehen? Als einem so großen Liebhaber von Kunstgärten und
sentimentalischen Produktionen empfehle ich Ihnen dieses Werk. Es
verdient neben Racknitz' Schrift eine gelegentliche würdige
Erwähnung in den Horen.
Mit der Religieuse
von Diderot weist mich Herder an Sie zurück; auch meint er,
daß sie entweder schon übersetzt sei oder mit andern
Erzählungen von Diderot künftige Ostern erscheinen werde. Es
scheint demnach für uns keine sichere Entreprise zu sein.
Der Himmel verlängere Ihnen jetzt nur die gute
Laune, um den Roman zu endigen. Ich bin unglaublich gespannt auf die
Entwicklung und freue mich recht auf ein ordentliches Studium des
Ganzen.
Das Glück, welches das kleine
Gedicht d i e T e i l u n g d e
r E r d e zu machen scheint, kommt mit auf Ihre
Rechnung, denn schon von vielen hörte ich, daß man es Ihnen
zuschreibt. Hingegen ist mir von andern der l i t e r a r i
s c h e S a n s c u l o t t i s m zugeschrieben
worden.
Von der zu erwartenden Rezension der Horen durch
Schütz hörte ich gestern, daß es Ernst damit sei, und
daß wir sie in wenigen Wochen zu Gesicht bekommen werden. Ob ich
sie noch in Manuskript zu lesen bekomme, zweifle ich, da ich mit
Schützen seit einiger Zeit weniger Verkehr habe. Er hat aber doch
dem jungen Schlegel den poetischen Teil derselben zu rezensieren
aufgetragen, sowie auch die Unterhaltungen usw., und dieser hat die
Rezension, wie er mir heute schrieb, schon an Schütz gesendet.
Wenn er nichts an diese Arbeit hineinpfuscht, so erwarte ich etwas
Gutes davon.
Von Cotta habe nichts wieder gehört, und der
Almanach ist auch noch nicht angelangt.
Zum heiligen Christ wünschen wir alles Gute.
Möchten Sie ihn hier bei uns zubringen! Leben Sie recht wohl.
Schiller
145-146 An
Schiller [134]
Mit
Verlangen warte ich aufs neue Jahr und suche mancherlei kleine
Geschäfte abzutun, um Sie wieder mit Freiheit auf einige Zeit
besuchen zu können. Ich wünsche nur, daß ich Sie wohl
und poetisch tätig antreffen möge, denn es ist das nun einmal
der beste Zustand, den Gott den Menschen hat gönnen wollen. Mein
Roman ruht nun nicht, bis er sich fertig macht, worüber ich sehr
vergnügt bin, denn mitten unter allen Zerstreuungen treibt er sein
Wesen immer fort.
Ich habe sonst noch manches mitzuteilen. Hier liegt
z. B. eine Erklärung der dramatischen Personen des Märchens
bei, von Freundin Charlotte. Schicken Sie mir doch geschwind eine
andere Erklärung dagegen die ich ihr mitteilen könnte.
Den Einfall, auf alle Zeitschriften Epigramme, jedes
in einem einzigen Disticho, zu machen, wie die Xenia des Martials sind,
der mir dieser Tage gekommen ist, müssen wir kultivieren und eine
solche Sammlung in Ihren Musenalmanach des nächsten Jahres
bringen. Wir müssen nur viele machen und die besten aussuchen.
Hier ein paar zur Probe.
Daß Cotta über die Subskription der Horen
nicht heraus will, gefällt mir nicht ganz, wo ich hinhöre,
spricht man von vermehrter Subskription.
Wird sich denn dieser edle Sofias mit seinem Gold
und Silber auf das Fest Epiphaniae
einfinden? Weihrauch und Myrrhen wollen wir ihm erlassen.
Des P. C a s t e l s Schrift Optique des Couleurs 1740 habe ich
in diesen Tagen erhalten; der lebhafte Franzos macht mich recht
glücklich. Ich kann künftig ganze Stellen daraus abdrucken
lassen und der Herde zeigen, daß das wahre Verhältnis der
Sache schon 1739 in Frankreich öffentlich bekannt gewesen, aber
auch damals unterdrückt worden ist.
Ich habe noch geschwind einige Varianten zur
Erklärung gesetzt; wenn Sie auch noch die Summe vermehren, so wird
eine Verwirrung ohne Ende aus diesen Aufklärungen zu hoffen sein.
Die Xenia nächstens.
