Nur so viel will ich in der
Kürze melden: daß endlich die Möglichkeit erscheint,
mich von hier los zu machen, und daß ich morgen, zwischen drei
und vier, bei Ihnen einzutreffen hoffe. Ich freue mich sehr, Sie
wiederzusehen.
Weimar, den 2. Januar 1796
Goethe
153 An
Goethe [141]
[Jena, den 17. Jan. 1796]
Hier folgen vier Almanache und sechsundsechzig
Xenien. Ehe Sie Weimar erreichen, werden mit denen, die Sie schon
fertig haben, nah an achtzig daraus werden. Reisen Sie glücklich,
unsre guten Wünsche sind mit Ihnen.
Schiller
153-154 An
Goethe [142]
Jena, den 18. Januar 1796
Wir haben dem armen Tiere, dem Michaelis, doch
Unrecht getan. Die neulich überschickten zehn Exemplare waren nur
für die Mitarbeiter ad extra
bestimmt; heute ist erst das eigentliche Paket, welches die Exemplarien
für Sie, Herdern und mich enthält, angelangt, und dieses ist
zwölf Tage über die Zeit unterwegs geblieben. Ich sende Ihnen
daher hier noch drei Exemplare auf Atlas *). Die noch restierenden
Bogen von den Epigrammen verschreibe ich mit der heutigen Post. Sollten
Sie eins von den schlechtern Exemplarien überflüssig haben,
so kann ich es bei dem Buchhändler wieder anbringen. Leben Sie
recht wohl.
Schiller
D i
e G e s u n d b r u n n e n z u N.
N.
Seltsames Land! Hier haben die Bäche Geschmack und die Quellen;
Bei den Bewohnern allein hab' ich noch keinen
verspürt.
*) Zwei Kalender bringt das Botenmädchen. Die
Post nahm sie nicht an.
154 An
Schiller [143]
Vielen Dank
für die schönen Exemplare; hier kommt ein geringeres
zurück. Jedermann spricht gut von dem Almanach. Es ist eine
allgemeine Nachfrage darnach.
Die Epigramme sind noch nicht abgeschrieben, auch
fürchte ich, Sie werden mir so vorauslaufen daß ich Sie
nicht einholen kann. Die nächsten vierzehn Tage seh' ich wie schon
verschwunden an. Die neue Oper wird uns noch viel zu schaffen machen,
es wird aber auch ein lustiges und erbauliches Werk. Leben Sie recht
wohl und haben noch tausend Dank für alles Gute und Liebe. Sobald
als möglich besuche ich Sie wieder.
Weimar, den 20. Januar 1796
Goethe
154-155 An
Goethe [144]
Jena, den 22. Januar 1796
Hier eine kleine Lieferung von Epigrammen. Was Ihnen
darunter nicht gefällt, lassen Sie nur gar nicht abschreiben. Es
geht mit diesen kleinen Späßen doch nicht so rasch, als man
glauben sollte, da man keine S u i t e von Gedanken
und Gefühlen dazu benutzen kann, wie bei einer längeren
Arbeit. Sie wollen sich ihr urprüngliches Recht als G
l ü c k l i c h e E i n f ä l l e nicht
nehmen lassen. Ich zweifle deswegen, ob ich, bei meinem
Müßiggange, Ihnen so weit vorkommen werde, als Sie denken,
denn in die Länge geht es doch nicht, ich muß mich zu
größern Sachen entschließen, und die Epigramme auf den
Augenblick ankommen lassen. Doch soll kein Posttag leer sein, und so
rücken wir doch in vier, fünf Monaten weit genug vor.
Ihre Epigramme im Almanach machen großes
Glück, wie ich immer aufs neu in Erfahrung bringe, und bei Leuten,
von deren Urteil man keine Schande hat. Daß der Almanach in
Weimar neben den Emigrierten und den Hundsposttagen noch aufkommen
kann, ist mir sehr tröstlich zu vernehmen.
Darf ich Sie mit einem kleinen Auftrage
belästigen? Ich wünschte dreiundsechzig Ellen Tapeten von
schöner grüner Farbe und zweiundsechzig Ellen Einfassung,
welche ich ganz Ihrem Geschmack und Ihrer Farbentheorie überlasse.
Wollten Sie Herrn Gerning darnach schicken, und allenfalls Ordre geben,
daß ich sie in sechs bis acht Tagen haben kann?
Leben Sie recht wohl. Meine Frau grüßt.
Schiller
A n e i n e n g e w i s s e
n m o r a l i s c h e n D i c h t e r.
Ja, der Mensch ist ein elender Wicht, ich weiß — doch das wollt'
ich
Eben vergessen und kam, ach wie gereut mich's! zu
dir.
J a k o b d e r K a n t i a
n e r.
Kantische Worte sollte der hohle Schädel nicht fassen?
S i e h t m a n in hohler
Nuß d o c h d e n K a l e n d e
r v e r s t e c k t.
155-156 An
Schiller [145]
Die
nächsten acht Tage werde ich ein sehr buntes Leben führen.
Heute kommt die Darmstädter Herrschaft, morgen ist Cour, Diner,
Konzert, Souper und Redoute. Montag Don Juan. Die übrige Woche
geht auf Proben hin, denn den 30. sind die A d v o k a t e
n von Iffland und den 2. d i e n e u
e O p e r. Dann will ich aber auch mich wieder
sobald als möglich sammeln und sehen, was ich leisten kann. Das
achte Buch erscheint mir indessen oft zwischen allen diesen fremden
Gestalten durch, und ich hoffe, es soll sich nun bei der ersten
Gelegenheit auch fertig machen.
In den letzten Epigrammen, die Sie mir senden, ist
ein herrlicher Humor, und ich werde sie deshalb alle abschreiben
lassen; was am Ende nicht in der Gesellschaft bleiben kann, wird sich
wie ein fremder Körper schon separieren.
Die verlangten Papiertapeten, sowie die
Bordüren sind hier, fertig, nicht zu haben; ich schicke hier
Muster von beiden aus Frankfurt. Das Stück Tapete ist eine Elle
breit, und hält zwanzig Ellen. Sie müßten also zu 63
Ellen 4 Stücke nehmen und behielten so viel übrig. Das
Stück kostete vor einem Jahre 1 Gulden 20 Kreuzer. Von der
beikommenden Bordüre hält das Stück 40 Ellen und kostet
3½ Gulden, Sie brauchten also davon 2 Stück. Sie steht auf
Grün sehr gut, wollte man sie lebhafter haben, so gibt es auch
schöne Rosenbordüren von derselben Breite. Wenn Sie mir die
Muster geschwind zurückschicken, so könnte ich Montag abends
nach Frankfurt schreiben, und Sie würden das Verlangte doch
ziemlich bald erhalten. Mehr Umstände macht es, wenn man hier die
Papiere wollte färben lassen, besonders da Eckebrecht
gegenwärtig sehr mit den Dekorationen beschäftigt ist.
Leben Sie recht wohl und genießen des
schönen Wetters.
Den 23. Januar 1796
Goethe
156-157 An
Goethe [146]
Jena, den 24. Januar 1796
Für einen Schriftsteller, der mit der
Katastrophe eines Romans, mit tausend Epigrammen und zwei
weitläuftigen Erzählungen aus Italien und China
beschäftigt ist, haben Sie diese nächsten zehn Tage ganz
leidliche Zerstreuungen. Aber was Ihnen die Zeit nimmt, gibt sie Ihnen
dafür wieder an Stoff, und am Ende sind Sie weiter gekommen als
ich, der seine Gegenstände aus den Nägeln saugen muß.
Heute indessen habe ich auch eine Zerstreuung, denn Charlotte Kalb wird
hier sein.
Es tut mir leid, daß meine
Tapeten-Angelegenheit Ihnen mehr als ein paar Worte kosten soll. Da Sie
indessen so gütig sein wollen, diese Verzierung an meinem
Horizonte zu besorgen, so bitte ich Sie, mir 4 Stücke von der
grünen Tapete und 2 von Rosa-Bordüren (wenn diese auch 40
Ellen halten) aus Frankfurt kommen zu lassen. Ich ziehe die
Rosa-Bordüren der Lebhaftigkeit wegen dem beiliegenden Muster vor.
Woltmann war gestern drei Stunden lang allein bei
mir, und ich habe es glücklich durchgesetzt, daß von den
zwei Theaterstücken keine Silbe gesprochen wurde. Er war
übrigens sehr artig und sehr freigebig an Lob über Ihre und
meine Arbeiten — ohne doch ein Fünkchen Barmherzigkeit bei mir,
seines Stücks wegen, zu erwecken.
Leben Sie recht wohl. Hier wieder einige Xenien,
daß die Observanz nicht verletzt wird.
Schiller
157-158 An
Schiller [147]
Mit der
ganzen Sammlung unserer kleinen Gedichte bin ich noch nicht zustande;
hier kommt einstweilen mein Beitrag von dieser Woche. Wenn wir unsere
vorgesetzte Zahl ausfüllen wollen, so werden wir noch einige
unserer nächsten Angelegenheiten behandeln müssen, denn wo
das Herz voll ist, geht der Mund über, und dann ist es eine
herrliche Gelegenheit die Sachen aus der Studierstube und
Rezensentenwelt in das weitere Publikum hinaus zu spielen, wo dann
einer oder der andere gewiß Feuer fängt, der sonst die Sache
hätte vor sich vorbeistreichen lassen.
Mir fangen diese Tage nun an recht bunt zu werden;
man übernimmt immer mehr, als man ausführen kann. Leben Sie
wohl und grüßen Sie Ihre liebe Frau.
Weimar, den 27. Januar 1796
Goethe
158 An
Goethe [148]
[Jena, den 27. Januar 1796]
Sie haben mich mit dem reichen Vorrat von Xenien,
den Sie geschickt haben, recht angenehm überrascht. Die den Newton
betreffen, werden Sie zwar, auch durch den Stoff, kenntlich machen,
aber bei dieser gelehrten Streitsache, die niemand Lebenden namentlich
betrifft, hat dieses auch nichts zu sagen. Die angestrichenen haben uns
am meisten erfreut.
Denken Sie darauf, Reichardten, unsern soi-disant Freund, mit einigen
Xenien zu beehren. Ich lese eben eine Rezension der Horen in seinem
Journal Deutschland, welches Unger ediert, wo er sich über die
Unterhaltungen und auch noch andre Aufsätze schrecklich
emanzipiert hat. Der Aufsatz von Fichte und Woltmann sind beide in
einem weitläuftigen Auszug mitgeteilt und als musterhaft
aufgestellt. Das fünfte Stück (das schlechteste von allen)
ist als das i n t e r e s s a n t e s t e
vorgestellt, Voßens Gedichte, der Rhodische Genius von Humboldt
sehr herausgestrichen und was des Zeuges mehr ist. Es ist durchaus mit
einem nicht genug verhehlten Ingrimm geschrieben. Als das wichtigste
Werk der neuern deutschen Literatur wird Heinses musikalischer Roman
weitläuftig, doch hab' ich nicht gelesen wie? beurteilt.
Wir müssen Reichardt, der uns so ohne allen
Grund und Schonung angreift, auch in den Horen, bitter verfolgen.
Hier wieder einige Pfähle ins Fleisch unserer
Kollegen. Wählen Sie darunter, was Ihnen ansteht.
Leben Sie recht wohl. Meine Frau empfiehlt sich aufs
beste.
Schiller
159-160 An
Schiller [149]
Der erste
Akt wäre
überstanden! ein Aufzug, den ich zur gestrigen Redoute arrangieren
half; es ging alles gut ab, obgleich der Saal übermäßig
voll war. Da man jetzt bloß in Distichen spricht, so mußte
der türkische Hof selbst sein Kompliment an die Herzogin in dieser
Versart darbringen, wie Sie aus der Beilage sehen werden. Eine andere
Gesellschaft hatte einen Zug von gemischten Masken aufgeführt,
unter welchen sich ein paar Irrlichter sehr zu ihrem Vorteil
ausnahmen; sie waren sehr artig gemacht und streuten, indem sie sich
drehten und schüttelten, Goldblättchen und Gedichte aus.
Die Disticha nehmen täglich zu, sie steigen
nunmehr
gegen zweihundert. Ich lege das neuste Modejournal bei wegen der
Abhandlung pag. 18 über
die X e n i e n. Der Verfasser denkt wohl nicht,
daß ihm auch eins fürs nächste Jahr zubereitet werde.
Wie arm und ungeschickt doch im Grund diese Menschen sind! nur zwei
solcher Gedichtchen, und noch dazu so schlecht übersetzt, zur
Probe zu geben! Es ist aber, als wenn alles Geistreiche diesen
feuerfarbnen Einband flöhe.
Ich habe die Abhandlung Cellini's über die
Goldschmieds- und Bildhauerarbeit von Göttingen erhalten; da ich
ihn nun doch geschwind lesen und ausziehen muß, so wird die
kleine Biographie wahrscheinlich dadurch gefördert werden. Leben
Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau.
Fast hätte ich das Beste vergessen. Ich habe
einen
gar schönen und guten Brief von Meyer erhalten, der seinen Zustand
recht deutlich darstellt. Seine unwiderstehliche Neigung,
gründlich
zu sein und etwas Ausführliches zu arbeiten, kommt bei der
ungeheuern Menge von Gegenständen, die er beschreibt und
beurteilt, und bei dem Reize anderer, wie er nachbilden möchte,
sehr ins Gedränge. Er fragt mich um Rat, und ich werde ihn an
seinen Genius zurückweisen.
In einem Brief an die Herzogin Mutter steht eine
lustige
Stelle über die Künstler, welche jetzt Kantische Ideen in
allegorischen Bildern darstellen. Wenn es nicht bloß Persiflage
ist, so haben wir da die tollste Erscheinung, die vor dem
jüngsten Tage der Kunst vorhergehen kann.
Aus Ihrem Briefe seh' ich erst, daß die
Monatschriften Deutschland und Frankreich Einen Verfasser haben. Hat er
sich emanzipieret, so soll er dagegen mit Karnevals-Gips-Drageen auf
seinen Büffelrock begrüßt werden, daß man ihn
für einen Perückenmacher halten soll. Wir kennen diesen
falschen Freund schon lange und haben ihm bloß seine allgemeinen
Unarten nachgesehen, weil er seinen besondern Tribut
regelmäßig abtrug; sobald er aber Miene macht, diesen zu
versagen, so wollen wir ihm gleich einen Bassa von drei brennenden
Fuchsschwänzen zuschicken. Ein Dutzend Disticha sind ihm schon
gewidmet, welche künftigen Mittwoch, geliebt es Gott, anlangen
werden. Indessen nochmals ein Lebewohl.
Weimar, den 30. Januar 1796
Goethe
160-161 An
Goethe [150]
Jena, den 31. Januar 1796
Ich wünsche Glück zu dem erwünschten
Ausgang der Festivität, die sich ganz artig und lieblich mag
ausgenommen haben. Die Irrlichter haben mich besonders gefreut.
Meyers Briefe bringen Sie wohl mit, wenn Sie
herkommen. Ich bin sehr erwartend, wie es sich nach und nach in ihm
klären und präzipitieren wird. Da die Nachricht von den
Kantischen Konfigurationen nur in dem Briefe an die Herzogin vorkommt,
so ist sie hoffentlich ein Spaß; eine so köstliche Neuigkeit
würde er wohl Ihnen bestimmter gemeldet haben.
Daß Reichardt der Herausgeber des
J. D e u t s c h l a n d ist, darauf können Sie
sich verlassen; sowie auch darauf, daß er sich (oder doch der
Rezensent, welches uns hier ganz eins ist) gegen die Unterhaltungen
sehr viel herausnimmt, obgleich er Sei bei andern Veranlassungen in der
nämlichen Rezension mit vollen Backen lobt. Das Produkt ist
unendlich miserabel. Heinses Buch, davon ich die Rezension nun
näher angesehen, ist sehr getadelt, welches mich ordentlich
verdrießt, da eine Dummheit weniger zu rügen ist.
Für unsere Xenien haben sich indessen allerlei
Ideen, die aber noch nicht ganz reif sind, bei mir entwickelt. Ich
denke auch, daß, wenn Sie etwa zu Ende dieser Woche kommen, Sie
ein Hundert und darüber bei mir finden sollen. Wir müssen die
guten Freunde in allen erdenklichen Formen verfolgen, und selbst das
poetische Interesse fordert eine solche Varietät innerhalb unsers
strengen Gesetzes, bei einem Monodistichon zu bleiben. Ich habe dieser
Tage den Homer zur Hand genommen und in dem Gericht, das er über
die Freier ergehen läßt, eine prächtige Quelle von
Parodien entdeckt, die auch schon zum Teil ausgeführt sind; ebenso
auch in der Nekyomantie, um die verstorbenen Autoren und hie und da
auch die lebenden zu plagen. Denken Sie auf eine Introduktion Newtons
in der Unterwelt — Wir müssen auch hierin unsere Arbeiten
ineinander verschränken.
Beim Schlusse, denke ich, geben wir noch eine
Komödie in Epigrammen. Was meinen Sie?
Meine Frau grüßt Sie schönstens.
Kommen Sie nur recht bald.
Schiller
161-162 An
Schiller [151]
Die erste
Abschrift der Xenien ist endlich fertig geworden, und ich schicke sie
sogleich, um so mehr, da ich vor dem 14ten dieses nicht nach Jena
kommen kann. Sie sehen zusammen schon ganz lustig aus; nur wird es ganz
gut sein, wenn wieder einmal eine poetische Ader durch die Sammlung
durchfließt. Meine letzten sind, wie Sie finden werden, ganz
prosaisch, welches, da ihnen keine Anschauung zum Grunde liegt, bei
meiner Art wohl nicht anders sein kann.
Vielleicht schicke ich Ihnen das siebente Buch
meines Romans in kurzer Zeit. Ich arbeite es jetzt nur aus dem Gusse
des Diktierens ins Reine; was weiter daran zu tun ist wird sich finden,
wenn das achte Buch ebenso weit ist und wir das Ganze recht lebhaft und
ernsthaft durchgesprochen haben.
Ich habe diese Tage das Werk des Cellini über
das Mechanische verschiedener Künste von Göttingen erhalten.
Es ist trefflich geschrieben, und sowohl die Vorrede als das Werk
selbst gibt über den wunderbaren Mann schöne
Aufschlüsse. Ich habe mich daher gleich wieder an sein Leben
gemacht, allein die Schwierigkeiten der Behandlung bleiben immer
dieselben. Ich will nur anfangen, einige interessante Stellen zu
übersetzen, und erwarten, was sich weiter macht. An einem Leben
ist ohnedem weiter nichts, nach meiner realistischen Vorstellungsart,
als das Detail, besonders nun gar bei einem Partikulier, wo keine
Resultate zu denken sind, deren Weite und Breite uns allenfalls
imponieren könnten, und bei einem Künstler, dessen Werke, die
bleibenden Wirkungen seines Daseins, nicht vor unsern Augen stehen.
Vielleicht bringe ich noch, ehe ich zu Ihnen komme, ein hübsches
Pensum zusammen, und es wird sich alsdann näher ergeben, was zu
tun ist.
Wie kommt es, daß das neue Stück der
Horen so lange außen bleibt?
Die erste Repräsentation der neuen Oper ist
glücklich vorbei, und wir haben den Beifall der Masse; sie nimmt
sich auch wirklich zusammen recht artig aus. Die Musik ist nicht tief,
aber angenehm; die Kleider und Dekorationen taten gute Wirkung. Ich
werde Ihnen ehestertags das Buch schicken, damit Sie doch sehen, was
das deutsche Theater für einen wunderlichen und erzdeutschen Gang
nimmt. Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau. Ich
hoffe bald aus meiner, für den stärksten Realisten zu
starken, Lebensart zu Ihnen in den Hafen zu gelangen.
Weimar, den 4. Februar 1796
Goethe
163-164 An
Goethe [152]
Jena, den 5. Februar
1796
Die Sammlung wächst uns unter den Händen,
daß es eine Lust ist. Es hat mich gefreut, auch mehrere
politische
unter den neuen anzutreffen; denn da wir doch zuverlässig an den
unsichern Orten konfisziert werden, so sähe ich nicht, warum wir
es
nicht auch von dieser Seite verdienen sollten. Sie finden vierzig bis
zweiundvierzig neue von mir; gegen achtzig andre, die zusammen
gehören und in Kleinigkeiten noch nicht ganz fertig sind, behalte
ich noch zurück. Reichardt ist gut rekommandiert, aber er
muß
es noch mehr werden. Man muß ihn auch als Musiker angreifen, weil
es doch auch da nicht so ganz richtig ist, und es ist billig, daß
er auch bis in seine letzte Festung hinein verfolgt wird, da er uns auf
unserem legitimen Boden den Krieg machte.
Daß Sie mit einzelnen Partien aus dem Cellini
anfangen wollen, ist mir sehr lieb zu hören. Das wird Sie am
besten hineinbringen; denn wo es die Sache leidet, halte ich es immer
für besser, nicht mit dem Anfang anzufangen, der immer das
Schwerste und das Leerste ist. Sie schreiben mir nichts, ob ich von
Ihnen etwas für das dritte Horenstück zu hoffen habe.
Dies müßte ich aber freilich binnen drei, vier
Wochen spätestens haben. Jetzt lebe ich noch von dem abscheulichen
Tourville. Von dem Properz wünschte ich binnen acht Tagen die
zweite Lieferung. Herder hat sich auf unbestimmte Zeit von den Horen
dispensiert. Ich weiß nicht, wo diese Kälte herkommt, oder
ob
er wirklich durch eine andere Arbeit abgehalten wird.
Daß die Horen von diesem ersten Monat noch
nicht
hier sind, ist eigentlich meine Schuld, weil mein Aufsatz, der, den Sie
hier lasen, erst vor vier Wochen abging. Drei Wochen gehen auf die Hin-
und Herreise und eine Woche auf den Druck auf. Morgen kommen die
Exemplare gewiß, denn das per Briefpost übermachte habe
ich schon seit dem Montag in Händen. Der neue Druck nimmt sich
besser aus, auch das Papier wird mehr Beifall haben.
Auf das Neue aus dem Meister freue ich mich, wie auf
ein
Fest. Auch ich werde, ehe wir über das Ganze sprechen, mich mit
dem bisherigen noch mehr familiarisieren.
Körner schreibt mir, daß er zu Ende Mais
hieher
zu kommen und vierzehn Tage hier zuzubringen hoffe, worauf ich mich
sehr freue. Gewiß wird sein Hiersein auch Ihnen Vergnügen
machen. Da auch Schlegel dieses Frühjahr kommt, und vermutlich
auch Funk einen Monat hier zubringt, so wird es ziemlich lebhaft bei
mir werden.
An Knebeln will ich mit dem Horenexemplare, das ich
an
Sie beilegen werde, abschläglich 15 Louisdors senden. Da der
Properz nicht soviel Bogen füllt, als ich anfangs dachte, so wird
diese Summe, die über die Hälfte des ganzen Honorars
beträgt, schon anständig genug sein.
Leben Sie recht wohl. Meine Frau grüßt
schönstens.
Schiller
164-165 An
Goethe [153]
Den 7. Februar
Hier endlich die neuverjüngte Hore des 1796sten
Jahrs. Sie nimmt sich munterer und ungleich moderner aus als die alte,
und mich verdrießt, daß wir nicht gleich anfangs so klug
gewesen sind.
Für dieses erste Jahr werden die Autoren bei
dem weiten Druck noch nichts gewinnen, weil Cotta bei Abschaffung der
alten Schrift, bei dem neuen Papier und dem Umschlag neue Kosten
gehabt. Es wird also für dieses Jahr, wie er sich ausgebeten, so
viel von dem Honorar abgezogen, als das Verhältnis zu dem alten
Drucke beträgt.
Daß die Abbestellungen beträchtlich sein
mochten, ersehe ich sowohl aus dem k l e i n e r e n
Paket, welches an die hiesigen Buchhandlungen an mich eingeschlossen
worden, als auch daraus, daß die hiesige sächsische Post von
vier Exemplarien zwei abbestellte. Wir wollen hoffen, daß dieses
Verhältnis nicht durch ganz Deutschland geht. Cottas Klagen sind
sehr mäßig, und man spürt ihm noch gute Hoffnung an.
Hiebei an Knebeln eine Hore nebst 15 Louisdors, ein
Exemplar an den Herzog und sechs für Sie. Beilage an Herdern bitte
besorgen zu lassen.
Kennen Sie einen Medailleur Abramson in Berlin, und
haben Sie etwas von seinen Arbeiten gesehen? Er schreibt an mich,
meiner Zeichnung wegen, um eine Medaille zu machen. Ich möchte
aber doch wissen, was an ihm ist.
Hier einige Dutzend neue Xenien, die seit heut und
gestern in einem Raptus entstanden. Lassen Sie das wandernde Exemplar
bald reich ausgestattet wieder zu mir gelangen.
Leben Sie recht wohl.
Schiller
165-166 An
Schiller [154]
Nachdem uns
die Redoute eine
Nacht weggenommen, und wir ziemlich spät aufgestanden sind, will
ich, um das angekommene Paket nicht aufzuhalten, nur mit wenig Worten
anzeigen, daß die Horen in ihrem neuen Gewande und etwas
modernerm Putze, der sie recht gut kleidet, nebst dem beiliegenden
Gelde bei mir angekommen sind. Die Elegien hoff' ich auf den Sonnabend,
wenngleich nicht abgeschrieben, zu schicken, und denke den Montag
darauf selbst zu kommen, wo wir denn unsere Zustände und
Pläne
durchdenken und durchsprechen werden. Leben Sie recht wohl. Den
Beschluß der Abhandlung über die naiven und
sentimentalischen Dichter und Menschen habe ich mit großem
Vergnügen wieder gelesen; auch höre ich von auswärts,
daß die ersten Abschnitte sehr gut aufgenommen sind. Es kommt nur
jetzt darauf an, immer dieselbe Stelle zu treffen, und die Wirkung wird
wohl nicht ausbleiben.
Weimar, den 10. Februar 1796
Goethe
Die Bordüren, hoff' ich, werden Ihnen gefallen,
nur
muß man acht haben, daß sie nicht falsch aufgeklebt werden;
sie haben zweierlei Lichtseiten, um sie rechts und links gegen die
Fenster wenden zu können, auch ist zu bemerken, daß die
Bouquets f a l l e n. Die Leute geben nicht immer
acht auf diese Hauptpunkte,
sie haben mir in meinem Hause eine solche Bordüre ganz falsch
aufgeklebt, deswegen ich dieses zur Warnung melde. Ich will das
Paket auch von hier frankieren und den Betrag zusammen notieren.
166-167 An
Schiller [155]
Wenn Sie
nur die versprochenen Elegien nicht so notwendig brauchten! denn ich
weiß nicht, wie ich damit einhalten soll. Schon seit acht Tagen
bin ich darüber und mit Knebel in Konferenz; dadurch ist die
Abschrift wieder unrein geworden und muß noch einmal gemacht
werden. Wenn es möglich wäre, noch acht Tage Aufschub zu
geben, so sollte alles in der Ordnung sein. Ich leide noch immer
unsäglich am Karneval, und durch die abermalige Ankunft von
fremden Prinzen werden unsere Theater- und Tanzlustbarkeiten
verrückt und gehäuft.
Da ich zum dritten Stücke noch nichts zu
liefern weiß, habe ich meine alten Papiere durchgesehen und darin
wunderliches Zeug, aber meist Individuelles und Momentanes, gefunden,
daß es nicht zu brauchen ist. Um wenigstens meinen guten Willen
zu zeigen, schicke ich hier eine sehr subjektive Schweizerreise.
Urteilen Sie, inwiefern etwas zu brauchen ist; vielleicht wenn man noch
irgend ein leidenschaftliches Märchen dazu erfände, so
könnte es gehen. Die Gegenden sind hundertmal betreten und
beschrieben, doch betritt man sie wieder und liest die Beschreibungen
noch einmal. Sagen Sie mir Ihre Gedanken darüber. Es versteht sich
von selbst, daß alles, was die Personen bezeichnet,
müßte vertilgt werden.
Leben Sie recht wohl! Mit großer Sehnsucht
hoff' ich auf den Augenblick Sie wieder zu sehen.
Meyer hat wieder geschrieben; er negociiert, die
Aldobrandinische Hochzeit kopieren zu dürfen. Wie sehr
wünschte ich dieses herrliche Werk in unserm Besitz zu sehen. Die
Nachricht von den Kantischen Gemälden ist wahr; es steht auch
schon eine Nachricht im Merkur, die ich aber leider übersehen habe.
Weimar, den 12. Februar 1796
Goethe
167-168 An
Goethe [156]
Jena, den 12. Februar 1796
Den schönsten Dank für die Mühe, die
Sie mit den Tapeten usw. übernommen haben. Die Borduren werden
sehr gut aussehen. Ich freue mich auf die schönern Wände, die
mich nun umgeben werden.
Diese Woche habe ich wieder viel schlaflose
Nächte gehabt und sehr an Krämpfen gelitten. Es ist noch
nicht besser, daher ich auch mit meinen Arbeiten nicht vorwärts
gekommen bin, und wahrscheinlich haben Sie mich jetzt in den Xenien
überholt. Hätte ich meine Zeit nur wenigstens auf eine
lustigere Art verloren.
Humboldt wird Ihnen morgen wahrscheinlich selbst
schreiben. Mir schrieb er kürzlich, daß jetzt kein Kaviar zu
schicken sei.
Haben Sie doch die Güte, wenn Sie hieher
kommen, 1) einige Mondlandschaften und 2) die Komödiensammlung der
letztern Jahre mitzubringen.
Ich habe vorige Messe ein Buch herausgegeben, das
ich gestern angefangen habe zu lesen. Es ist ein neuer Teil der Mémoires, Brantomes
Charakteristiken enthaltend, die manchmal recht naiv sind, und die zwar
den Gegenstand sehr schlecht, ihn selbst aber desto besser
charakterisieren.
Diese Sammlung läuft noch immer unter meinem
Namen, obgleich ich mich öffentlich davon losgesagt. Dies
gehört auch zu den Germanismen.
Leben Sie recht wohl. Ich freue mich von Herzen auf
Ihre Ankunft.
Schiller
168-169 An
Schiller [157]
Da ich doch
nicht wissen kann,
ob Sie nicht die Elegien nötig brauchen, so will ich sie lieber
heute schicken, obgleich nur drei davon abgeschrieben sind. Die
übrigen sind lesbar, und Sie würden nicht gehindert sein.
Können und wollen Sie solche aufheben, bis ich hinüber komme,
so läßt sich vielleicht über eins und das andere noch
sprechen.
Für die überschickten 15 Louisdor dankt
der
Autor aufs beste.
Der Medailleur Abramson in Berlin ist geschickt;
wenn Sie
ihm gönnen wollen, daß er Ihre Medaille macht, so würde
ich raten, sich von unserm Klauer en
médaillon erst bossieren zu lassen
und einen Gipsabguß nach Berlin zu schicken; hiernach kann er
besser arbeiten als nach irgend einer Zeichnung, und wer sollte die
bei uns auch machen? Schade daß Meyer nicht da ist, so
könnte man auch gleich etwas Vernünftiges zur Gegenseite
erfinden. Der Medailleur müßte Klauern bezahlen.
Bei dem Briefe vom 7. Februar sollen ein Dutzend
Xenien
liegen, ich habe sie aber nicht gefunden, ob ich gleich die
beiliegenden Horenexemplare auf das sorgfältigste
durchgeblättert habe. Leider hat mich auch in diesen Tagen weder
etwas Xenialisches noch Genialisches angewandelt; ich hoffe mehr als
jemals auf eine Ortveränderung, um zu mir selbst zu kommen; leider
weiß ich noch nicht, ob ich Montags kommen kann.
Es ist mir herzlich leid, daß Sie wieder so
viel
gelitten haben, und daß Ihre Einsamkeit Ihnen nicht zu gute
kommt,
indes mich die Zerstreuung von einer wünschenswerten
Tätigkeit abhält. Ich freue mich auch, wieder einmal einige
Worte von Humboldt zu hören; er hat wohlgetan, bei diesem weichen
Wetter keinen Kaviar zu schicken.
Vielleicht könnte man aus der Schweizerreise,
die ich
Ihnen gestern schickte, die einzelnen ausführlichen Tableaus, zum
Beispiel das Münstertal, die Aussicht vom Jura pp. herausziehen
und ohne Zusammenhang hinstellen. Doch das werden Sie am besten
beurteilen; ich hatte nicht Zeit die Hefte, die ich Ihnen schickte,
durchzulesen, und kann über ihren Wert und Unwert nicht urteilen.
Meyer hat wieder geschrieben; wahrscheinlich ist er
jetzt
über der Aldobrandinischen Hochzeit. Er hat die Art, die Antiken
zu beobachten, die er in Dresden angefangen hatte, fortgesetzt; er
schreibt: Nun kommt es auf zarte Bemerkungen an: der Zeichnung der
Augen, der Art, wie die Linien sich schwingen und sich begegnen, wie
der Mund gezeichnet und gearbeitet ist, wie die Haare angesetzt sind,
was für Kenntnisse der Künstler gehabt, welcher Theorie er
gefolgt sei.
Er hofft, auch dem Raffael noch eine neue Seite
abzugewinnen.
Weimar, den 13. Februar 1796
Goethe
169-170 An
Goethe [158]
[Jena, Anfang März 1796]
Daß
Sie den Abend nicht kommen können, beklag' ich. Ich befinde mich
ganz erträglich, und wir hätten allerlei durchschwatzen
können.
Eben ist Niethammer da; wir debattieren über
den Begriff des Rechts, und da wird zuweilen ordentlich vernünftig
gesprochen.
Auch die kleine Tänzerin vom letzten Ball ist
da.
Leben Sie recht wohl. Morgen Abend kommen Sie doch
desto zeitiger?
Schiller
170 An
Goethe [159]
Jena, den 18. März 1796
Seit Ihrer Abwesenheit ist es mir noch immer ganz
erträglich gegangen, und ich will recht wohl zufrieden sein, wenn
es in Weimar nur so kontinuiert. Ich habe an meinen Wallenstein
gedacht, sonst aber nichts gearbeitet. Einige Xenien hoffe ich vor der
merkwürdigen Konstellation noch zustande zu bringen.
Die Zurüstungen zu einem so verwickelten
Ganzen, wie ein Drama ist, setzen das Gemüt doch in eine gar
sonderbare Bewegung. Schon die allererste Operation, eine gewisse
Methode für das Geschäft zu suchen, um nicht zwecklos
herumzutappen, ist keine Kleinigkeit. Jetzt bin ich erst an dem
Knochengebäude, und ich finde, daß von diesem, ebenso wie in
der menschlichen Struktur, auch in dieser dramatischen alles
abhängt. Ich möchte wissen, wie Sie in solchen Fällen zu
Werk gegangen sind. Bei mir ist die Empfindung anfangs ohne bestimmten
und klaren Gegenstand; dieser bildet sich erst später. Eine
gewisse musikalische Gemütsstimmung geht vorher, und auf diese
folgt bei mir erst die poetische Idee.
Nach einem Brief von Charlotte Kalb hatten wir heute
Herdern hier zu erwarten. Ich habe aber nichts von ihm gesehen.
Leben Sie recht wohl. Hier Cellini, der vorgestern
vergessen wurde. Meine Frau grüßt bestens.
Schiller
170-171 An
Schiller [160]
Cellini
wartet hier auf. Ehe Sie zurückkommen, hoffe ich, einen guten
Anfang zu der folgenden Lieferung gemacht zu haben.
Auch liegt die Anzeige zu Egmont bei, wozu ich nach
Standesgebühr die Titulaturen zu setzen bitte. Ich wünsche
das Blatt durch den Boten wieder zurück zu erhalten.
Die guten Wirkungen unserer vierwöchentlichen
Abenteuer werden wir erst nach einiger Zeit der Ruhe und Sammlung
empfinden.
Leben Sie recht wohl, und haben Sie nochmals Dank
für den treuen Beistand.
Weimar, den 21. April 1796
Goethe
171 An
Goethe [161]
Jena, den 21. April 1796
Den schönsten Dank für die prompte
Übersendung des Cellini.
Das Personenverzeichnis von Egmont folgt hier
spezifiziert und tituliert zurück.
Wir sind gestern recht wohl hier angelangt, aber mit
der halben Seele bin ich noch immer in Weimar. Wie gut der dortige
Aufenthalt im Physischen und Moralischen auf mich gewirkt, fühlte
ich schon unmittelbar, und es wird sich gewiß in Tat und Wirkung
beweisen. Leben Sie recht wohl. Meine Frau empfiehlt sich aufs beste.
Montag abends, noch voll und trunken von der Repräsentation des
Egmont, sehen wir uns wieder.
Schiller
Der Überbringer bringt zugleich einige
Kofferstränge, die wir von Ihnen mitgenommen.
171-172 An
Schiller [162]
Ich will
mich heute abend und vielleicht morgen den ganzen Tag in der
künstlichen Wüste halten, um zu sehen, wie es geht, und ob
ich vielleicht in Ihrer Nähe bleiben kann, welches ich so sehr
wünschte. Grüßen Sie die Freunde schönstens.
Könnte Körner nicht bald nach Dresden schreiben und die
Viktoria kommen lassen? Er könnte den Besitzer ersuchen, den
genauesten Preis anzuzeigen, und zusichern, daß er entweder die
Statue oder das Geld selbst mit zurückbringen wolle. Nur wäre
zu bitten, daß sie recht gut eingepackt würde. Leben Sie
recht wohl.
[Jena, Anfang Mai 1796]
Goethe
172 An
Schiller [163]
Ich werde durch
einen Boten nach Weimar berufen und gehe sogleich dahin ab. Heute abend
bin ich wieder da und sehe Sie morgen. Diese Fahrt mache ich gern nach
unserer gestrigen Lektüre, denn wie sehr diese mich vorwärts
gebracht hat, ist nicht auszudrücken. Schicken sie doch das
Manuskript mit diesem Billet an die kleine Frau, wir wollen hoffen,
daß diese Erweiterung des Publici uns auch etwas fördern
werde. Hier einige Xenien und tausend Dank für alles Gute. Viel
Grüße der Frauen. August freut sich auf Karlen.
[Jena, den 20. Mai 1796]
Goethe
172-173 An
Schiller [164]
Eine nicht hält mich
zurück, gar zwei sind's, die mir gebieten.
Die schöne Übung in Distichen wird uns,
wie ich hoffe, endlich dahin führen, daß wir uns in
einzelnen Hexametern bedeutend ausdrücken. Lassen Sie mich fragen:
wann Sie Ihre Villeggiatur antreten? und ob ich Sie heute nach Tische
zu Hause antreffe? Ich bitte um den Glaskubus und das große hohle
Prisma.
Der Roman rückt gut von der Stelle. Ich befinde
mich in einer wahrhaft poetischen Stimmung, denn ich weiß in mehr
als einem Sinne nicht recht, was ich will noch soll.
So geht es auch mit meiner Rückkehr nach
Weimar. Zur nächsten Lieferung Cellini habe ich einen Stammbaum
der Medicis aufgesetzt, insofern sie in dieser Lebensbeschreibung
genannt werden.
Was macht das Frauchen? Leben Sie recht wohl und
lieben mich. Auf Hero und Leander habe ich große Hoffnung, wenn
mir nur der Schatz nicht wieder versinkt.