Den 23. Dezember 1795
Goethe
NB. Die
rot unterstrichenen sind meine Varianten.
146-147 An
Goethe [135]
Jena, den 25. Dezember 1795
Hier einen kleinen Beitrag zu der Interpretation des
Märchens. Er ist mager genug, da Sie mir mit dem besten schon
zuvorgekommen sind. In dergleichen Dingen erfindet die Phantasie selbst
nicht so viel, als die Tollheit der Menschen wirklich ausheckt, und ich
bin überzeugt: die schon vorhandenen Auslegungen werden alles
Denken übersteigen.
Was Sie von der vermehrten Subskription auf die
Horen schreiben, überraschte mich, und es möchte wohl nur
sehr partikulär sein, denn daß die Summe im Ganzen abnehmen
muß, ist nach dem erstaunlichen Geschrei, nach den Klagen so
vieler Buchhändler selbst, wie z. B. Ungers in Berlin und andrer,
keine Frage. Auf Cottas Aufrichtigkeit dürfen wir uns, bis auf
einen gewissen Punkt wenigstens, ganz sicher verlassen. Er hat mehr
Eitelkeit als Eigennutz, und er fürchtet sich zu sehr, daß
mein Eifer erkalten möchte, als daß er dasjenige
verschweigen könnte, was ihn beleben kann.
Was die Goldlieferung anbetrifft, so vergaßen
Sie, daß die Zahlung von einer Ostermesse zur andern ist
ausgemacht worden. Etliche Tage vor Jubilate erscheint Cotta mit einer
Geldkatze um den Leib, und zwar pünktlich, wie „eine
wohlberechnete Sonnenfinsternis,“ um das Honorar für das ganze
Jahr abzutragen. Früher wollte ich ihm nicht gern eine starke
Zahlung zumuten, da er sich einmal auf die Abrede verläßt,
ob er gleich, sobald man es fordert, damit parat sein wird.
Eben sendet mir Woltmann ein selbstverfertigtes
Trauerspiel nebst einer Operette. Ich hab' es noch nicht angesehen,
werde Ihnen aber, wenn Sie hier sind, hoffentlich allerlei davon zu
erzählen haben.
In zehn bis zwölf Tagen werden Sie die Horen in
der L. Z. rezensiert lesen. Den poetischen Teil hat
glücklicherweise Schlegel und nicht Schütz rezensiert. Dieser
hat sich bloß das Philosophische und Historische vorbehalten.
Leben Sie recht wohl.
Schiller
147-148 An
Schiller [136]
Ein paar
Produkte, wie die hierbei kommenden Schriften sind, dürfen Ihnen
nicht unbekannt bleiben; vielleicht sind sie noch nicht zu Ihnen
gelangt. Den Theaterkalender erbitte mir bald wieder zurück.
Mit hundert Xenien, wie hier ein Dutzend beiliegen,
könnte man sich sowohl dem Publiko als seinen Kollegen aufs
angenehmste empfehlen.
Es ist recht gut, daß die Rezension des
poetischen Teils der Horen in die Hände eines Mannes aus der neuen
Generation gefallen ist; mit der alten werden wir wohl niemals einig
werden. Vielleicht lese ich sie bei Ihnen, denn wenn es mir
möglich ist, geh' ich den dritten Januar von hier ab.
Daß man uns in unsern Arbeiten verwechselt,
ist mir sehr angenehm; es zeigt daß wir immer mehr die Manier los
werden und ins allgemeine Gute übergehen. Und dann ist zu
bedenken, daß wir eine schöne Breite einnehmen können,
wenn wir mit einer Hand zusammenhalten und mit der andern so weit
ausreichen, als die Natur uns erlaubt hat.
Ich danke für den Beitrag zur Auslegung des
Märchens; wir würden freilich noch ein bißchen zusehen.
Ich hoffe aber doch noch auf eine günstige Wendung, in den
Unterhaltungen meinen beliebigen Spaß darüber machen zu
können.
Wollte doch Gott, daß Woltmanns Trauerspiel
produzibel wäre! ich würde es gleich aufführen lassen.
Alles will schreiben und schreibt, und wir leiden auf dem Theater die
bitterste Not.
Die Abbildung des Seifersdorfer Unwesens kenn' ich,
Sie kennen ja wohl auch die Trude, die es bewohnt, und die es so
ausgeschmückt hat. Wielands Empfang und Bewirtung daselbst im
Sommer 1794 gäbe eine vortreffliche Geschichte, wenn er sie
aufsetzen wollte, wie er sie erzählt.