[Jena, Ende Mai
1796]
Goethe
173 An
Goethe [165]
Jena, den 10. Juni
1796
Mögen Sie jetzt wieder in Ruhe sein und die
Arbeit
gut von statten gehen. Ich bin recht verlangend nach der
Ausführung Ihrer vielfachen Ideen und erwarte recht bald etwas
davon. Um die Abschrift der zwei fertigen Stücke bitte ich
nochmals. Auch erinnere ich Sie an den Brief, den Sie Zeltern in Berlin
schreiben wollen, und worin ich nur in zwei Worten unsers Almanachs zu
gedenken bitte. Ich werde, wenn Sie es vorbereitet, alsdann auch an ihn
schreiben und ihm etwas zu komponieren schicken.
Hier sende ich Ihnen einige Schriftproben für
den
Druck des Almanachs. Ich habe dazu mein neuestes Gedicht gewählt,
dem ich eine gute Aufnahme wünsche.
Die Proben sehen noch nach nichts aus, weil sie nur
roh
sind abgezogen worden, aber ich wünschte zu wissen, welche Schrift
Sie vorziehen. *)
Hier folgen auch die Zeichnungen von Hirt, nebst dem
Manuskript des Meisters.
Meine Frau grüßt aufs schönste.
Zwieback
soll nach Verlangen geliefert werden.
Leben Sie recht wohl.
Schiller
*) Die Proben folgen auf den Montag. Göpferdt
ist nicht ganz
fertig geworden.
174 An
Schiller [166]
Nachdem ich
glücklich in Weimar angekommen bin, habe ich mich sogleich dem
strengsten Fleiß ergeben; Cellini, und ich hoffe der Roman,
sollen bald davon zeugen. Haben Sie die Güte mir das siebente Buch
nächstens zurückzuschicken. Hier folgen die versprochenen
Epigramme; es sind doch dreißig an der Zahl! Leider ist auch hier
der Haß doppelt so stark als die Liebe. Sobald Sie mit der
Zusammenstellung fertig sind, so schicken Sie mir das Ganze ja gleich.
Dadurch wird manches Xenion, das noch unvollendet da liegt, gewiß
völlig fertig, und zu neuen gibt es wieder Anlaß.
Das eine, der G e f ä h r l i c h
e, habe ich nach Ihrer Idee gemacht; vielleicht nehmen Sie die
Veränderung auf. Überhaupt wird mich beim Durchgehen der
übrigen im allgemeinen der Gedanke leiten, daß wir bei aller
Bitterkeit uns vor kriminellen Inkulpationen hüten.
Die Idylle und noch sonst irgend ein Gedicht sollen
bald auch kommen. Ich genieße nun in meinem Hause den
völligsten Urlaub und erfreue mich über die ungeheuern Pensa,
die ich vor mir sehe. Haben Sie nochmals Dank für alles Gute.
Leben Sie recht wohl und lassen mir ja von sich und von den Ihrigen
bald etwas hören.
Weimar, den 10. Juni 1796
Goethe
Der Roman ist heute früh angekommen; in wenig
Tagen hören Sie und erhalten Sie mehr. Die Zeichnungen zu Hirts
Manuskript lagen nicht bei; es war, wie es scheint, eine
Göpferdtsche Papierprobe.
174-175 An
Goethe [167]
Jena, den 12. Juni 1796
Die gestern überschickten Xenien haben uns viel
Freude gemacht, und so überwiegend auch der Haß daran teil
hat, so lieblich ist das Kontingent der Liebe dazu ausgefallen. Ich
will die Musen recht dringend bitten, mir auch einen Beitrag dazu zu
bescheren. Einstweilen nehmen Sie meine Ceres, als die erste poetische
Gabe in diesem Jahre, freundlich auf, und fänden Sie einen
Anstoß darin, so machen Sie mich doch darauf aufmerksam.
Die Xenien hoffe ich Ihnen auf den nächsten
Freitag in Abschrift schicken zu können. Ich bin auch sehr
dafür, daß wir nichts Kriminelles berühren und
überhaupt das Gebiet des frohen Humors so wenig als möglich
verlassen. Sind doch die Musen keine Scharfrichter! Aber schenken
wollen wir den Herren auch nichts.
Körner schreibt, daß die Viktorie
für acht Louisdor erhandelt und also Ihre sei. Er grüßt
Sie mit seinem ganzen Hause aufs schönste.
Leben Sie recht wohl.
Schiller
Herder schreib mir gestern, und sehr
freundschaftlich, schickte mir auch die Humanität. Er verspricht
Beiträge sowohl zu den Horen als zum Almanach.
175-177 An
Schiller [168]
Hier kommt,
mein Bester! eine ziemliche Sendung. Das Stück Cellini ist um
fünf geschriebene Bogen kürzer geworden, die ich
überhaupt auslassen will; sie enthalten die weitere Reise nach
Frankreich und, weil er diesmal keine Arbeit findet, seine
Rückkehr nach Rom. Ich werde davon nur einen kleinen Auszug geben,
und so kann das nächste Stück seine Gefangenschaft in der
Engelsburg enthalten, deren umständliche Erzählung ich auch
abkürzen und etwa wieder vierzehn bis fünfzehn geschriebene
Bogen liefern will.
Zugleich kommt auch die I d y l l e
und die Parodie, nicht weniger die Schriftprobe zurück.
Das Gedicht ist gar schön geraten, die
Gegenwart und die Allegorie, die Einbildungskraft und Empfindung, das
Bedeutende und die Deutung schlingen sich gar schön in einander;
ich wünschte es bald zu besitzen.
Die große Schrift gefällt mir ganz wohl.
Wenn Sie einen Korrektor finden, der vor dem Abdruck nicht allein die
falschen, sondern auch die schlechten, ausgedruckten, ungleichen
Buchstaben ausmerzt, und man sich beim Druck mit der Schwärze und
sonst alle Mühe gibt, so wird kein großer Unterschied gegen
den vorigen Almanach bemerklich werden. Es wäre recht gut wenn Sie
sich auch wegen des Papiers und sonst bald entschieden und sodann
anfangen ließen, zu drucken. Ich will meine kleinen Beiträge
aufs möglichste beschleunigen. Das Gedicht des Cellini auf seine
Gefangenschaft werden Sie und Herr Schlegel beurteilen, ob es der
Mühe einer Übersetzung wert ist. Das Sonett habe ich schon
neulich geschickt; Sie werden es allenfalls an dem bezeichneten Orte
einrücken, so wie ich bitte, die beikommende Sendung Cellini mit
der Feder in der Hand zu lesen; ich habe es nur ein einzigmal
durchgehen können.
Die Kupfer will ich sogleich besorgen. Wenn ich erst
weiß, wer sie macht, und was sie kosten sollen, schreibe ich das
weitere.
Das siebente Buch des Romans geh' ich nochmals durch
und hoffe es Donnerstag abzuschicken. Es fehlt nur ein
äußeres Kompelle, so ist das achte Buch fertig, und dann
können wir uns doch auf manche Weise extendieren. Ich habe einen
Brief von Meyer, der die gegenwärtige Angst und Konfusion in Rom
nicht genug beschreiben kann; er selbst wird nun wohl nach Neapel sein.
Körnern danken Sie recht sehr für die
Bemühung wegen der Viktorie. Das Kunstwerk wird mir immer werter;
es ist wirklich unschätzbar.
Herders zwei neue Bände habe ich auch mit
großem Anteil gelesen. Der siebente besonders scheint mir
vortrefflich gesehen, gedacht und geschrieben; der achte, soviel
Treffliches er enthält, macht einem nicht wohl, und es ist dem
Verfasser auch nicht wohl gewesen, da er ihn schrieb. Eine gewisse
Zurückhaltung, eine gewisse Vorsicht, ein Drehen und Wenden, ein
Ignorieren, ein kärgliches Verteilen von Lob und Tadel macht
besonders das, was er von deutscher Literatur sagt, äußerst
mager. Es kann auch an meiner augenblicklichen Stimmung liegen, mir
kommt aber immer vor, wenn man von Schriften, wie von Handlungen, nicht
mit einer liebevollen Teilnahme, nicht mit einem gewissen parteiischen
Enthusiasmus spricht, so bleibt so wenig daran, das der Rede gar nicht
wert ist. Lust, Freude, Teilnahme an den Dingen ist das einzige Reelle,
und was wieder Realität hervorbringt; alles andere ist eitel und
vereitelt nur.
Weimar, den 14. Juni 1796
Goethe
177 An
Goethe [169]
Jena, den 17. Juni 1796
Die Antwort auf Ihren lieben Brief verschieb' ich
bis Montag und melde Ihnen hiermit bloß, daß wir heut Abend
Voß erwarten, der sich schon durch ein Brieflein angekündigt
hat. Er kann nur Einen Tag bleiben, reist Sonntag mit dem
frühesten wieder fort und kommt nicht nach Weimar.
S i e hätte er sehr gewünscht hier
zu treffen. Es steht also bei Ihnen, ob Sie ihm dieses Vergnügen
machen wollen, wozu wir Sie freundlichst einladen. Er kommt von
Gibichenstein und bringt hoffentlich auch noch Reichardten mit — eine
Szene, worauf ich mich beinahe freute.
Leben Sie recht wohl.
Schiller
Es ist jetzt gleich 10 Uhr abends und Voß ist
noch nicht hier — doch zweifle ich gar nicht, daß er kommt.
178 An
Schiller [170]
Es tut mir
recht leid,
daß ich Voß nicht sehe; gute persönliche
Verhältnisse sollte man ja nicht versäumen, von Zeit zu Zeit
durch die Gegenwart wieder zu erneuern. Leider darf ich mich
gegenwärtig nicht einen Augenblick zerstreuen; der Roman ist so
gut und glücklich im Gange, daß Sie, wenn es so fortgeht,
heute über acht Tage das achte Buch erhalten können, und da
hätten wir denn doch eine sonderbare Epoche unter sonderbaren
Aspekten geschlossen.
Grüßen Sie Voßen recht sehr und
erneuern
auch in meinem Namen ein Verhältnis, das seiner Natur nach
immer besser werden kann.
Sollten noch andere Gäste, wie ich nicht hoffe,
gegenwärtig sein, so will ich für dieselben gleich ein
Gastgeschenk eingelegt haben:
„Komm nur von Gibichenstein,
von
Malepartus! Du bist noch
„Reineke nicht, du bist
doch nur halb Bär und halb Wolf.“
Leben
Sie recht wohl, grüßen Sie Ihre liebe
Frau und Schlegeln. Ich habe Ihnen viel zu sagen und werde es, wenn das
Glück gut ist, gleich in solche Formen bringen, daß Sie es
zu den Horen und Almanach brauchen können. Adieu.
Weimar, den 18. Juni 1796
Goethe
Fast hätte ich vergessen zu sagen,
daß
R i c h t e r hier ist. Er wird Sie mit Knebeln besuchen und
Ihnen
gewiß recht wohl gefallen.
178-180 An
Goethe [171]
Jena, den 18. Juni
1796
Voß ist noch nicht hier, wenigstens hab' ich
noch
nichts von ihm gesehen. Da ich sehr zweifle, ob Sie kommen werden, so
lasse ich diesen Brief, zu dem sich eine schöne Gelegenheit
darbietet, immer abgehen.
Die Idylle hat mich beim zweiten Lesen so innig, ja
noch
inniger als beim ersten bewegt. Gewiß gehört sie unter das
Schönste, was Sie gemacht haben, so voll Einfalt ist sie, bei
einer
unergründlichen Tiefe der Empfindung. Durch die Eilfertigkeit,
welche das wartende Schiffsvolk in die Handlung bringt, wird der
Schauplatz für die zwei Liebenden so enge, so drangvoll und so
bedeutend der Zustand, daß dieser Moment wirklich den Gehalt
eines ganzen Lebens bekommt. Es würde schwer sein, einen zweiten
Fall zu erdenken, wo die Blume des Dichterischen von einem Gegenstande
so rein und so glücklich abgebrochen wird. Daß Sie die
Eifersucht so dicht daneben stellen und das Glück so schnell
durch die Furcht wieder verschlingen lassen, weiß ich vor meinem
Gefühl noch nicht ganz zu rechtfertigen, obgleich ich nichts
befriedigendes dagegen einwenden kann. Dieses fühle ich nur,
daß ich die glückliche Trunkenheit, mit der Alexis das
Mädchen verläßt und sich einschifft, gerne immer
festhalten möchte.
Herders Buch machte mir ziemliche dieselbe
Empfindung wie
Ihnen, nur daß ich auch hier, wie gewöhnlich bei seinen
Schriften, immer mehr von dem, was ich zu besitzen glaubte, verliere,
als ich an neuen Realitäten dabei gewinne. Er wirkt dadurch,
daß er immer aufs Verbinden ausgeht und zusammenfaßt, was
andere trennen, immer mehr zerstörend als ordnend auf mich. Seine
unversöhnliche Feindschaft gegen den Reim ist mir auch viel zu
weit getrieben, und was er dagegen aufbringt, halte ich bei weitem
nicht für bedeutend genug. Der Ursprung des Reims mag noch so
gemein und unpoetisch sein, man muß sich an den Eindruck halten,
den er macht, und dieser läßt sich durch kein
Räsonnement
wegdisputieren.
An seinen Konfessionen über die deutsche
Literatur
verdrießt mich, noch außer der Kälte für das
Gute, auch die sonderbare Art von Toleranz gegen das Elende; es kostet
ihn ebenso wenig, mit Achtung von einem Nicolai, Eschenburg u. a. zu
reden, als von dem bedeutendsten, und auf eine sonderbare Art wirft er
die Stolberge und mich, Kosegarten und wie viel andere noch in einen
Brei
zusammen. Seine Verehrung gegen Kleist, Gerstenberg und Geßner —
und überhaupt gegen alles Verstorbene und Vermoderte hält
gleichen Schritt mit seiner Kälte gegen das Lebendige.
Sie haben unterdessen Richtern kennen lernen. Ich
bin sehr
begierig, wie Sie ihn gefunden haben. Charlotte Kalb ist hier, um die
Frau v. Stein zu pflegen. Sie sagt mir, daß es sich mit Iffland
so gut als zerschlagen habe, und spricht überhaupt mit
großer Kälte von dieser Acquisition für das weimarische
Theater. Der Enthusiasmus für Iffland scheint sich noch einige
Monate früher, als wir dachten, verloren zu haben.
Humboldt wird Ihnen nun wohl schon selbst
geschrieben
haben. Er ist von der Idylle ganz außerordentlich befriedigt.
Auch schreibt er, daß der Cellini außerordentlich gefalle.
Die Xenien erhalten Sie auf den Montag. Zur
Verknüpfung der verschiedenartigen Materien sind noch manche neue
nötig, wobei ich auf Ihren guten Genius meine Hoffnung setze. Die
Homerischen Parodien habe ich, weil sie sich an das Ganze nicht
anschließen wollen, herauswerfen müssen, und ich weiß
noch nicht recht, wie ich die Totenerscheinungen werde unterbringen
können. Gar zu gern hätte ich die lieblichen und
gefälligen Xenien an das Ende gesetzt, denn auf den Sturm
muß die Klarheit folgen. Auch mir sind einige in dieser Gattung
gelungen, und wenn jeder von uns nur noch ein Dutzend in dieser Art
liefert, so werden die Xenien sehr gefällig enden.
Leben Sie recht wohl. Meine Frau grüßt
Sie aufs
schönste. Mit ihrer Gesundheit ist es noch das alte.
Schiller
180-181 An
Goethe [172]
Jena, den 20. Juni 1796
Voß ist noch nicht gekommen; er schrieb nur
kurz, daß unangenehme Störer die Reise rückgängig
machten. Es tut mir wirklich leid, seine persönliche Bekanntschaft
nicht gemacht zu haben, indessen wäre sie mit einem sehr
unangenehmen Auftritt erkauft worden, weil Reichardt, wie ich heute von
hallischen Fremden erfuhr, ihn wirklich hat begleiten wollen. Die
unvermeidliche Grobheit, die ich gegen diesen Gast hätte beweisen
müssen, würde Voßen in große Verlegenheit
gesetzt, und wahrscheinlich ganz und gar verstimmt haben.
Zu den Progressen, die der Roman macht, wünsche
ich von Herzen Glück. Der Tag, der mir den Rest bringt, soll auch
mir ein Fest sein.
Die neue Lieferung Cellini hat mich wieder sehr
unterhalten. Die Krankheitsgeschichte ist ganz prächtig; auch die
Begebenheiten in Florenz interessieren sehr und schließen sich
schön an die Geschichte dieses Hauses. Die närrische Mixtur
von Galanterie und Grobheit in dem Freund Benvenuto ist gar
amüsant.
Die Xenien kann ich heute noch nicht mitschicken.
Mein Abschreiber ist ausgeblieben.
Leben Sie recht wohl. Alle Neune seien mit Ihnen!
Meine Frau grüßt schön. Den Zwieback
haben Sie wohl nebst meinem Briefe vom Sonnabend erhalten.
Schiller
181-183 An
Schiller [173]
Ihre zwei
lieben und werten Briefe, nebst dem Zwieback, habe ich erhalten, und da
heute früh das Pensum am Romane geschrieben ist, will ich dieses
Blatt für morgen voraus diktieren.
Noch rückt das achte Buch ununterbrochen fort,
und wenn ich die zusammentreffenden Umstände bedenke, wodurch
etwas beinahe Unmögliches, auf einem ganz natürlichen Wege,
noch endlich wirklich wird, so möchte man beinahe
abergläubisch werden. So viel ist gewiß, daß mir
gegenwärtig die lange Gewohnheit, Kräfte, zufällige
Ereignisse, Stimmungen und wie sich uns Angenehmes und Unangenehmes
aufdringen mag, im Augenblicke zu nutzen, sehr zu statten kommt; doch
scheint meine Hoffnung, es schon künftigen Sonnabend zu schicken
voreilig, gewesen zu sein.
Ihr Gedicht, die K l a g e d
e r C e r e s, hat mich wieder an verschiedene
Versuche erinnert, die ich mir vorgenommen hatte, um jene Idee, die Sie
so freundlich aufgenommen und behandelt haben, noch weiter zu
begründen. Einige sind mir auch ganz unvermutet geglückt, und
da ich eben voraussehen kann, in diesen schönen Sommermonaten
einige Zeit zu Hause zu bleiben, so habe ich gleich Anstalt gemacht,
eine Anzahl Pflanzen im Finstern zu erziehen und alsdann meine
Erfahrungen mit denen, die schon bekannt sind, zu vergleichen.
Daß Voß nicht gekommen ist, gefällt
mir nicht an ihm, besonders da Sie sich, wie ich erst aus Ihrem Briefe
sehe, noch einander nicht persönlich kennen. Es ist das eine Art
von Schluderei und Unattention, deren man sich wohl in jüngern
Jahren leider schuldig macht, vor der man sich aber, wenn man einmal
Menschen schätzen lernt, so sehr als möglich hüten
sollte. Am Ende hat ihn doch Reichardt abgehalten; denn daß
diesem bei seinem Halbverhältnis zu uns nicht wohl sein kann, ist
nur zu deutlich.
Zelter in Berlin ist präpariert. Es wäre
gut, wenn Sie nun auch gleich an ihn schreiben. Ich habe ein Lied
Mignons, das ich gerne in Ihrem Almanach setzen möchte; im Roman
wird es nur erwähnt. Es wäre die Frage, ob man Ungern selbst
darüber nicht ein vertraulich Wort sagen sollte; wenn auch eine
solche Erklärung auskäme, so wäre doch die
Kriegserklärung geschehen, zu der wir je eher je lieber schreiten
sollten.
Xenien habe ich wieder einige Dutzend, nur gerade
nicht von der notwendigsten Gattung.
Daß die Idylle bei näherer Betrachtung
Stand und Stich hält, freut mich sehr. Für die Eifersucht am
Ende habe ich zwei Gründe. Einen aus der Natur: weil wirklich
jedes unerwartete und unverdiente Liebesglück die Furcht des
Verlustes unmittelbar auf der Ferse nach sich führt; und einen aus
der Kunst: weil die Idylle durchaus einen pathetischen Gang hat und
also das Leidenschaftliche bis gegen das Ende gesteigert werden
mußte, da sie denn durch die Abschiedsverbeugung des Dichters
wieder ins Leidliche und Heitere zurückgeführt wird. So viel
zur Rechtfertigung des unerklärlichen Instinktes, durch welchen
solche Dinge hervorgebracht werden.
Richter ist ein so kompliziertes Wesen, daß
ich mir die Zeit nicht nehmen kann, Ihnen meine Meinung über ihn
zu sagen; Sie müssen und werden ihn sehen, und wir werden uns gern
über ihn unterhalten. Hier scheint es ihm übrigens wie seinen
Schriften zu gehn; man schätzt ihn bald zu hoch, bald zu tief, und
niemand weiß das wunderliche Wesen recht anzufassen.
Mit Cellini glückt es uns durchaus, und da es
auch unsere Konvenienz ist, so lassen Sie uns das Eisen schmieden,
solange es warm bleibt. Sagen Sie mir, wann Sie wieder eine Lieferung
brauchen.
Hier lege ich Ihnen ein Pasquill bei, das Sie in
eine ganz eigene Welt führen wird, und das, ob es schon sehr
ungleich ist, doch einige Kapitalspäße enthält und
gewisse Hasenfüße, Heuchler, Philister und Pedanten toll
genug durchnimmt. Lassen Sie es niemand sehen und schicken es gleich
wieder zurück.
Abgeschickt den 22. Juni 1796
Goethe
183-184 An
Goethe [174]
Jena, den 24. Juni 1796
Sie haben wohl recht, daß die Broschüre
mich in eine eigene Welt führen werde. Mein Leben lang hätte
ich in mir selbst so eine Fratzensammlung nicht zusammenbringen
können, und jeder Strich trägt den Stempel, daß man aus
der Natur geschöpft hat. Es ist wirklich kein unmerkwürdiges
Machwerk, so grob und plump es auch ist, und hat mich recht divertiert.
Auch das gefällt mir, daß die politischen Feindschaften
doch auch einen humoristischen Ausdruck zu nehmen anfangen. Es sollte
wirklich Nachahmer finden.
Meyers Lebhaftigkeit hat mich recht belustigt, und
daß er mitten in seinem Italien die deutschen Affen und Esel sich
so herzlich angelegen sein läßt. Schreiben Sie ihm nur,
daß es ganz von ihm abhänge, wann er sich in dieses
Gefecht der Trojer und Achäer mischen wolle. Er kann es gleich in
dem ersten Brief tun, den er an Sie schreibt, und den wir drucken
lassen können.
Humboldt schrieb mir vorigen Mittwoch nur zwei
Zeilen, um
sein Nichtschreiben zu entschuldigen, auch bei Ihnen. Er wird Ihnen
morgen die Idylle zurücksenden, auf die er gerne ausführliche
antworten wollte. Seine Mutter wird bald sterben, und das hält ihn
denn wahrscheinlich länger in B. fest.
An Zelter schreibe ich, sobald ich ihm etwas zu
senden
weiß. Rieten Sie mir, meine Ceres komponieren zu lassen? Für
den Gesang wär' sie wohl ein gutes Thema, wenn sie nicht zu
groß ist. Indes haben wir, außer dem, was von Ihnen
ist, wenig anderes für die Musik zu hoffen.
Daß Sie ein Lied aus dem Meister in den
Almanach
geben können, ist köstlich. Nun wahrhaftig, wir wollen auf
den diesjährigen Almanach uns etwas einbilden.
Die Xenien erhalten Sie Montag früh ganz
gewiß.
Es sind, nach Abzug der weggebliebenen, noch sechshundertdreißig
bis vierzig, und ich denke nicht, daß mehr als fünfzehn oder
zwanzig von diesen werden ausgemustert werden. Da der Zusammenhang und
die Vollständigkeit wohl noch achtzig neue nötig machen, so
wird die Zahl wohl auf siebenhundert bleiben.
Montag ein mehreres. Leben Sie recht wohl.
Schiller
184-185 An
Schiller [175]
Es ist mir
sehr lieb, daß Ihnen das Fastnachtsspiel aus der andern Welt den
gehörigen Spaß gemacht hat. Ich will doch nach den neuesten
Reichstagssachen fragen und besonders nach einigen Broschüren, die
in dieser angeführt sind; es wäre lustig, wenn wir auch ein
Dutzend Xenien in jene Weltgegend werfen könnten.
Schicken Sie mir diese lustigen Brüder nicht
eher, als bis Sie den Roman haben; er kommt zu Anfang künftiger
Woche, durch einen eigenen Boten, der die Xenien, wenn Sie solche parat
halten, alsdann mit zurücknehmen kann. Lesen Sie das Manuskript
erst mit freundschaftlichem Genuß und dann mit Prüfung, und
sprechen Sie mich los, wenn Sie können. Manche Stellen verlangen
noch mehr Ausführung, manche fordern sie, und doch weiß ich
kaum, was zu tun ist; denn die Ansprüche, die dieses Buch an mich
macht, sind unendlich und dürfen, der Natur der Sache nach, nicht
ganz befriedigt werden, obgleich alles gewissermaßen
aufgelöst werden muß. Meine ganze Zuversicht ruht auf Ihren
Forderungen und Ihrer Absolution. Das Manuskript ist mir unter den
Händen gewachsen, und überhaupt hätte ich, wenn ich in
der Darstellung hätte wollen weitläufiger sein, und mehr
Wasser des Räsonnements hätte zugießen wollen, ganz
bequem aus dem letzten Bande zwei Bände machen können; so mag
er denn aber doch in seiner konzentrierten Gestalt besser und
nachhaltiger wirken.
Grüßen Sie Humboldt, wenn Sie ihm
schreiben. An Zelter wollen wir ehestens etwas zusammen machen, alsdann
können Sie ja auch die Ceres zum Versuche mitschicken. Leben Sie
recht wohl, grüßen Sie die liebe Frau und schreiben Sie mir
bald etwas von Ihrem beiderseitigen Befinden.
Weimar, den 25. Juni 1796
Goethe
185-186 An
Schiller [176]
Hier
schicke ich endlich das
große Werk und kann mich kaum freuen, daß es so weit ist;
denn von einem so langen Wege kommt man immer ermüdet an. Ich habe
es auch nur einmal durchsehen können, und Sie werden also
manches nach der Intention zu supplieren haben. Es muß auf alle
Fälle noch einmal durchgearbeitet und abgeschrieben werden.
Wenn Sie dem Boten die Xenien mit zurückgeben
können, so soll es mir angenehm sein.
Ich habe in den nächsten zehn bis zwölf
Tagen
manches in allerlei Geschäften nachzuholen, mit denen ich
wenigstens in Konnexion bleiben muß; alsdann hoffe ich die Horen
und den Almanach am besten zu bedenken.
Das Lied von Mignon habe ich, wie Sie sehen werden,
des
Effekts wegen, doch einschalten müssen; es gibt aber vielleicht
ein anderes, das im Almanach nachzubringen ist.
Leben Sie recht wohl; möge Sie diese Sendung
recht
gesund antreffen. Ich wünsche dieses Buch nicht eher zurück,
als bis ich ganz bei mir aufgeräumt habe. Ich hoffe bald von Ihnen
zu hören.
Weimar, den 26. Juni 1796
Goethe
186-187 An
Goethe [177]
Jena, den 27. Juni
1796
Herzlichen Dank für die Sendung. Sie trifft
mich bei
heiterm Sinne, und ich hoffe, sie mit ganzer Seele zu genießen.
Der Abschied von einer langen und wichtigen Arbeit
ist
immer mehr traurig als erfreulich. Das ausgespannte Gemüt sinkt
zu schnell zusammen, und die Kraft kann sich nicht sogleich zu einem
neuen Gegenstand wenden. Eigentlich sollten Sie jetzt etwas
zu h a n d e l n
bekommen und einen lebendigen Stoff bearbeiten.
Von den Xenien sende ich durch den Boten was fertig
ist.
Noch achtzig sind ohngefähr zurück, die das
Botenmädchen bringen soll. Ich bin eben daran, diese, es sind
gerade die freundlichen, mit einigen neuen zu vermehren, die eine
glückliche Stimmung mir dargeboten hat. Überhaupt hoffe ich,
daß der Schluß sehr gut ausfallen soll. Sie werden unter
den hier folgenden gegen hundert neue Bekannte finden und einige
ältere vermissen. Warum ich diese wegließ, läßt
sich mündlich sagen. Streichen Sie nun ohne Schonung alles, was
Ihnen aus irgend einer Rücksicht anstößig ist, weg.
Unser Vorrat leidet eine strenge Wahl.
In das Manuskript lassen Sie Ihren Spiritus nichts
schreiben. Ich schicke dasselbe gern an Humboldt, der durch die
Verschiedenheit der Handschrift dem Verfasser nicht auf die Spur
geführt werden soll. Fallen Ihnen Überschriften ein, so bitte
ich sie mit dem Bleistift zu bemerken.
Um die Zahl der poetischen und gefälligen
Xenien zu
vermehren, wünschte ich Sie zu veranlassen, daß Sie durch
die wichtigsten Antiken und die schönern italienischen
Malerwerke eine Wanderung anstellten. Diese Gestalten leben in Ihrer
Seele, und eine gute Stimmung wird Ihnen über jede einen
schönen Einfall darbieten. Sei sind um so passendere Stoffe, da es
lauter Individua sind.
Leben Sie recht wohl, freuen Sie sich des Lebens und
Ihres
Werks. Wer hätte denn in der Welt sonst Ursache zur Freude?
Meine Frau grüßt Sie herzlich und
schmachtet
recht nach dem achten Buche.
Schiller
187-189 An
Goethe [178]
Jena, den 28. Juni 1796
Erwarten Sie heute noch nichts
Bestimmtes von mir über den Eindruck, den das achte Buch auf mich
gemacht. Ich bin beunruhigt und bin befriedigt, Verlangen und Ruhe sind
wunderbar vermischt. Aus der Masse der Eindrücke, die ich
empfangen, ragt mir in diesem Augenblick Mignons Bild am stärksten
hervor. Ob die so stark interessierte Empfindung hier noch mehr
fordert, als ihr gegeben worden, weiß ich jetzt noch nicht zu
sagen. Es könnte auch zufällig sein, denn beim Aufschlagen
des Manuskripts fiel mein Blick zuerst auf das Lied, und dies
bewegte mich so tief, daß ich den Eindruck nachher nicht mehr
auslöschen konnte.
Das Merkwürdigste an dem Totaleindruck scheint
mir
dieses zu sein, daß Ernst und Schmerz durchaus wie ein
Schattenspiel versinken und der leichte Humor vollkommen darüber
Meister wird. Zum Teil ist mir dieses aus der leisen und leichten
Behandlung erklärlich; ich glaube aber noch einen andern Grund
davon in der theatralischen und romantischen Herbeiführung und
Stellung der Begebenheiten zu entdecken. Das Pathestische erinnert an
den Roman, alles übrige an die Wahrheit des Lebens. Die
schmerzhaftesten Schläge, die das Herz bekommt, verlieren sich
schnell wieder, so stark sie auch gefühlt werden, weil sie durch
etwas Wunderbares herbeigeführt wurden, und deswegen
schneller als alles andere an die Kunst erinnern. Wie es auch sei, so
viel ist gewiß, daß der Ernst in dem Roman nur Spiel und
das Spiel in demselben der wahre und eigentliche Ernst ist, daß
der Schmerz der Schein und die Ruhe die einzige Realität ist.
Der so wiese aufgesparte Friedrich, der durch seine
Turbulenz am Ende die reife Frucht vom Baume schüttelt und
zusammenweht, was zusammen gehört, er scheint bei der Katastrophe
gerade so, wie einer, der uns aus einem bänglichen Traum durch
Lachen aufweckt. Der Traum flieht zu den andern Schatten, aber sein
Bild bleibt übrig, um in die Gegenwart einen höheren Geist,
in die Ruhe und Heiterkeit einen poetischen Gehalt, eine unendliche
Tiefe zu legen. Diese Tiefe bei einer ruhigen Fläche, die,
überhaupt genommen, Ihnen so eigentümlich ist, ist ein
vorzüglicher Charakterzug des gegenwärtigen Romans.
Aber ich will mir heute nichts mehr darüber zu
sagen
erlauben, so sehr es mich auch drängt; ich könnte Ihnen doch
jetzt nichts Reifes geben. Könnten Sie mir vielleicht das Konzept
vom siebenten Buche, wovon die Abschrift für Ungern gemacht worden
ist, schicken, so wäre mir's sehr dienlich, das Ganze durch alle
seine Details zu begleiten. Obgleich ich es noch in frischem
Gedächtnis habe, so könnte mir doch manches kleinere
Glied der Verbindung entschlüpft sein.
Wie trefflich sich dieses achte Buch an das sechste
anschließt, und wie viel überhaupt durch die Antizipation
des
letztern gewonnen worden ist, sehe ich klar ein. Ich möchte
durchaus keine andere Stellung der Geschichte als gerade diese. Man
kennt die Familie schon so lange, ehe sie eigentlich kommt, man glaubt
in eine ganz anfanglose Bekanntschaft zu blicken, es ist eine Art von
optischem Kunstgriff, der eine treffliche Wirkung macht.
Einen köstlichen Gebrauch haben Sie von des
Großvaters Sammlung zu machen gewußt; sie ist ordentlich
eine mitspielende Person und rückt selbst an das Lebendige.
Doch genug für heute. Auf den Sonnabend hoffe
ich
Ihnen mehr zu sagen.
Hier der Rest der Xenien. Was heute folgt, ist, wie
Sie
sehen, noch nicht in dem gehörigen Zusammenhang, und alle meine
Versuche, die verschiedenen Gruppen zusammenzubringen, sind mir
mißglückt. Vielleicht helfen Sie mir aus der Not. Es
wäre gar zu schön, wenn wir diese letzte Partie recht reich
ausstatten könnten.
Wenn ich den neuen Cellini in drei Wochen erhalte,
so ist
es gerade noch Zeit.
Leben Sie recht wohl. Herzliche Grüße von
meiner Frau, die eben im Roman vertieft ist.
Vom Hesperus habe ich Ihnen noch nichts geschrieben.
Ich
habe ihn ziemlich gefunden, wie ich ihn erwartete; fremd wie einer, der
aus dem Mond gefallen ist, voll guten Willens und herzlich geneigt, die
Dinge außer sich zu sehen, nur nicht mit dem Organ, womit man
sieht. Doch sprach ich ihn nur einmal und kann also noch wenig von ihm
sagen.
Schiller
190 An
Schiller [179]
Herzlich
froh bin ich, daß wir auch endlich diese Epoche erreicht haben,
und daß ich Ihre ersten Laute über das achte Buch vernehme.
Unendlich viel ist mir das Zeugnis wert daß ich, im ganzen, das,
was meiner Natur gemäß ist, auch hier, der Natur des Werks
gemäß, hervorgebracht habe. Ich schicke hier das siebente
Buch und werde, wenn ich Ihre Gesinnungen erst umständlicher
weiß, mich mit Lust nochmals ans achte begeben.
Etwa acht Tage wird meine Zeit durch
äußere Geschäfte aufgezehrt werden, welches auch recht
gut ist, denn man würde zuletzt über die Märchen selbst
zur Fabel. Alsdann sollen die Xenien, Cellini und der Roman den
übrigen Juli in sich teilen. Ich habe beinah Ihre Lebensart
erwählt und geh auch kaum aus dem Hause.
Die neuen Xenien von der würdigen, ernsten und
zarten Art sind Ihnen sehr glücklich geraten; ich habe zur
Komplettierung dieser Sammlung, auch von meiner Seite, allerlei
Aussichten, wenn sich nur die Stimmung dazu findet.
Es ist mir doch lieb, daß Sie Richtern gesehen
haben; seine Wahrheitsliebe und sein Wunsch, etwas in sich aufzunehmen,
hat mich auch für ihn eingenommen. Doch der gesellige Mensch ist
eine Art von theoretischem Menschen, und wenn ich es recht bedenke, so
zweifle ich, ob Richter im praktischen Sinne sich jemals uns
nähern wird, ob er gleich im Theoretischen viele Anmutungen zu uns
zu haben scheint.
Leben Sie recht wohl und lassen uns diesen Monat
viel an einander schreiben, denn das, was geschehen soll, verlangt viel
Aufmunterung.
Weimar, den 29. Juni 1796
Goethe
190-191 An
Schiller [180]
Da ich
nicht weiß, ob ich morgen früh Ihnen werde etwas sagen
können, indem ich von allerlei äußeren Dingen
gedrängt bin, so schicke ich einstweilen das B e l o b
u n g s s c h r e i b e n, welches ich von Humboldt erhalten
habe. Sowohl das viele Gute, was er sagt, als auch die kleinen
Erinnerungen nötigen mich, auf dem schmalen Wege, auf dem ich
wandle, desto vorsichtiger zu sein; ich hoffe von Ihren Bemerkungen
über das achte Buch eine gleiche Wohltat. Leben Sie recht wohl;
nächstens mehr.
Weimar, den 1. Juli 1796
Goethe
191-197 An
Goethe [181]
Jena, den 2. Juli
1796
Ich habe nun alle acht Bücher des Romans aufs neue,
obgleich nur sehr flüchtig, durchlaufen, und schon allein die
Masse
ist so stark, daß ich in zwei Tagen kaum damit fertig worden bin.
Billig sollte ich also heute noch nichts schreiben, denn die
erstaunliche und unerhörte Mannigfaltigkeit, die darin, im
eigentlichsten Sinne, v e r s t e c k t ist,
überwältigt mich. Ich
gestehe, daß ich bis jetzt zwar die S t ä t i g
k e i t, aber noch
nicht die E i n h e i t recht gefaßt habe,
obwohl ich keinen Augenblick
zweifle, daß ich auch über diese noch völlige Klarheit
erhalten werde, wenn bei Produkten dieser Art die Stätigkeit nicht
schon mehr als die halbe Einheit ist.
Da Sie, unter diesen Umständen, nicht wohl
etwas ganz Genugtuendes von mir erwarten können und doch etwas zu
hören wünschen, so nehmen Sie mit einzelnen Bemerkungen
vorlieb, die auch nicht ganz ohne Wert sind, da sie ein unmittelbares
Gefühl aussprechen werden. Dafür verspreche ich Ihnen,
daß diesen ganzen Monat über die Unterhaltung über den
Roman nie versiegen soll. Eine würdige und wahrhaft
ästhetische Schätzung des ganzen Kunstwerks ist eine
große Unternehmung. Ich werde ihr die nächsten vier Monate
ganz widmen, und mit Freuden. Ohnehin gehört es zu dem
schönsten Glück meines Daseins, daß ich die Vollendung
dieses Produkts erlebte, daß sie noch in die Periode meiner
strebenden Kräfte fällt, daß ich aus dieser reinen
Quelle noch schöpfen kann; und das schöne
Verhältnis, das unter uns ist, macht es mir zu einer
gewissen Religion, Ihre Sache hierin zu der meinigen zu machen, alles
was in mir Realität ist, zu dem reinsten Spiegel des Geistes
auszubilden, der in dieser Hülle lebt, und so, in einem
höheren Sinne des Worts, den Namen Ihres Freundes zu verdienen.
Wie lebhaft habe ich bei dieser Gelegenheit erfahren, daß das
Vortreffliche eine Macht ist, daß es auf selbstsüchtige
Gemüter auch nur als eine Macht wirken kann, daß es dem
Vortrefflichen gegenüber keine Freiheit gibt als die Liebe.
Ich kann Ihnen nicht beschreiben, wie sehr mich die
Wahrheit, das schöne Leben, die einfache Fülle dieses Werks
bewegte. Die Bewegung ist zwar noch unruhiger, als sie sein wird, wenn
ich mich desselben ganz bemächtigt habe, und das wird dann eine
wichtige Krise meines Geistes sein; sie ist aber doch der Effekt des
Schönen, nur des Schönen, und die Unruhe rührt
bloß davon her, weil der Verstand die Empfindung noch nicht hat
einholen können. Ich verstehe Sie nun ganz, wenn Sie sagten,
daß es eigentlich das Schöne, das Wahre sei, was Sie, oft
bis zu Tränen, rühren könne. Ruhig und tief, klar und
doch unbegreiflich wie die Natur, so wirkt es und so steht es da, und
alles, auch das kleinste Nebenwerk, zeigt die schöne Gleichheit
des Gemüts, aus welchem alles geflossen ist.