Cotta wollen wir also auf Jubilate erwarten, ich
hatte wirklich vergessen, daß dieser Termin festgesetzt worden.
Leben Sie recht wohl; ich suche mich von allem, was
mich halten und zerstreuen könnte, los zu machen, um in Ihrer
Nähe wieder einige gute Zeit zuzubringen.
Weimar, den 26. Dezember 1795
Goethe
148-150 An
Goethe [137]
Jena, den 29. Dezember 1795
Der Gedanke mit den Xenien ist prächtig und
muß ausgeführt werden. Die Sie mir heute schickten, haben
mich sehr ergötzt, besonders die Götter und Göttinnen
darunter. Solche Titel begünstigen einen guten Einfall gleich
besser. Ich denke aber, wenn wir das Hundert voll machen wollen, werden
wir auch über einzelne Werke herfallen müssen, und welcher
reichliche Stoff findet sich da! Sobald wir uns nur selbst nicht ganz
schonen, können wir Heiliges und Profanes angreifen. Welchen Stoff
bietet uns nicht die Stolbergische Sippschaft, Racknitz, Ramdohr, die
metaphysische Welt mit ihren Ichs und Nicht-Ichs, Freund Nicolai unser
geschworener Feind, die Leipziger Geschmacksherberge, Thümmel,
Göschen als sein Stallmeister, u. dgl. dar!
Gestern empfing ich die abgedruckten Bogen von den
sentimentalischen Dichtern, welche also auch noch in der großen
Rezension in der Literatur-Zeitung mit begriffen werden können.
Ich habe Schützen schon gesprochen seitdem er sie gelesen, und ob
er sie gleich erbärmlich schlecht versteht, so ist er doch nicht
so sehr dadurch erschreckt worden, als ich glaubte; ich ließ ihn
merken, daß ich sein Urteil darüber zwar nicht genieren
wolle, aber jeder determinierte Widerspruch gegen meine Urteile
würde mich schlechterdings zu einer Replik nötigen, bei
welcher, da ich sie mit Beweisen belegen müßte, die Autoren,
deren er sich annehmen wollte, leicht ins Gedränge kommen
könnten. Er wird sie also wohl sehr leise anrühren.
Die Rezension wird sehr groß werden, da allein
der poetische Teil mehr als ein ganzes Zeitungsblatt füllen soll.
Auch ich arbeite einiges daran; so z. B. ist mir der Archenholzische
Aufsatz im letzten Stück zur Rezension übergeben, weil
Schütz sonst nicht fertig wird. Diese Rezension wird also eine
rechte Harlekinsjacke werden. Vor dem Sechsten erscheint aber nichts
davon.
Woltmanns Trauerspiel ist erbärmlich und in
keiner Rücksicht brauchbar. Ein Ding ohne Charakter, ohne
Wahrscheinlichkeit, ohne alle menschliche Natur. Erträglicher noch
ist die Operette, obgleich nur gegen das Trauerspiel erträglich.
Haben Sie eine Zoonomie, die ein gewisser Hofrath
Brandis herausgegeben, gelesen? Ihre Schrift über die
Metamorphosen ist darin mit großer Achtung behandelt. Aber
lächerlich ist's, daß, weil Ihr Name vor dem Buche steht und
Sie Romane und Trauerspiele geschrieben, man schlechterdings auch daran
erinnert werden muß. „Ein neuer Beweis,“ meint der gute Freund
bei dieser Gelegenheit, „wie günstig der Dichtergeist auch
für wissenschaftliche Wahrheit sei.“
Auf Ihre baldige Hieherkunft freue ich mich nicht
wenig. Wir wollen wieder einmal alles recht durch einander bewegen. Sie
bringen wohl Ihren jetzigen „Strickstrumpf“, den Roman, auch mit? Und
dann soll es auch heißen: nulla
dies sine Epigrammate.
Sie sprechen von einer so großen Teurung in
der Theaterwelt. Ist Ihnen nicht schon der Gedanke gekommen, ein
Stück von Terenz für die neue Bühne zu versuchen? Die
Adelphi hat ein gewisser Romanus schon vor dreißig Jahren gut
bearbeitet, wenigstens nach Lessings Zeugnis. Es wäre doch in der
Tat des Versuches wert. Seit einiger Zeit lese ich wieder mehr in den
alten Lateinern, und der Terenz ist mir zuerst in die Hände
gefallen. Ich übersetzte meiner Frau die Adelphi aus dem Stegreif,
und das große Interesse, das wir daran genommen, läßt
mich eine allgemein gute Wirkung erwarten. Gerade dieses Stück hat
eine herrliche Wahrheit und Natur, viel Leben im Ganze, schnell
dezidierte und scharf bestimmte Charaktere und durchaus einen
angenehmen Humor.