Aber ich kann diesen Eindrücken noch keine
Sprache
geben, auch will ich jetzt nur bei dem achten Buche stehen bleiben. Wie
ist es Ihnen gelungen, den großen so weit auseinander geworfenen
Kreis und Schauplatz von Personen und Begebenheiten wieder so eng
zusammenzurücken! Es steht da wie ein schönes
Planetensystem; alles gehört zusammen, und nur die italienischen
Figuren knüpfen, wie Kometengestalten, und auch so schauerlich wie
diese, das System an ein Entferntes und Größeres an. Auch
laufen alle diese Gestalten, sowie auch Mariane und Aurelie,
völlig wieder aus dem Systeme heraus und lösen sich als
fremdartige Wesen davon ab, nachdem sie bloß dazu gedient haben,
eine poetische Bewegung darin hervorzubringen. Wie schön gedacht
ist es, daß Sie das praktisch Ungeheure, das furchtbar
Pathetische im Schicksal Mignons und des Harfenspielers von dem
theoretisch Ungeheuern, von dem Mißgeburten des Verstandes
ableiten, so daß der reinen und gesunden Natur nichts dadurch
aufgebürdet wird. Nur im Schoß des dummen Aberglaubens
werden diese monstrosen Schicksale ausgeheckt, die Mignon und den
Harfenspieler verfolgen. Selbst Aurelia wird nur durch ihre Unnatur,
durch ihre Mannweiblichkeit zerstört. Gegen Marianen allein
möchte ich Sie eines poetischen Eigennutzes beschuldigen. Fast
möchte ich sagen, daß sie dem Roman zum Opfer geworden, da
sie der Natur nach zu retten war. Um s i e
werden daher immer noch
bittere Tränen fließen, wenn man sich bei den drei andern
gern von dem Individuum ab zu der Idee des Ganzen wendet.
Wilhelms Verirrung zu Theresen ist trefflich
gedacht,
motiviert, behandelt und noch trefflicher benutzt. Manchen Leser wird
sie anfangs recht erschrecken, denn Theresen verspreche ich wenig
Gönner; desto schöner reißen Sie ihn aber aus seiner
Unruhe. Ich wüßte nicht, wie dieses falsche
Verhältnis zärter, feiner, edler hätte gelöst
werden können. Wie würden sich die Richardsons und alle
andern gefallen haben, eine Szene daraus zu machen, und über dem
Auskramen von delikaten Sentiments recht undelikat gewesen sein. Nur
ein kleines Bedenken hab' ich dabei. Theresens mutige und
entschlossene Widersetzlichkeit gegen die Partei, welche ihr ihren
Bräutigam rauben will, selbst bei der erneuerten Möglichkeit
Lotharn zu besitzen, ist ganz in der Natur und trefflich; auch
daß Wilhelm einen tiefen Unwillen und einen gewissen Schmerz
über die Neckerei der Menschen und des Schicksals zeigt, finde ich
sehr gegründet — nur, deucht mir, sollte er den Verlust eines
Glücks weniger tief beklagen, das schon angefangen hatte, keines
mehr für ihn zu sein. In Nataliens Nähe müßte ihm,
scheint mir, seine wieder erlangte Freiheit ein höheres Gut sein,
als er zeigt. Ich fühle wohl die Komplikation dieses Zustands und
was die Delikatesse forderte, aber auf der andern Seite beleidigt es
einigermaßen die Delikatesse gegen Natalien, daß er noch im
stand ist, ihr gegenüber den Verlust einer Therese zu beklagen!
Eins, was ich in der Verknüpfung der
Begebenheiten
auch besonders bewundre, ist der große Vorteil, den Sie von
jenem falschen Verhältnis Wilhelms zu Theresen zu ziehen
gewußt haben, um das wahre und gewünschte Ziel, Nataliens
und Wilhelms Verbindung, zu beschleunigen. Auf keinem andern Weg
hätte dieses so schön und natürlich geschehen
können, als gerade auf dem eingeschlagenen, der davon zu entfernen
drohte. Jetzt kann es mit höchster Unschuld und Reinheit
ausgesprochen werden, daß Wilhelm und Natalie füreinander
gehören, und die Briefe Theresens an Natalien leiten es auf das
schönste ein. Solche Erfindungen sind von der ersten
Schönheit, denn sie vereinigen alles, was nur gewünscht
werden kann, ja was ganz unvereinbar scheinet; sie verwickeln und
enthalten schon die Auflösung in sich, sie beunruhigen und
führen zur Ruhe, sie erreichen das Ziel, indem sie davon mit
Gewalt zu entfernen scheinen.
Mignons Tod, so vorbereitet er ist, wirkt sehr
gewaltig
und tief, ja so tief, daß es manchem vorkommen wird, Sie
verlassen denselben zu schnell. Dies war beim ersten Lesen meine sehr
stark markierte Empfindung; beim zweiten, wo die Überraschung
nicht
mehr war, empfand ich es weniger, fürchte aber doch, daß Sie
hier um eines Haares Breite zu weit gegangen sein möchten. Mignon
hat gerade vor dieser Katastrophe angefangen, weiblicher, weicher zu
erscheinen und dadurch mehr durch sich selbst zu interessieren; die
abstoßende Fremdartigkeit dieser Natur hatte nachgelassen, mit
der nachlassenden Kraft hatte sich jene Heftigkeit in etwas verloren,
die von ihr zurückschreckte. Besonders schmelzte das letzte Lied
das Herz zu der tiefsten Rührung. Es fällt daher auf, wenn
unmittelbar nach dem angreifenden Auftritt ihres Todes der Arzt eine
Spekulation auf ihren Leichnam macht und das lebendige Wesen, die
Person, so schnell vergessen kann, um sie nur als das Werkzeug eines
artistischen Versuches zu betrachten; ebenso fällt es auf,
daß Wilhelm, der doch die Ursache ihres Todes ist und es auch
weiß, in diesem Augenblick für jene Instrumententasche Augen
hat und in Erinnerungen vergangener Szenen sich verlieren kann, da
die Gegenwart ihn doch so ganz besitzen sollte.
Sollten Sie in diesem Falle auch vor der Natur ganz
Recht behalten, so zweifle ich, ob Sie auch gegen die
„sentimentalischen“ Forderungen der Leser es behalten werden, und
deswegen möchte ich Ihnen raten — um die Aufnahme einer an
sich so herrlich vorbereiteten und durchgeführten Szene bei dem
Leser durch nichts zu stören — einige Rücksicht darauf zu
nehmen.
Sonst finde ich alles, was Sie mit Mignon, lebend
und
tot, vornehmen, ganz außerordentlich schön. Besonders
qualifiziert sich dieses reine und poetische Wesen so trefflich zu
diesem poetischen Leichenbegängnis. In seiner isolierten
Gestalt, seiner geheimnisvollen Existenz, seiner Reinheit und
Unschuld repräsentiert es die Stufe des Alters, auf der es steht,
so
rein, es kann zu der reinsten Wehmut und zu einer wahr menschlichen
Trauer bewegen, weil sich nichts als die Menschheit in ihm darstellte.
Was bei jedem andern Individuum unstatthaft — ja in gewissem Sinne
empörend sein würde, wird hier erhaben und edel.
Gerne hätte ich die Erscheinung des Marchese in
der
Familie noch durch etwas anderes als durch seine Kunstliebhaberei
motiviert gesehen. Er ist gar zu unentbehrlich zur Entwicklung, und
die
N o t d u r f t seiner Dazwischenkunft könnte leicht
stärker als
die innere Notwendigkeit derselben in die Augen fallen. Sie haben
durch die Organisation des übrigen Ganzen den Leser selbst
verwöhnt und ihn zu strengeren Forderungen berechtigt, als man bei
Romanen gewöhnlich mitbringen darf. Wäre nicht aus diesem
Markese eine alte Bekanntschaft des Lothario oder des Oheims zu machen
und seine Herreise selbst mehr ins Ganze zu verflechten?
Die Katastrophe so wie die ganze Geschichte des
Harfenspielers erregt das höchste Interesse. Wie vortrefflich ich
es finde, daß Sie diese ungeheuren Schicksale von frommen Fratzen
ableiten, habe ich oben schon erwähnt. Der Einfall des
Beichtvaters, eine leichte Schuld ins Ungeheure zu malen, um ein
schweres Verbrechen, das er aus Menschlichkeit verschweigt, dadurch
abbüßen zu lassen, ist himmlisch in seiner Art und ein
würdiger Repräsentant dieser ganzen Denkungsweise. Vielleicht
werden Sie Speratens Geschichte noch ein klein wenig ins Kürzere
ziehen, da sie in den Schluß fällt, wo man ungeduldiger zum
Ziele eilt.
Daß der Harfner der Vater Mignons ist, und
daß
Sie selbst dieses eigentlich nicht aussprechen, es dem Leser gar nicht
hinschieben, macht nur desto mehr Effekt. Man macht diese Betrachtung
nun selbst, erinnert sich, wie nahe sich diese zwei
geheimnisvollen Naturen lebten, und blickt in eine
unergründliche Tiefe des Schicksals hinab.
Aber nichts mehr für heute. Meine Frau legt
noch ein
Brieflein bei und sagt Ihnen ihre Empfindungen bei dem achten Buche.
Leben Sie jetzt wohl, mein geliebter, mein verehrter
Freund! Wie rührt es mich, wenn ich denke, daß was wir
sonst nur in der weiten Ferne eines begünstigten Altertums suchen
und kaum finden, mir in Ihnen so nahe ist. Wundern Sie sich nicht mehr,
wenn es so wenige gibt, die Sie zu verstehen fähig und
würdig sind. Die bewundernswürdige Natur, Wahrheit und
Leichtigkeit Ihrer Schilderungen entfernt bei dem gemeinen Volk der
Beurteiler allen Gedanken an die Schwierigkeit, an die
Größe der Kunst, und bei denen, die dem Künstler zu
folgen im Stande sein könnten, die auf die Mittel wodurch er
wirkt, aufmerksam sind, wirkt die genialische Kraft, welche sie hier
handeln sehen, so feindlich und vernichtend, bringt ihr
bedürftiges Selbst so sehr ins Gedränge, daß sie es mit
Gewalt von sich stoßen, aber im Herzen und nur de mauvaise grace
Ihnen gewiß am lebhaftesten huldigen.
Schiller
197-201 An
Goethe [182]
Jena, den 3. Juli 1796
Ich habe nun Wilhelms Betragen bei dem Verlust
seiner
Therese im ganzen Zusammenhang reiflich erwogen und nehme alle meine
vorige Bedenklichkeiten zurück. So wie es ist, muß es sein.
Sie haben darin die höchste Delikatesse bewiesen, ohne im
geringsten gegen die Wahrheit der Empfindung zu verstoßen.
Es ist zu bewundern, wie schön und wahr die
drei
Charaktere der S t i f t s d a m e, N a t a l i e n
s und T h e r e s e n s nuanciert sind. Die
zwei ersten sind heilige, die zwei andern sind wahre und menschliche
Naturen; aber eben darum, weil Natalie heilig und menschlich ist, so
erscheint sie wie ein Engel, da die Stiftsdame nur eine Heilige,
Therese nur eine vollkommene Irdische ist. Natalie und Therese sind
beide Realistinnen; aber bei Theresen zeigt sich auch die
Beschränkung des Realism, bei Natalien nur der Gehalt desselben.
Ich wünschte, daß die Stiftsdame ihr das Prädikat
einer schönen Seele nicht weggenommen hätte, denn nur Natalie
ist eigentlich eine rein ästhetische Natur. Wie schön,
daß sie die Liebe, als einen Affekt, als etwas
Ausschließendes und Besonders gar nicht kennt, weil die Liebe
ihre Natur, ihr permanenter Charakter ist. Auch die Stiftsdame kennt
eigentlich die Liebe nicht — aber aus einem unendlich verschiedenen
Grunde.
Wenn ich Sie recht verstanden habe, so ist es gar
nicht
ohne Absicht geschehen, daß Sie Natalien unmittelbar von dem
Gespräch über die Liebe und über ihre Unbekanntschaft
mit dieser Leidenschaft den Übergang zu dem Saal der Vergangenheit
nehmen lassen. Gerade die Gemütsstimmung, in welche man durch
diesen Saal versetzt wird, erhebt über alle Leidenschaft, die Ruhe
der Schönheit bemächtiget sich der Seele, und diese gibt den
besten Aufschluß über Nataliens liebefreie und doch so
liebevolle Natur.
Dieser Saal der Vergangenheit vermischt die
ästhetische Welt, das Reich der Schatten im idealen Sinn, auf eine
herrliche Weise mit dem lebendigen und wirklichen, so wie
überhaupt aller Gebrauch, den Sie von den Kunstwerken gemacht,
solche gar trefflich mit dem Ganzen verbindet. Es ist ein so froher
freier Schritt aus der gebundenen engen Gegenwart heraus und
führt doch immer so schön zu ihr zurücke. Auch der
Übergang von dem mittlern Sarkophag zu Mignon und zu der
wirklichen Geschichte ist von der höchsten Wirkung. Die
Inschrift: G e d e n k e z u l e b
e n ist trefflich und wird es noch viel mehr, da sie an das
verwünschte Memento mori
erinnert und so schön darüber
triumphiert.
Der Oheim mit seinen sonderbaren Idiosynkrasien
für
gewisse Naturkörper ist gar interessant. Gerade solche Naturen
haben eine so bestimmte Individualität und so ein starkes
Maß von Empfänglichkeit, als der Oheim besitzen muß,
um das zu sein, was er ist. Seine Bemerkung über die Musik, und
daß sie ganz rein zu dem Ohre sprechen solle, ist auch voll
Wahrheit. Es ist unverkennbar, daß Sie in diesen Charakter am
meisten von Ihrer eigenen Natur gelegt haben.
Lothario hebt sich unter allen Hauptcharakteren am
wenigsten heraus, aber aus ganz objektiven Gründen. Ein Charakter
wie dieser kann in dem Medium, durch welches der Dichter wirkt, nie
ganz erscheinen. Keine einzelne Handlung oder Rede stellt ihn dar; man
muß ihn sehen, man muß ihn selbst hören, man muß
mit ihm leben. Deswegen ist es genug, daß die, welche mit
ihm leben, in dem Vertrauen und in der Hochschätzung gegen ihn so
ganz einig sind, daß alle Weiber ihn lieben, die immer nach dem
Totaleindruck richten, und daß wir auf die Quellen seiner Bildung
aufmerksam gemacht werden. Es ist bei diesem Charakter der Imagination
des Lesers weit mehr überlassen als bei den andern, und mit dem
vollkommensten Rechte; denn er ist ästhetisch, er muß also
von dem Leser selbst produziert werden, aber nicht willkürlich,
sondern nach Gesetzen, die Sie auch bestimmt genug gegeben haben. Nur
seine Annäherung an das Ideal macht, daß diese Bestimmtheit
der Züge nie zur Schärfe werden kann.
Jarno bleibt sich bis ans Ende gleich, und seine
Wahl in
Rücksicht auf Lydien setzt seinem Charakter die Krone auf. Wie gut
haben Sie doch Ihre Weiber unterzubringen gewußt! — Charaktere
wie Wilhelm, wie Lothario können nur glücklich sein durch
Verbindung mit einem harmonierenden Wesen; ein Mensch wie Jarno kann es
nur mit einem kontrastierenden werden; dieser muß immer etwas zu
tun und zu denken und zu unterscheiden haben.
Die gute Gräfin fährt bei der poetischen
Wirtsrechnung nicht zum besten; aber auch hier haben Sie völlig
der Natur gemäß gehandelt. Ein Charakter wie dieser kann nie
auf sich selbst gestellt werden; es gibt keine Entwicklung für
ihn, die ihm seine Ruhe und sein Wohlbefinden garantieren könnte;
immer bleibt er in der Gewalt der Umstände, und daher ist eine Art
negativen Zustandes alles, was für ihn geschehen kann. Das ist
freilich für den Betrachter nicht erfreulich, aber es ist so, und
der Künstler spricht hier bloß das Naturgesetz aus. Bei
Gelegenheit der Gräfin muß ich bemerken, daß mir ihre
Erscheinung im achten Buche nicht gehörig motiviert zu sein
scheint. Sie kommt zu der Entwicklung, aber nicht a u s
derselben.
Der Graf souteniert seinen Charakter trefflich, und
auch
dieses muß ich loben, daß Sie ihn durch seine so gut
getroffenen Einrichtungen im Hause an dem Unglück des
Harfenspielers schuld sein lassen. Mit aller Liebe zur Ordnung
müssen solche Pedanten immer nur Unordnung stiften.
Die Unart des kleinen Felix, aus der Flasche zu
trinken,
die nachher einen so wichtigen Erfolg herbeiführt, gehört
auch zu den glücklichsten Ideen des Plans. Es gibt mehrere dieser
Art im Roman, die insgesamt sehr schön erfunden sind. Sie
knüpfen auf eine so simple und naturgemäße Art das
Gleichgültige an das Bedeutende und umgekehrt und verschmelzen
die Notwendigkeit mit dem Zufall.
Gar sehr habe ich mich über Werners traurige
Verwandlung gefreut. Ein solcher Philister konnte allenfalls durch die
Jugend und durch seinen Umgang mit Wilhelm eine Zeitlang emporgetragen
werden; sobald diese zwei Engel von ihm weichen, fällt er, wie
recht und billig, der Materie anheim, und muß endlich selber
darüber erstaunen, wie weit er hinter seinem Freunde
zurückgeblieben ist. Diese Figur ist auch deswegen so
wohltätig für das Ganze, weil sie den Realism, zu welchem
Sie den Helden des Romans zurückführen, erklärt und
veredelt. Jetzt steht er in einer schönen menschlichen Mitte da,
gleich weit von der P h a n t a s t e r e i und
der P h i l i s t e r h a f t i g k e i t, und
indem Sie ihn von dem Hange zur ersten so glücklich heilen,
haben Sie vor der letztern nicht weniger gewarnt.
Werner erinnert ich an einen wichtigen
chronologischen
Verstoß, den ich in dem Roman zu bemerken glaube. Ohne Zweifel
ist es Ihre Meinung nicht, daß Mignon, wenn sie stirbt,
einundzwanzig Jahre, und Felix zu derselben Zeit zehn oder elf Jahre
alt sein
soll. Auch der blonde Friedrich sollte wohl bei seiner letzten
Erscheinung noch nicht etliche und zwanzig Jahr alt sein usf.
Dennoch ist es wirklich so, denn von Wilhelms Engagement bei Serlo bis
zu seiner Zurückkunft auf Lotharios Schloß sind wenigstens
sechs Jahre verflossen. Werner, der im fünften Buche noch
unverheiratet war, hat am Anfang des achten schon mehrere Jungens, die
„schreiben und rechnen, handeln und trödeln, und deren jedem er
schon ein eigenes Gewerb eingerichtet hat“. Ich denke mir also den
ersten zwischen dem fünften und sechsten, den zweiten zwischen dem
vierten und fünften Jahr; und da er sich doch auch nicht gleich
nach des Vaters Tode hat trauen lassen und die Kinder auch nicht gleich
da waren, so kommen zwischen sechs und sieben Jahre heraus, die
zwischen dem fünften und achten Buche verflossen sein müssen.
Humboldts Brief folgt hier zurücke. Er sagt
sehr viel
wahres über die Idylle; einiges scheint er mir nicht ganz so
empfunden zu haben, wie ich's empfinde. So ist mir die treffliche
Stelle:
„Ewig, sagte sie leise“
nicht sowohl ihres E r n s t e s wegen schön,
der sich von selbst
versteht, sondern weil das Geheimnis des Herzens in diesem
einzigen Worte auf einmal und ganz, mit seinem unendlichen Gefolge,
herausstürzt. Dieses einzige Wort, an dieser Stelle, ist statt
einer ganzen langen Liebesgeschichte, und nun stehen die zwei Liebenden
so gegeneinander, als wenn das Verhältnis schon jahrelang
existiert hätte.
Die Kleinigkeiten, die er tadelt, verlieren sich in
dem
schönen Ganzen; indessen möchte doch einige Rücksicht
darauf zu nehmen sein, und seine Gründe sind nicht zu verwerfen.
Zwei Trochäen in dem vordern Hemipentameter haben freilich zu viel
Schleppendes, und so ist es auch mit den übrigen Stellen. Der
Gegensatz mit dem f ü r einander und a n
einander ist freilich etwas
spielend, wenn man es strenge nehmen will — und strenge nimmt man es
immer gern mit Ihnen.
Leben Sie recht wohl. Ich habe eine ziemliche
Epistel
geschrieben, möchten Sie so gerne lesen, als ich schrieb.
Schiller
202-205 An
Goethe [183]
Jena, den 5. Juli
1796
Jetzt da ich das Ganze des Romans mehr im Auge habe,
kann
ich nicht genug sagen, wie glücklich der Charakter des Helden von
Ihnen gewählt worden ist, wenn sich so etwas wählen
ließe. Kein anderer hätte sich so gut zu einem T
r ä g e r
der Begebenheiten geschickt, und wenn ich auch ganz davon abstrahiere,
daß nur an einem solchen Charakter das Problem aufgeworfen und
aufgelöst werden konnte, so hätte schon zur
bloßen
D a r s t e l l u n g des Ganzen kein anderer so gut
gepaßt. Nicht nur der
G e g e n s t a n d verlangte ihn, auch der L e s e
r brauchte ihn. Sein Hang zum Reflektieren hält den Leser
im raschesten Laufe der Handlung still
und nötigt ihn immer vor- und rückwärts zu sehen und
über alles, was sich ereignet, zu denken. Er sammelt sozusagen den
Geist, den Sinn, den innern Gehalt von allem ein, was um ihn herum
vorgeht, verwandelt jedes dunkle Gefühl in einen Begriff und
Gedanken, spricht jedes einzelne in einer allgemeineren Formel aus,
legt uns von allem die Bedeutung näher, und indem er dadurch
seinen eigenen Charakter erfüllt, erfüllt er zugleich aufs
vollkommenste den Zweck des Ganzen.
Der Stand und die äußere Lage, aus der
Sie ihn
wählten, macht ihn dazu besonders geschickt. Eine gewisse Welt ist
ihm nun ganz neu, er wird lebhafter davon frappiert, und während
daß er beschäftigt ist, sich dieselbe zu assimilieren,
führt er auch uns in das Innere derselben und zeigt uns, was darin
Reales für den Menschen enthalten ist. In ihm wohnt ein reines und
moralisches Bild der Menschheit, an diesem prüft er jede
äußere Erscheinung derselben, und indem von der einen Seite
die Erfahrung seine schwankenden Ideen mehr bestimmen hilft,
rektifiziert eben diese Idee, diese innere Empfindung gegenseitig
wieder die Erfahrung. Auf diese Art hilft Ihnen dieser Charakter
wunderbar, in allen vorkommenden Fällen und Verhältnissen,
das rein Menschliche aufzufinden und zusammen zu lesen. Sein
Gemüt ist zwar ein treuer, aber doch kein bloß passiver
Spiegel der Welt, und obgleich seine Phantasie auf sein Sehen
Einfluß hat, so ist dieses doch nur idealistisch, nicht
phantastisch, poetisch, aber nicht schwärmerisch; es liegt dabei
keine Willkür der spielenden Einbildungskraft, sondern eine
schöne moralische Freiheit zum Grunde.
Überaus wahr und treffend schildert ihn seine
Unzufriedenheit mit sich selbst, wenn er Theresen seine
Lebensgeschichte aufsetzt. Sein Wert liegt in seinem Gemüt,
nicht in seinen Wirkungen, in seinem Streben, nicht in seinem Handeln;
daher muß ihm sein Leben, sobald er einem andern davon
Rechenschaft geben will, so gehaltleer vorkommen. Dagegen kann eine
Therese und ähnliche Charaktere ihren Wert immer in barer
Münze aufzählen, immer durch ein äußres Objekt
dokumentieren. Daß Sie aber Theresen einen Sinn, eine
Gerechtigkeit für jene höhere Natur geben, ist wieder ein
sehr schöner und zarter Charakterzug; in ihrer klaren Seele
muß sich auch das, was sie nicht in sich hat, abspiegeln
können, dadurch erheben Sie sie auf einmal über alle jene
bornierte Naturen, die über ihr dürftiges Selbst auch in der
Vorstellung nicht hinaus können. Daß endlich ein
Gemüt wie Theresens an eine ihr selbst so fremde Vorstellungs- und
Empfindungsweise glaubt, daß sie das Herz, welches derselben
fähig ist, liebt und achtet, ist zugleich ein schöner Beweis
für die objektive Realität derselben, der jeden Leser dieser
Stelle erfreuen muß.
Es hat mich auch in dem achten Buche sehr gefreut,
daß Wilhelm anfängt, sich jenen imposanten Autoritäten,
Jarno und dem Abbé, gegenüber mehr zu fühlen. Auch
dies ist ein Beweis, daß er seine Lehrjahre ziemlich
zurückgelegt hat, und Jarno antwortet bei dieser Gelegenheit ganz
aus meiner Seele: „Sie sind bitter, das ist recht schön und gut,
wenn Sie nur erst einmal recht böse werden, so wird es noch
besser sein.“ — Ich gestehe, daß es mir ohne diesen Beweis von
Selbstgefühl bei unserm Helden peinlich sein würde, ihn mir
mit dieser Klasse so eng verbunden zu denken, wie nachher durch die
Verbindung mit Natalien geschieht. Bei dem lebhaften Gefühl
für die Vorzüge des Adels und bei dem ehrlichen
Mißtrauen gegen sich selbst und seinen Stand, das er bei so
vielen Gelegenheiten an den Tag legt, scheint er nicht ganz
qualifiziert
zu sein, in diesen Verhältnissen eine vollkommene Freiheit
behaupten zu können, und selbst noch jetzt, da Sie ihn mutiger
und selbstständiger zeigen, kann man sich einer gewissen Sorge um
ihn nicht erwehren. Wird er den Bürger je vergessen können,
und muß er das nicht, wenn sich sein Schicksal vollkommen
schön entwickeln soll? Ich fürchte, er wird ihn nie ganz
vergessen; er hat mir zuviel darüber reflektiert; er wird, was er
einmal so bestimmt außer sich sah, nie vollkommen in sich
hineinbringen können. Lotharios vornehmes Wesen wird ihn, so wie
Nataliens doppelte Würde des Standes und des Herzens, immer in
einer gewissen Inferiorität erhalten. Denke ich mir ihn zugleich
als den Schwager des Grafen, der das Vornehme seines Standes auch durch
gar nichts Ästhetisches mildert, vielmehr durch Pedanterie noch
recht heraussetzt, so kann mir zuweilen bange für ihn werden.
Es ist übrigens sehr schön, daß Sie,
bei
aller gebührenden Achtung für gewisse äußere
positive Formen, sobald es auf etwas rein Menschliches ankommt, Geburt
und Stand in ihre völlige Nullität zurückweisen und
zwar, wie billig, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren.
Aber was ich für eine offenbare Schönheit halte, werden Sie
schwerlich allgemein gebilliget sehen. Manchem wird es wunderbar
vorkommen, daß ein Roman, der so gar nichts „S a n s
c u l o t t i s c h e s“ hat, vielmehr an manchen Stellen der
Aristokratie das Wort zu reden scheint, mit drei Heiraten endigt, die
alle drei Mißheiraten sind. Da ich an der Entwicklung selbst
nichts anders wünsche, als es ist, und doch den wahren Geist des
Werkes auch in Kleinigkeiten und Zufälligkeiten nicht gerne
verkannt sehe, so gebe ich Ihnen zu bedenken, ob der falschen
Beurteilung nicht noch durch ein paar Worte „in Lotharios Munde“ zu
begegnen wäre. Ich sage in Lotharios Munde, denn dieser ist der
aristokratischte Charakter, er findet bei den Lesern aus seiner
Klasse am meisten Glauben, bei ihm fällt die Mésalliance
auch am stärksten auf. Zugleich gäbe dieses eine Gelegenheit,
die nicht so oft vorkommt, Lotharios vollendeten Charakter zu zeigen.
Ich meine auch nicht, daß dieses bei der Gelegenheit selbst
geschehen sollte, auf welche der Leser es anzuwenden hat; desto besser
vielmehr, wenn es unabhängig von jeder Anwendung und nicht als
Regel für einen einzelnen Fall aus seiner Natur herausgesprochen
wird.
Was Lothario betrifft, so könnte zwar gesagt
werden,
daß Theresens illegitime und bürgerliche Abkunft ein
Familiengeheimnis sei; aber desto schlimmer, dürften alsdann
manche sagen, so muß er die Welt hintergehen, um seinen
Kindern die Vorteile seines Standes zuzuwenden. Sie werden selbst am
besten wissen, wie viel oder wie wenig Rücksicht auf diese
Armseligkeiten zu nehmen sein möchte.
Für heute nichts weiter. Sie haben nun allerlei
durcheinander von mir gehört und werden noch manches hören,
wie ich voraussehe; möchte etwas darunter sein, was Ihnen dienlich
ist!
Leben Sie wohl und heiter.
Schiller
Sollten Sie den Vieilleville in den nächsten
acht
Tagen entbehren können, so bittet meine Frau darum und auch ich
wünschte eine Nachtlektüre darin zu finden.
Haben Sie auch die Güte, mir die Auslage zu
nennen,
die Sie für meine Tapeten gehabt haben, und zugleich zwei
Laubtaler dazu zu setzen, die ich Sie an Herrn Facius für das
Horenpetschaft auszulegen bat. Der Kaviar, den Humboldt Ihnen
schickte, und worüber ich mich mit ihm berechne, beträgt
acht Reichstaler, welches ich für eine g e n o s s e n
e Speise ziemlich
viel finde.
206 An
Schiller [184]
Gleich,
nachdem ich Ihren
ersten Brief erhalten hatte, fing ich an, Ihnen etwas darauf zu sagen;
nun überraschen mich, in meinen wahrhaft irdischen
Geschäften, Ihre zwei folgenden Briefe, wahrhaft als Stimmen aus
einer andern Welt, auf die ich nur horchen kann. Fahren Sie fort, mich
zu erquicken und aufzumuntern! Durch Ihre Bedenken setzen Sie mich in
den Stand, das achte Buch, sobald ich es wieder angreife, zu vollenden.
Ich habe schon fast für alle Ihre Desideria eine Auskunft, durch
die sich, selbst in meinem Geiste, das Ganze auch an diesen Punkten
mehr verbindet, wahrer und lieblicher wird. Werden Sie nicht
müde mir durchaus Ihre Meinung zu sagen, und behalten Sie das Buch
noch diese acht Tage bei sich. Was Sie von Cellini bedürfen,
bringe
ich indes vorwärts; ich schreibe Ihnen nur summarisch, was
ich am achten Buche noch zu arbeiten denke, und alsdann soll die
letzte Abschrift Anfang August aus unsern Händen sein.
Ihre Briefe sind jetzt meine einzige Unterhaltung,
und wie
dankbar ich Ihnen sei, daß Sie mir so auf einmal über so
vieles weghelfen, werden Sie fühlen. Leben Sie recht wohl und
grüßen Sei die liebe Frau.
Weimar, den 5. Juli 1796
Goethe
206-207 An
Goethe [185]
Mittwoch Abend. [Jena, den 6.
Juli 1796]
Ich wollte mich diesen Nachmittag mit Ihnen und dem
Meister beschäftigen, aber ich habe keinen freien Augenblick
gehabt, und mein Zimmer wurde nicht leer von Besuchen. Jetzt, da ich
schreibe, ist die Kalbische und Steinische Familie da; man spricht sehr
viel von der Idylle und meint, daß „sie Sachen enthalte, die noch
gar nicht seien von einem Sterblichen ausgesprochen worden.“ — Trotz
aller Entzückung darüber skandalisierte sich doch die Familie
Kalb an dem Päckchen, das dem Helden nachgetragen würde,
welches sie für einen großen Fleck an dem schönen Werke
hält. Das Produkt sei so r e i c h, und der
Held führe sich doch wie ein armer Mann auf.
Sie können denken, daß ich bei dieser
Kritik aus den Wolken fiel. Es war mir so neu, daß ich glaubte,
sie spräche von einem andern Produkte. Ich versicherte ihr aber,
daß ich mich an einer solchen Art von Armut nicht stieße,
wenn nur der andere Reichtum da sei.
Leben Sie recht wohl. Auf den Freitag mehr.
Schiller
207-209 An
Schiller [186]
Herzlich
danke ich Ihnen
für Ihren erquickenden Brief und für die Mitteilung dessen,
was Sie bei dem Roman, besonders bei dem achten Buche, empfunden und
gedacht. Wenn dieses nach Ihrem Sinne ist, so werden Sie auch Ihren
eigenen Einfluß darauf nicht verkennen, denn gewiß ohne
unser Verhältnis hätte ich das Ganze kaum, wenigstens
nicht auf diese Weise, zu Stande bringen können. Hundertmal, wenn
ich mich mit Ihnen über Theorie und Beispiel unterhielt, hatte ich
die Situationen im Sinne, die jetzt vor Ihnen liegen, und beurteilte
sie im Stillen nach den Grundsätzen, über die wir uns
vereinigten. Auch nun schützt mich Ihre warnende Freundschaft vor
ein Paar in die Augen fallenden Mängeln, bei einigen Ihrer
Bemerkungen habe ich das sogleich gefunden, wie zu helfen sei, und
werde bei der neuen Abschrift davon Gebrauch machen.
Wie selten findet man bei den Geschäften und
Handlungen des gemeinen Lebens die gewünschte Teilnahme, und in
diesem hohen ästhetischen Falle ist sie kaum zu hoffen, denn wie
viele Menschen sehen das Kunstwerk an sich selbst, wie viele
können es übersehen, und dann ist es doch nur die Neigung,
die alles sehen kann, was es enthält, und die reine Neigung, die
dabei noch sehen kann, was ihm mangelt. Und was wäre nicht noch
alles hinzuzusetzen, um den einzigen Fall auszudrücken, in dem ich
mich nur mit Ihnen befinde. —
So weit war ich gleich nach Ihrem ersten Briefe
gekommen,
äußere und innere Hindernisse hielten mich ab, fortzufahren;
auch fühle ich wohl, daß ich, selbst wenn ich ganz ruhig
wäre, Ihnen gegen Ihre Betrachtungen keine Betrachtungen
zurückgeben könnte. Was Sie mir sagen, muß, im ganzen
und einzelnen, in mir praktisch werden, damit das achte Buch sich Ihrer
Teilnahme recht zu erfreuen habe. Fahren Sie fort, mich mit meinem
eigenen Werke bekannt zu machen, schon habe ich in Gedanken Ihren
Erinnerungen entgegen gearbeitet, etwa künftigen Mittwoch will
ich die Art und Weise von dem, was ich zu tun gedenke, nur summarisch
anzeigen. Sonnabend den 16. wünschte ich das Manuskript
zurück, und am gleichen Tage soll Cellini aufwarten.
Sobald die Xenien abgeschrieben sind, schicke ich
Ihr
Exemplar zurück und arbeite indessen in meins hinein.
Ich habe die Idylle Kneblen gegeben, um sie in
Umlauf zu
setzen; einige Bemerkungen, die er mir ins Haus brachte, sowie die,
welche Sie mir mitteilen, überzeugen mich wieder aufs neue,
daß es unsern Hörern und Lesern eigentlich an
der
A u f m e r k s a m k e i t fehlt, die ein so obligates Werk
verlangt. Was ihnen
gleich einleuchtet, das nehmen sie wohl willig auf, über alles,
woran sie sich nach ihrer Art s t o ß e n,
urteilen sie auch schnell
ab, ohne vor- noch rückwärts, ohne auf den Sinn und
Zusammenhang zu sehen, ohne zu bedenken, daß sie eigentlich den
Dichter zu fragen haben, warum er dieses und jenes so und nicht anders
machte? Ist doch deutlich genug ausgedrückt:
S o r g l i c h reichte die Mutter ein nach b
e r e i t e t e s Bündel.
Es ist also keinesweges die ganze Equipage, die
schon
lange auf dem Schiff ist und dort sein muß, die Alte erscheint
nur, in ihrer Mutter- und Frauenart, tätig im einzelnen, der
Vater umfaßt die ganze Idee der Reise in seinem Segen. Der Sohn
nimmt das Päckchen selbst, da der Knabe schon wieder weg ist,
und um der Pietät gegen die Mutter willen und um das einfache
goldne Alter anzuzeigen, wo man sich auch wohl selbst einen Dienst
leistete. Nun erscheint, in der Gradation, auch das Mädchen
gebend, liebend und mehr als segnend, der Knabe kommt wieder
zurück, drängt und ist zum T r a g e n bei
der Hand, da Alexis
sich selbst kaum nach dem Schiffe tragen kann. Doch warum sag' ich das?
und warum Ihnen? — Von der andern Seite betrachtet, sollte man
vielleicht die Menschen, sobald sie nur einen guten Willen gegen etwas
zeigen, auch mit gutem Willen mit seinem ästhetischen
Gründen bekannt machen. — Nun seiht man aber, daß man nie
ins
Ganze wirken kann, und daß die Leser immer am einzelnen
hängen, da vergeht einem denn Lust und Mut, und man
überläßt sie in Gottes Namen sich selbst. Leben Sie
recht wohl, grüßen Sie die liebe Frau und danken ihr
für das Briefchen; ich wünsche bald wieder von Ihnen zu
hören.
Donnerstag [7. Juli]
Goethe
209-215 An
Goethe [187]
Jena, den 8. Juli 1796
Da Sie mir das achte Buch noch eine Woche lassen
können, so will ich mich in meinen Bemerkungen vorderhand
besonders auf dieses Buch einschränken; ist dann das Ganze einmal
aus Ihren Händen in die weite Welt, so können wir uns mehr
über die Form des Ganzen unterhalten, und Sie erweisen mir dann
den Gegendienst, mein Urteil zu rektifizieren.
Vorzüglich sind es zwei Punkte, die ich Ihnen,
vor
der gänzlichen Abschließung des Buches, noch empfehlen
möchte.
Der Roman, sowie er da ist, nähert sich in
mehrern
Stücken der Epopöe, unter andern auch darin, daß er
Maschinen hat, die in gewissem Sinne die Götter oder das
regierende Schicksal darin vorstellen. Der Gegenstand forderte dieses.
Meisters Lehrjahre sind keine bloß blinde Wirkung der Natur,
sie sind eine Art von Experiment. Ein verborgen wirkender höherer
Verstand, die Mächte des Turms, begleiten ihn mit ihrer
Aufmerksamkeit, und ohne die Natur in ihrem freien Gange zu
stören, beobachten, leiten sie ihn von ferne und zu einem Zwecke,
davon er selbst keine Ahnung hat, noch haben darf. So leise und locker
auch dieser Einfluß von außen ist, so ist er doch wirklich
da, und zu Erreichung des poetischen Zwecks war er
unentbehrlich.
L e h r j a h r e sind ein Verhältnisbegriff, sie fordern
ihr Korrelatum, die M e i s t e r s c h a f t, und
zwar muß die Idee von dieser
letzten jene erst erklären und begründen. Nun kann aber diese
Idee der Meisterschaft, die nur das Werk der gereiften und
vollendeten Erfahrung ist, den Helden des Romans nicht selbst leiten;
sie kann und darf nicht, als sein Zweck und sein Ziel v o r
ihm stehen,
denn sobald er das Ziel sich dächte, so hätte er es eo ipso
auch erreicht; sie muß also als Führerin h i n t
e r ihm stehen.