Der Theaterkalender enthält gewaltig viel Namen
und blutwenig Sachen. Ich für mein Teil bin übrigens gut
weggekommen: aber in welcher Gesellschaft erblickt man sich da! Ihnen
wird ja ein Julius Cäsar großmütig zugeschrieben, den
Sie dem Publikum wohl schuldig bleiben werden.
Worin schreibt aber Freund Böttiger nicht!
Leben Sie recht wohl. Meine Frau grüßt bestens.
Schiller
151-152 An
Schiller [138]
[Weimar, den 30. Dezember 1795]
Ich freue mich sehr, daß die Xenien bei Ihnen
Eingang und Beifall gefunden haben, und ich bin völlig der
Meinung, daß wir weiter um uns greifen müssen. Wie werden
sich C h a r i s und J o h a n n
prächtig nebeneinander ausnehmen! Wir müssen diese
Kleinigkeiten nur ins Gelag hineinschreiben und zuletzt sorgfältig
auswählen. Über uns selbst dürfen wir nur das, was die
albernen Bursche sagen, in Verse bringen, und so verstecken wir uns
noch gar hinter die Form der Ironie.
Die Rezension der Horen wird also ein rechtes
Wunderding, auch passen unsere Konkurrenten mit Heißhunger
darauf, und sie falle aus wie sie will, so gibt's gewiß wieder
Händel.
Was Brandis in seinem Werke über d
i e L e b e n s k r a f t über meine
Metamorphose sagt, erinnere ich mich, aber nicht der Stelle, die Sie
anführen; wahrscheinlich hat er derselben, in seiner
Übersetzung der D a r w i n i s c h e n Z o o n
o m i e, nochmals gedacht, da Darwin auch das Unglück hat,
vorher als Dichter (im englischen Sinne dieses Worts) bekannt zu sein.
Nur die höchste Dürftigkeit ließ
mich von jener Tragödie etwas Gutes hoffen. Gestern ist wieder ein
detestables Stück von Ziegler aufgeführt worden:
B a r b a r e i u n d G r ö ß e,
wobei sie so barbarisch zugehauen haben, daß ein
Schauspieler fast um seine Nase gekommen ist. Wie heißt doch der
Titel der Bearbeitung der Adelphen? Ich erinnere mich ihrer aus den
frühesten Zeiten her.
Ich verlange recht, Sie wieder zu sehen und in dem
stillen Schlosse zu arbeiten; mein Leben ist, diese vier Wochen her,
ein solches Quodlibet in welchem sich hunderterlei Arten von
Geschäftigkeiten mit hunderterlei Arten von Müßiggang
kreuzen, mein Roman gleicht indessen einem Strickstrumpf, der bei
langsamer Arbeit schmutzig wird. Indessen wird er im Kopfe
überreif, und das ist das Beste.
Von Meyern habe ich einen Brief aus Rom, er ist
glücklich daselbst angelangt und sitzt nun freilich im Rohre; aber
er beschwert sich bitterlich über die andern Gesellen, die auch da
sitzen, Pfeifen schneiden und ihm die Ohren voll dudeln. Deutschland
kann sich nicht entlaufen und wenn es nach Rom liefe, überall wird
es von der Platitude begleitet wie der Engländer von seinem
Theekessel. Er hofft bald von sich und Hirt etwas für die Horen zu
schicken.
Hierbei ein Brief von Obereit, der in seiner Art
wieder recht merkwürdig ist; ich will sehen, daß ich dem
armen alten Mann etwas von unsern Herrschaften herausbettle.
Leben Sie recht wohl und behalten mich lieb.
Goethe
152 An
Goethe [139]
[Jena, den 30. Dezember 1795]
Hier ein Exemplar des Almanachs für den ersten
Hunger. Humboldt sendet mir heute deren drei aus Berlin. Von dem
Buchhändler selbst ist noch nichts angekommen; um uns schöne
Exemplare zu geben, läßt er uns vielleicht noch Wochen lang
darauf warten.
Salve zum neuen Jahr!
Mittwoch abends