Auf diese Art erhält das Ganze eine schöne
Zweckmäßigkeit, ohne daß der Held einen Zweck
hätte; der Verstand findet also ein Geschäft ausgeführt,
indes die Einbildungskraft völlig ihre Freiheit behauptet.
Daß Sie aber auch selbst bei diesem
Geschäfte,
diesem Zweck — dem einzigen in dem ganzen Roman, der wirklich
ausgesprochen wird, selbst bei dieser geheimen Führung Wilhelms
durch Jarno und den Abbé, alles Schwere und Strenge vermeiden,
und die Motive dazu eher aus einer Grille, einer Menschlichkeit, als
aus moralischen Quellen hergenommen haben, ist eine von den Ihnen
eigensten Schönheiten. Der B e g r i f f einer
Maschinerie wird dadurch
wieder aufgehoben, indem doch die W i r k u n g
davon bleibt, und alles
bleibt, was die Form betrifft, in den Grenzen der Natur; nur das
Resultat ist mehr, als die bloße sich selbst überlassene
Natur hätte leisten können.
Bei dem allen aber hätte ich doch
gewünscht,
daß Sie das Bedeutende dieser Maschinerie, die notwendige
Beziehung derselben auf das i n n e r e Wesen, dem
Leser ein wenig
näher gelegt hätten. Dieser sollte doch immer klar in die
Ökonomie des Ganzen blicken, wenn diese gleich den handelnden
Personen verborgen bleiben muß. Viele Leser, fürchte ich,
werden in jenem geheimen Einfluß bloß ein theatralisches
Spiel und einen Kunstgriff zu finden glauben, um die Verwicklung zu
vermehren, Überraschungen zu erregen u. dgl. Das achte Buch gibt
nun zwar einen h i s t o r i s c h e n
Aufschluß über alle einzelnen
Ereignisse, die durch jene Maschinerie gewirkt wurden, aber
den
ä s t h e t i s c h e n Aufschluß über den
innern Geist, über
die poetische Notwendigkeit jener Anstalten gibt es nicht
befriedigend genug; auch ich selbst habe mich erst bei dem zweiten und
dritten lesen davon überzeugen können.
Wenn ich überhaupt an dem Ganzen noch etwas
auszustellen hätte, so wäre es dieses: „daß bei dem
großen und tiefen Ernste, der in allem Einzelnen herrscht und
durch den es so mächtig wirkt, die Einbildungskraft zu frei mit
dem Ganzen zu spielen scheint.“ — Mir deucht, daß Sie hier
die freie Grazie der Bewegung etwas weiter getrieben haben, als sich
mit dem poetischen Ernste verträgt, daß Sie über dem
gerechten Abscheu vor allem schwerfälligen, Methodischen und
Steifen sich dem andern extrem genähert haben. Ich glaube zu
bemerken, daß eine gewisse Kondescendenz gegen die schwache Seite
des Publikums Sie verleitet hat, einen mehr theatralischen Zweck und
durch mehr theatralische Mittel, als bei einem Roman nötig und
billig ist, zu verfolgen.
Wenn je eine poetische Erzählung der Hilfe des
Wunderbaren und Überraschenden entbehren konnte, so ist es Ihr
Roman; und gar leicht kann einem solchen Werke schaden, was ihm nicht
nützt. Es kann geschehen, daß die Aufmerksamkeit mehr auf
das Zufällige geheftet wird, und daß das Interesse des
Lesers sich konsumiert, Rätsel aufzulösen, da es auf den
innern Geist konzentriert bleiben sollte. Es kann geschehen, sage ich,
und wissen wir nicht beide, daß es wirklich schon geschehen ist?
Es wäre also die Frage, ob jenem Fehler, wenn
es
einer ist, nicht noch im achten Buche zu begegnen wäre. Ohnehin
träfe er nur die Darstellung der Idee; an der Idee selbst bleibt
gar nichts zu wünschen übrig. Es wäre also bloß
nötig, dem Leser dasjenige etwas bedeutender zu machen, was er
bis jetzt zu frivol behandelte, und jene theatralischen Vorfälle,
die er nur als ein Spiel der Imagination ansehen mochte, durch eine
deutlicher ausgesprochene Beziehung auf den höchsten Ernst des
Gedichtes, auch vor der Vernunft zu legitimieren, wie es wohl implicite,
aber nicht explicite
geschehen ist. Der Abbé scheint mir diesen
Auftrag recht gut besorgen zu können, und er wird dadurch auch
sich selbst mehr zu empfehlen Gelegenheit haben. Vielleicht wäre
es auch nicht überflüssig, wenn noch im achten Buch der
nähern Veranlassung erwähnt würde, die Wilhelmen zu
einem Gegenstand von des Abbé pädagogischen Planen machte.
Diese Plane bekämen dadurch eine speziellere Beziehung, und
Wilhelms Individuum würde für die Gesellschaft auch
bedeutender erscheinen.
Sie haben in dem achten Buch verschiedene Winke
hingeworfen, was Sie unter den Lehrjahren und der Meisterschaft
gedacht wissen wollen. Da der Ideen-Inhalt eines Dichterwerks,
vollends bei einem Publikum wie das unsrige, so vorzüglich in
Betrachtung kommt und oft das einzige ist, dessen man sich nachher noch
erinnert, so ist es von Bedeutung, daß Sie hier völlig
begriffen werden. Die winke sind sehr schön, nur nicht hinreichend
scheinen sie mir. Sie wollten freilich den Leser mehr selbst finden
lassen, als ihn geradezu belehren; aber eben weil Sie doch etwas
heraussagen, so glaubt man, dieses sei nun auch alles, und so haben Sie
Ihre Idee enger beschränkt, als wenn Sie es dem Leser ganz und gar
überlassen hätten, sie herauszusuchen.
Wenn ich das Ziel, bei welchem Wilhelm nach einer
langen
Reihe von Verirrungen endlich anlangt, mit dürren Worten
auszusprechen hätte, so würde ich sagen: „Er tritt von einem
leeren und unbestimmten Ideal in ein bestimmtes tätiges Leben,
aber ohne die idealisierende Kraft dabei einzubüßen.“ Die
zwei entgegengesetzten Abwege von diesem glücklichen Zustand sind
in dem Roman dargestellt, und zwar in allen möglichen Nuancen
und Stufen. Von jener unglücklichen Expedition an, wo er ein
Schauspiel aufführen will, ohne an den Inhalt gedacht zu haben,
bis auf den Augenblick, wo er — Theresen zu seiner Gattin wählt,
hat er gleichsam den ganzen Kreis der Menschheit e i n s e
i t i g durchlaufen;
jene zwei Extreme sind die beiden höchsten Gegensätze, deren
ein Charakter wie der seinige nur fähig ist, und daraus muß
nun die Harmonie entspringen. Daß er nun, unter der
schönen und heitern Führung der Natur (durch Felix) von dem
Idealischen zum Reellen, von einem vagen Streben zum Handeln und zur
Erkenntnis des wirklichen übergeht, ohne doch dasjenige
dabei einzubüßen, was in jenem ersten strebenden Zustand
Reales war, daß er Bestimmtheit erlangt, ohne die schöne
Bestimmbarkeit zu verlieren, daß er sich begrenzen lernt, aber in
dieser Begrenzung selbst, durch die Form, wieder den Durchgang zum
unendlichen findet usf. — dieses nenne ich die Krise seines Lebens,
das Ende seiner Lehrjahre, und dazu scheinen sich mir alle Anstalten in
dem Werk auf das vollkommenste zu vereinigen. Das schöne
Naturverhältnis zu seinem Kinde und die Verbindung mit
Nataliens edler Weiblichkeit garantieren diesen Zustand der geistigen
Gesundheit, und wir sehen ihn, wir scheiden von ihm auf einem Wege, der
zu einer endlosen Vollkommenheit führet.
Die Art nun, wie S i e sich
über den Begriff der
L e h r j a h r e und der M e i s t e r s c h a f t
erklären, scheint beiden eine
engere Grenze zu setzen. Sie verstehen unter den ersten bloß den
Irrtum, dasjenige außer sich zu suchen, was der innere Mensch
selbst hervorbringen muß; unter der zweiten die Überzeugung
von der Irrigkeit jenes Suchens, von der Notwendigkeit des eignen
Hervorbringens usw. Aber läßt sich das ganze Leben
Wilhelms, so wie es in dem Romane vor uns liegt, wirklich auch
vollkommen unter diesem Begriffe fassen und erschöpfen? Wird durch
diese Formel alles verständlich? Und kann er nun bloß
dadurch, daß sich das Vaterherz bei ihm erklärt, wie am
Schluß des siebenten Buchs geschieht, losgesprochen werden? Was
ich also hier wünschte, wäre dieses, daß die Beziehung
aller einzelnen Glieder des Romans auf jenen philosophischen Begriff
noch etwas klarer gemacht würde. Ich möchte sagen, die Fabel
ist vollkommen wahr; auch die Moral der Fabel ist vollkommen wahr; aber
das Verhältnis der einen zu der andern springt noch nicht
deutlich genug in die Augen.
Ich weiß nicht, ob ich mich bei diesen beiden
Erinnerungen recht habe verständlich machen können; die Frage
greift ins Ganze, und so ist es schwer, sie am Einzelnen gehörig
darzulegen. Ein Wink ist aber hier auch schon genug.
Ehe Sie mir das Exemplar der Xenien senden, so haben
Sie
doch die Güte, darin gerade auszustreichen, was Sie heraus
wünschen, und zu unterstreichen, was Sie geändert
wünschen. Ich kann dann eher meine Maßregeln nehmen, was
noch zu tun ist.
Möchte doch für die kleinen lieblichen
Gedichte,
die Sie noch zum Almanach geben wollten, und zu dem in petto habenden
Gedicht von Mignon noch Stimmung und Zeit sich finden! Der Glanz des
Almanachs beruht eigentlich ganz auf Ihren Beiträgen. Ich lebe und
webe jetzt wieder in der Kritik, um mir den Meister recht klar zu
machen, und kann nicht viel mehr für den Almanach tun. Dann
kommen die Wochen meiner Frau, die der poetischen Stimmung nicht
günstig sein werden.
Sie empfiehlt sich Ihnen herzlich.
Leben Sie recht wohl. Sonntag abends hoffe ich Ihnen
wieder etwas zu sagen.
Schiller
Wollten Sie wohl so gütig sein und mir den
fünften Band der großen Muratorischen Sammlung aus der
Bibliothek in W. verschaffen?
Noch ein kleines Anliegen.
Ich möchte gern Ihren Kopf vor den neuen
Musenalmanach setzen, und habe heute an Bolt in Berlin geschrieben, ob
er diese Arbeit noch übernehmen kann. Nun wünschte ich ihn
aber lieber nach einem Gemälde, als nach Lipsens Kupferstich, und
frage an: ob Sie sich entschließen könnten, das Porträt
von
Meyer dazu herzugeben?
Wollten Sie dieses nicht gern aus der Hand lassen,
so
erlaubten Sie mir doch, daß ich es kopieren ließe, wenn
sich
in Weimar ein erträglicher Maler dazu findet?
215-218 An
Schiller [188]
Indem ich
Ihnen, auf einem
besondern Blatt, die einzelnen Stellen verzeichne, die ich nach Ihren
Bemerkungen zu ändern und zu supplieren gedenke, so habe ich Ihnen
für Ihren heutigen Brief den höchsten Dank zu sagen, indem
Sie mich durch die in demselben enthaltnen Erinnerungen nötigen
auf die eigentliche Vollendung des Ganzen aufmerksam zu sein. Ich bitte
Sie, nicht abzulassen, um, ich möchte wohl sagen, mich aus meinen
eignen Grenzen hinauszutreiben. Der Fehler, den Sie mit Recht
bemerken, kommt aus meiner innersten Natur, aus einem gewissen
realistischen Tic, durch den ich meine Existenz, meine Handlungen,
meine Schriften den Menschen aus den Augen zu rücken behaglich
finde. So werde ich immer gerne inkognito reisen, das geringere Kleid
vor dem bessern wählen, und, in der Unterredung mit Fremden oder
Halbbekannten, den unbedeutendern Gegenstand oder doch den weniger
bedeutenden Ausdruck vorziehen, mich leichtsinniger betragen als ich
bin, und mich so, ich möchte sagen, zwischen mich selbst und
zwischen meine eigene Erscheinung stellen. Sie wissen recht gut, teils
wie es ist, teils wie es zusammenhängt.
Nach dieser allgemeinen Beichte will ich gern zur
besondern übergehn: daß ich ohne Ihren Antrieb und
Anstoß, wider besser Wissen und Gewissen, mich auch dieser
Eigenheit bei diesem Roman hätte hingehen lassen, welches denn
doch, bei dem ungeheuern Aufwand, der darauf gemacht ist, unverzeihlich
gewesen wäre, da alles das, was gefordert werden kann, teils so
leicht zu erkennen, teils so bequem zu machen ist.
So läßt sich, wenn die frühe
Aufmerksamkeit des Abbés auf Wilhelmen rein ausgesprochen wird,
ein ganz eigenes Licht und geistiger Schein über das Ganze werfen,
und doch habe ich es versäumt; kaum daß ich mich
entschließen konnte, durch Wernern etwas zugunsten seines
Äußerlichen zu sagen.
Ich hatte den Lehrbrief im siebenten Buch
abgebrochen, in
dem man bis jetzt nur wenige Denksprüche über Kunst und
Kunstsinn lest. Die zweite Hälfte sollte bedeutende Worte
über Leben und Lebenssinn enthalten, und ich hatte die
schönste Gelegenheit, durch einen mündlichen Kommentar des
Abbés die Ereignisse überhaupt, besonders aber die durch
die Mächte des Turms herbeigeführten Ereignisse zu
erklären und zu legitimieren, und so jene Maschinerie von dem
Verdacht eines kalten Romanbedürfnisses zu retten und ihr einen
ästhetischen Wert zu geben, oder vielmehr ihren ästhetischen
Wert ins Licht zu stellen. — Sie sehen, daß ich mit Ihren
Bemerkungen völlig einstimmig bin.
Es ist keine Frage, daß die scheinbaren, von
mir
ausgesprochenen Resultate viel beschränkter sind als der Inhalt
des Werks, und ich komme mir vor wie einer, der, nachdem er viele und
große Zahlen übereinander gestellt, endlich mutwillig
selbst Additionsfehler machte, um die letzte Summe aus Gott
weiß was für einer Grille zu verringern.
Ich bin Ihnen, wie für so vieles, auch
dafür den
lebhaftesten Dank schuldig, daß Sie, noch zur rechten Zeit, auf
so eine entschiedene Art, diese perverse Manier zur Sprache bringen,
und ich werde gewiß, insofern es mir möglich ist, Ihren
gerechten Wünschen entgegengehn. Ich darf den Inhalt Ihres
Briefes nur selbst an die schicklichen Orte verteilen, so ist der
Sache schon geholfen. Und sollte mir's ja begegnen, wie denn die
menschlichen Verkehrtheiten unüberwindliche Hindernisse sind,
daß mir doch die letzten bedeutenden Worte nicht aus der Brust
wollten, so werde ich Sie bitten zuletzt mit einigen kecken
Pinselstrichen das noch selbst hinzuzufügen, was ich, durch die
sonderbarste Naturnotwendigkeit gebunden, nicht auszusprechen vermag.
Fahren Sie diese Woche noch fort, mich zu erinnern und zu beleben, ich
will indes für Cellini und womöglich für den
Almanach sorgen.
Weimar, den 9. Juli 1796
Goethe
[Beilag]
Zum achten Buche
- Die sentimentale
Forderung bei Mignons Tod zu befriedigen.
- Der Vorschlag des
Balsamierens und die Reflexion über das Band zurück zu
rücken.
- Lothario kann bei
Gelegenheit, da er von Aufhebung des Feudalsystems spricht, etwas
äußern, was auf die Heiraten am Schlusse eine freiere
Aussicht gibt.
- Der Marchese wird
früher erwähnt, als Freund des Oheims.
- Das Prädikat
der schönen Seele wird auf Natalien abgeleitet.
- Die Erscheinung der
Gräfin wird motiviert.
- Werners Kindern
wird etwas von ihren Jahren abgenommen.
218 An
Schiller [189]
Die Xenien
erhalten Sie mit
meinem Gutachten zurück; die ernsthaften und wohlmeinenden sind
gegenwärtig so mächtig, daß man den Lumpenhunden, die
angegriffen sind, mißgönnt, daß ihrer in so guter
Gesellschaft erwähnt wird.
Wegen des Porträts sehe ich nicht, wie wir es
machen
wollen. Es ist niemand hier, der es zu diesem Endzweck kopieren
könnte; das Original selbst wegzugeben, ist allzu gefährlich,
auch ist Bolt ein gefälliger aber, wie mir's scheint, kein
gründlicher Künstler. Wie wär' es? Sie versparten Ihre
freundschaftliche Absicht bis auf Meyers Zurückkunft, da wir denn
in jedem Sinne etwas Gutes erwarten können.
Grüßen Sie Ihre liebe Frau. Wollten Sie
uns in
dem Falle, daß sich die Familie vermehrt, für die erste Zeit
Karln herüberschicken, so würde er Augusten sehr willkommen
sein und in Gesellschaft der vielen Kinder, die sich in meinem Hause
und Garten versammeln, sich recht wohl befinden. Leben sie wohl.
Weimar, den 9. Juli 1796
Goethe
Muratori folgt. Vieilleville werden Sie erhalten
haben.
Die Rechnung nächstens.
Durch verschiedne Einschränkungen wird die
nächste Sendung Cellini auch nur drei gedruckte Bogen und einige
Blätter.
218-224 An
Goethe [190]
Jena, den 9. Juli 1796
Es ist mir sehr lieb zu hören, daß ich
Ihnen
meine Gedanken über jene zwei Punkte habe klar machen können,
und daß Sie Rücksicht darauf nehmen wollen. Das, was Sie
Ihren realistischen Tic nennen, sollen Sie dabei gar nicht
verleugnen. Auch das gehört zu Ihrer poetischen
Individualität, und in den Grenzen von dieser müssen Sie ja
bleiben; alle Schönheit in dem Werk muß I h r e
Schönheit
sein. Es kommt also bloß darauf an, aus dieser subjektiven
Eigenheit einen objektiven Gewinn für das Werk zu ziehen, welches
gewiß gelingt, sobald Sie wollen. Dem Inhalte nach muß in
dem Werk a l l e s liegen, was zu seiner
Erklärung nötig ist,
und der Form nach muß es n o t w e n d i g
darin liegen, der innere
Zusammenhang muß es mit sich bringen — aber wie fest oder locker
es zusammenhängen soll, darüber muß Ihre eigenste Natur
entscheiden. Dem Leser würde es freilich bequemer sein, wenn Sie
selbst ihm die Momente, worauf es ankommt, blank und bar
zuzählten,
daß er sie nur in Empfang zu nehmen brauchte; sicherlich aber
hält es ihn bei dem Buche fester und führt ihn öfter zu
demselben zurück, wenn er sich selber helfen muß. Haben Sie
also nur dafür gesorgt, daß er gewiß findet, wenn er
mit gutem Willen und hellen Augen sucht, so ersparen Sie ihm ja das
Suchen nicht. Das Resultat eines solchen Ganzen muß immer die
eigene, freie, nur nicht willkürliche Produktion des Lesers sein;
es muß eine Art von Belohnung bleiben, die nur dem Würdigen
zuteil wird, indem sie dem unwürdigen sich entziehet.
Ich will, um es nicht zu vergessen, noch einige
Erinnerungen hersetzen, worauf ich, in Rücksicht auf jene geheime
Maschinerie, zu achten bitte. 1. Man wird wissen wollen, zu welchem
Ende der Abbé oder sein Helfershelfer den Geist des alten Hamlet
spielt. 2. Daß der Schleier mit dem Zettelchen „Flieh, flieh
usw.“ zweimal erwähnt wird, erregt Erwartungen, daß diese
Erfindung zu keinem unbedeutenden zwecke diene. Warum, möchte man
fragen, treibt man Wilhelmen von der einen Seite von dem Theater, da
man ihn doch von der andern zur Aufführung seines
Lieblingsstücks und zu seinem Debüt behilflich ist? Man
erwartet auf diese zwei Fragen eine mehr spezielle Antwort, als Jarno
bis jetzt gegeben hat. 3) Möchte man wohl auch gerne wissen, ob
der Abbé und seine Freunde, vor der Erscheinung Werners im
Schlosse, schon gewußt, daß sie es bei dem Gutskauf mit
einem so genauen Freund und Verwandten zu tun haben? ihrem Benehmen
nach scheint es fast so, und so wundert man sich wieder über das
Geheimnis, das sie Wilhelmen daraus gemacht haben. 4. Wäre
doch zu wünschen, daß man die Quelle erführe, aus
welcher der Abbé die Nachrichten von Theresens Abkunft
schöpfte, besonders da es doch etwas befremdet, daß dieser
wichtige Umstand so genau dabei interessierten Personen und die sonst
so
gut bedient sind, bis auf den Moment, wo der Dichter ihn braucht, hat
ein Geheimnis bleiben können.
Es ist wohl ein bloßer Zufall, daß die
zweite
Hälfte des Lehrbriefs weggeblieben ist, aber ein geschickter
Gebrauch des Zufalls bringt in der Kunst, wie im Leben, oft das
Trefflichste hervor. Mir deucht, diese zweite Hälfte des
Lehrbriefs könnte im achten Buch, an einer weit bedeutenderen
Stelle und mit ganz andern Vorteilen nachgebracht werden. die
Ereignisse sind unterdessen vorwärts gerückt; Wilhelm selbst
hat sich mehr entwickelt: er sowohl als der Leser sind auf jene
praktischen Resultate über das Leben und den Lebensgebrauch weit
besser vorbereitet; auch der Saal der Vergangenheit und Nataliens
nähere Bekanntschaft können eine günstigere Stimmung
dazu herbeigeführt haben. Ich riete deswegen sehr, jene
Hälfte des Lehrbriefs ja nicht wegzulassen, sondern wo
möglich den philosophischen Gehalt des Werkes — deutlicher oder
versteckter — darin niederzulegen. Ohnehin kann, bei einem Publikum,
wie
nun einmal das deutsche ist, zu Rechtfertigung einer Absicht, und hier
namentlich noch zu Rechtfertigung des Titels, der vor dem Buche steht
und jene Absicht deutlich ausspricht, nie zu viel geschehen.
Zu meiner nicht geringen Zufriedenheit habe ich in
dem
achten Buche auch ein paar Zeilen gefunden, die gegen die Metaphysik
Fronte machen und auf das spekulative Bedürfnis im Menschen
Beziehung haben. Nur etwas schmal und klein ist das Almosen
ausgefallen, das Sie der armen Göttin reichen, und ich weiß
nicht, ob man Sie mit dieser kargen Gabe quittieren kann. Sie werden
wohl wissen, von welcher Stelle ich hier rede, denn ich glaube es ihr
anzusehen, daß sie mit vielem Bedacht darein gekommen ist.
Ich gestehe es, es ist etwas stark, in unserm
spekulativischen Zeitalter einen Roman von diesem Inhalt und von diesem
weiten Umfang zu schreiben, worin „das einzige was Not ist“ so leise
abgeführt wird — einen so sentimentalischen Charakter, wie Wilhelm
doch immer bleibt, seine Lehrjahre ohne Hilfe jener würdigen
Führerin vollenden zu lassen. Das schlimmste ist, daß er sie
wirklich in allem Ernste vollendet, welches von der Wichtigkeit jener
Führerin eben nicht die beste Meinung erweckt.
Aber im Ernste — woher mag es kommen, daß Sie
einen
Menschen haben erziehen und fertig machen können, ohne auf
Bedürfnisse zu stoßen, denen die Philosophie nur begegnen
kann? Ich bin überzeugt, daß dieses bloß
der
ä s t h e t i s c h e n R i c h t u n g
zuzuschreiben ist, die Sie in dem ganzen
Romane genommen. Innerhalb der ästhetischen Geistesstimmung regt
sich kein Bedürfnis nach jenen Trostgründen, die aus
der Spekulation geschöpft werden müssen; sie hat
Selbständigkeit, Unendlichkeit in sich; nur wenn sich das
Sinnliche und das Moralische im Menschen feindlich entgegenstreben,
muß bei der reinen Vernunft Hilfe gesucht werden. Die
gesunde und schöne Natur braucht, wie Sie selbst sagen, keine
Moral, ein Naturrecht, keine politische Metaphysik: Sie hätten
ebensogut auch hinzusetzen können, sie braucht keine Gottheit,
keine Unsterblichkeit um sich zu stützen und zu halten. Jene drei
Punkte, um die zuletzt alle Spekulation sich dreht, geben einem
sinnlich ausgebildeten Gemüt zwar Stoff zu einem poetischen
Spiel, aber sie können nie zu ernstlichen Angelegenheiten und
Bedürfnissen werden.
Das einzige könnte man vielleicht noch dagegen
erinnern, daß unser Freund jene ästhetische Freiheit noch
nicht so ganz besitzt, die ihn vollkommen sicher stellte, in gewisse
Verlegenheiten nie zu geraten, gewisser Hilfsmittel (der
Spekulation) nie zu bedürfen. Ihm fehlt es nicht an einem gewissen
philosophischen Hange, der allen sentimentalen Naturen eigen ist, und
käme er also einmal ins Spekulative hinein, so möchte es, bei
diesem Mangel eines philosophischen Fundaments, bedenklich um ihn
stehen: denn nur die Philosophie kann das Philosophieren
unschädlich machen; ohne sie führt es unausbleiblich zum
Mystizism. (Die Stiftsdame selbst ist ein Beweis dafür. Ein
gewisser ästhetischer Mangel machte ihr die Spekulation zum
Bedürfnis, und sie verirrte zur Herrenhuterei, weil ihr die
Philosophie nicht zu Hilfe kam; als Mann hätte sie vielleicht
alle Irrgänge der Metaphysik durchwandert.)
Nun ergeht aber die Forderung an Sie (der Sie auch
sonst
überall ein so hohes Genüge getan), Ihren Zögling mit
vollkommener Selbständigkeit, Sicherheit, Freiheit und gleichsam
architektonischer Festigkeit so hinzustellen, wie er ewig stehen kann,
ohne einer äußern Stütze zu bedürfen; man will ihn
also durch eine ästhetische Reife auch selbst über das
Bedürfnis einer philosophischen Bildung, die er sich nicht
gegeben hat, vollkommen hinweggesetzt sehen. Es fragt sich jetzt: ist
er Realist genug, um nie nötig zu haben, sich an der reinen
Vernunft zu halten? Ist er es aber nicht — sollte für die
Bedürfnisse des Idealisten nicht etwas mehr gesorgt sein?
Sie werden vielleicht denken, daß ich
bloß
einen künstlichen Umweg nehme, um Sie doch in die Philosophie
hineinzutreiben; aber was ich noch etwa vermisse, kann sicherlich auch
in Ihrer Form vollkommen gut abgetan werden. Mein Wunsch geht
bloß dahin, daß Sie die Materien quaestionis nicht u m g
e h e n,
sondern ganz auf Ihre Weise lösen möchten. Was bei Ihnen
selbst alles spekulative Wissen ersetzt und alle Bedürfnisse dazu
Ihnen fremd macht, wird auch bei Meistern vollkommen genug sein. Sie
haben den Oheim schon sehr vieles sagen lassen, und auch Meister
berührt den Punkt einigemal sehr glücklich; es wäre also
nicht so gar viel mehr zu tun. Könnte ich nur in Ihre Denkweise
dasjenige einkleiden, was ich im Reich der Schatten und in den
ästhetischen Briefen, der meinigen gemäß,
ausgesprochen habe, so wollten wir sehr bald einig sein.
Was Sie über Wilhelms Äußerliches
Wernern
in den Mund gelegt, ist von ungemein guter Wirkung für das Ganze.
Es ist mir eingefallen, ob Sie den Grafen, der am Ende des achten
Buches erscheint, nicht auch dazu nutzen könnten, Wilhelmen zu
völligen Ehren zu bringen. Wie, wenn der Graf, der
Zeremonienmeister des Romans, durch sein achtungsvolles Betragen
und durch eine gewisse Art der Behandlung, die ich Ihnen nicht
näher zu bezeichnen brauche, ihn auf einmal su seinem Stande
heraus in einen höheren stellte, und ihm dadurch auf gewisse Art
den noch fehlenden Adel erteilte? Gewiß, wenn selbst der Graf
ihn distinguierte, so wäre das Werk getan.
Über Wilhelms Benehmen im Saal der
Vergangenheit,
wenn er diesen zum erstenmal mit Natalien betritt, habe ich noch eine
Erinnerung zu machen. Er ist mir hier noch zu sehr der alte Wilhelm,
der im Hause des Großvaters am liebsten bei dem kranken
Königssohn verweilte, und den der Fremde, im ersten Buch, auf
einem so unrechten Wege findet. Auch noch jetzt bleibt er fast
ausschließend bei dem bloßen S t o f f
der Kunstwerke stehen
und poetisiert mir zu sehr damit. Wäre hier nicht der Ort gewesen,
den Anfang einer glücklicheren Krise bei ihm zu zeigen, ihn zwar
nicht als Kenner, denn das ist unmöglich, aber doch als einen mehr
objektiven Betrachter darzustellen, so daß etwa ein Freund, wie
unser Meyer, Hoffnung von ihm fassen könnte?
Sie haben Jarno schon im siebenten Buche so
glücklich
dazu gebraucht, durch seine harte und trockene Manier eine Wahrheit
heraus zu sagen, die den Helden so wie den Leser auf einmal um einen
großen Schritt weiter bringt: ich meine die Stelle, wo er
Wilhelmen das Talent zum Schauspiele rundweg abspricht. Nun ist mir
beigefallen, ob er ihm nicht in Rücksicht auf Theresen und
Natalien einen ähnlichen Dienst, mit gleich gutem Erfolg für
das Ganze, leisten könnte. Jarno scheint mir der rechte Mann zu
sein, Wilhelmen zu sagen, daß Therese ihn nicht glücklich
machen könne, und ihm einen Wink zu geben, welcher weibliche
Charakter für ihn tauge. Solche einzelne dürrgesprochene
Worte, im rechten Moment gesagt, entbinden auf einmal den Leser von
einer schweren Last, und wirken wie ein Blitz, der die ganze Szene
erleuchtet.
Montag [11. Juli] früh
Ein Besuch hinderte mich gestern, diesen Brief
abzusenden.
Heute kann ich nichts mehr hinzusetzen, da es zu unruhig bei mir
zugeht. Meine Frau ist ihrer Niederkunft nahe, und Starke vermutet sie
schon heute. Für Ihr freundschaftliches Anerbieten, den Karl zu
sich zu nehmen, danken wir Ihnen herzlich. Er ist uns nicht zur Last,
da wir einige Personen mehr zur Bedienung angenommen und die
Disposition mit den Zimmern gemacht haben, daß er nicht
stört. Für Vieilleville und Muratori danke ich Ihnen bestens.
Schlegel ist mit seiner Frau wieder hier angekommen; die kleine Paulus
ist eilig nach Schwaben abgereist, ihre kranke Mutter zu besuchen.
Leben sie recht wohl. Auf den Mittwoch hoffe ich Ihnen mit
erleichtertem Herzen weitere Nachricht zu geben.
Schiller
224-225 An
Goethe [191]
Montag [11. Juli] nachmittag 3
Uhr
Vor zwei Stunden erfolgte die Niederkunft der
kleinen Frau
über Erwarten geschwind und ging unter Starkes Beistand leicht und
glücklich vorüber. Meine Wünsche sind in jeder
Rücksicht erfüllt, denn es ist ein Junge, frisch und stark,
wie das Ansehen es gibt. Sie können wohl denken, wie leicht mir's
ums Herz ist, um so mehr, da ich dieser Epoche nicht ohne Sorge, die
Krämpfe möchten die Geburt übereilen, entgegensah.
Jetzt also kann ich meine kleine Familie anfangen zu
zählen; es ist eine eigene Empfindung, und der Schritt von eins zu
zwei ist viel größer, als ich dachte.
Leben Sie wohl. Die Frau grüßt; sie ist,
die
Schwäche abgerechnet, recht wohl auf.
Schiller
225-226 An
Schiller [192]
Zu dem
neuen Ankömmling wünsche ich von Herzen Glück;
mögen Sie recht viel Freude an dem Knabenpaar erleben.
Grüßen Sie Ihre liebe Frau auf das beste und schönste
von mir.
Künftigen Sonnabend, wenn mir es möglich
ist, komme ich, Sie zu besuchen. Über den Roman müssen wir
nun notwendig mündlich konferieren, auch wegen der Xenien und
mancher anderer Dinge, die ich auf dem Herzen habe; bei jenem wird die
Hauptfrage sein: wo sich die L e h r j a h r e
schließen, die eigentlich gegeben werden sollen, und inwiefern
man Absicht hat, künftig die Figuren etwa noch einmal auftreten zu
lassen. Ihr heutiger Brief deutet mir eigentlich auf eine Fortsetzung
des Werks, wozu ich denn auch wohl Idee und Lust habe, doch davon eben
mündlich. Was rückwärts notwendig ist,
muß g e t a n werden, so wie man
vorwärts d e u t e n muß, aber es
müssen Verzahnungen stehen bleiben, die, so gut wie der Plan
selbst, auf eine weitere Fortsetzung deuten; hierüber wünsche
ich mich recht mit Ihnen auszusprechen. Schicken Sie mir nichts mit den
Botenweibern und behalten das Manuskript. Die Xenien, Cellini und sonst
noch was vielleicht bringe ich mit. Grüßen Sie Schlegeln und
seine Frau; ich freue mich, beide diesmal zu finden.
Daß die kleine Freundin, bei so einem
unangenehmen Anlaß und in so einer kritischen Zeit, die Reise
macht, ist mir nicht halb recht; es sieht in Schwaben wie am Ober- und
Unterrheine höchst mißlich aus.
Leben Sie recht wohl in Ihrem friedlichen Tal und
genießen der schönen Jahrszeit wenigstens aus dem Fenster.
Weimar, den 12. Juli 1796
Goethe
226-227 An
Goethe [193]
Dienstag Abend. 12. Juli
Noch steht es um die kleine Gesellschaft so gut, als
man's
nur wünschen kann. Meine Frau getraut sich selbst zu stillen,
welches mir auch sehr erwünscht ist.
Donnerstag wird die Taufe sein. Wenn die
Umstände so
ruhig bleiben, wie sie jetzt sind, so wird mein Gemüt heiter
genug sein, das achte Buch des Romans noch einmal mit Besonnenheit zu
durchgehen, ehe ich es Ihnen zurücksende.
Es hat nichts zu sagen, wenn die nächste
Lieferung
des Cellini auch kleiner ausfällt. Ich habe allerlei nicht
Unbrauchbares, das Monatstück zu füllen.
Sie haben mir noch nicht geschrieben, wie es mit der
Zeichnung und dem Kupferstich zu Hirts Aufsatze steht.
Daß ich Ihren Kopf nicht zu dem
diesjährigen Almanach bekommen kann, tut mir sehr leid.
Eine Verzierung müssen wir einmal haben, und das wäre doch
die vernünftigste gewesen. Da ich unter den lebendigen keinen
andern Kopf mag, so werde ich das Porträt von U z,
der
kürzlich verstorben ist, zu bekommen suchen. Es gibt uns so ein
Ansehen von Billigkeit und Honnêteté, wenn wir einem aus
der
alten Zeit diese Ehre erweisen. Vielleicht können Sie mir
durch
K n e b e l n dazu verhelfen. Ich bezahle gern was ein
Gemälde oder eine
Zeichnung kosten kann.
Leben Sie aufs beste wohl. Meine Frau
grüßt
schön. Frau Charlotte wird das Kind heben; es ist ihr eine
große Angelegenheit, und sie verwunderte sich, daß sie es
nicht in Ihrer Gesellschaft sollte, besonders da der Junge auch einen
Wilhelm unter seinen Namen hat.
Leben Sie recht wohl.
Schiller
227 An
Schiller [194]
Weimar, den 13. Juli 1796
Viel Glück zum guten Fortgang alles dessen, was
sich aufs neue Lebendige bezieht. Grüßen Sei die liebe Frau
und Frau Gevatterin. Zur Taufe hätte ich mich ohngebeten
eingestellt, wenn ich diese Zeremonien nicht gar zu sehr verstimmten.
Ich komme dafür Sonnabends, und wir wollen ein paar frohe Tage
genießen. Leben Sie wohl. Heute erlebe ich auch eine eigne
Epoche, mein Ehstand ist eben acht Jahre und die französische
Revolution sieben Jahre alt.
Goethe
Die Kupferstiche zu Hirts Abhandlung sind in der
Arbeit und sollen gut werden. Den einen wollte man nicht unter vier
Karolin machen, der andere soll etwas wohlfeiler kommen. Es ist
freilich viel und genaue Arbeit daran.
Knebel werde ich um Uz angehen.
227 An
Schiller [195]
In Hofrat
Loders Gesellschaft bin ich gestern recht geschwinde
herübergekommen. Am Roman wird eifrig abgeschrieben. Heute
früh beim Pyrmonter habe ich mir einen kleinen Aufsatz ausgedacht,
durch den ich zuerst mir und Ihnen Rechenschaft von meiner Methode, die
Natur zu beobachten, zu geben gedenke, woraus künftig ein
Vorbericht zu meinen Arbeiten dieser Art formiert werden kann. Hier ein
Naturprodukt, das in dieser Jahrszeit geschwind verzehrt werden
muß. Ich wünsche, daß es wohl schmecken und bekommen
möge.
Weimar, den 20. Juli 1796
Goethe
228 An
Goethe [196]
[Jena, den 22. Juli 1796]
Nur zwei Zeilen zum Gruß nebst unserm
schönsten Dank für den Fisch, der uns, nämlich meiner
Schwiegermutter und mir und Schlegels, die wir dazu geladen, ganz
vortrefflich geschmeckt hat.
Ich bin von einer Depesche an Cotta und allerlei
kleinen Notdürftigkeiten so erschöpft und ermüdet,
daß ich heute nichts mehr schreiben kann noch will. Die
Frankfurter Begebenheiten sollen Sie und Ihre Mutter, wie ich hoffe,
nicht so schwer betroffen haben noch betreffen. Erfahren Sie etwas, was
man in Zeitungen nicht lesen kann, über diese Vorfälle, so
lassen Sie es mir doch auch zukommen. Leben sie recht wohl.
Abends um 10 Uhr
Schiller
Hier sagte man heute, der Koadjutor sei gefangen.
228-230 An
Schiller [197]
Ich habe
zwei Briefe von Meyer erhalten, die mich sehr beruhigen; er hat sich
mit einem Landsmanne nach Florenz zurückgezogen und ist lustig und
guter Dinge, rezensiert schon die Arbeiten des Cellini und ist
unglaublich erbaut von den Arbeiten der ältern Florentiner.
Hierbei ein Briefchen das ich niemand zu zeigen
bitte; wenn ich etwas weiter erfahre, so teile ich es mit. Frankfurt
hat doch mehr gelitten, als wahrscheinlich war.
Am Roman wird fleißig abgeschrieben.
Künftigen Mittwoch hoffe ich die größte Hälfte zu
überschicken. Es ist recht gut, daß ich so weit bin, und
köstlich, daß Sie mir in der Beurteilung beistehn. In den
jetzigen Augenblicken möchte die nötige Sammlung und
Konzentration kaum möglich sein.
Leben Sie recht wohl.
Weimar, den 22. Juli 1796
Goethe
Den 23.
Juli
Hier noch einige Nachrichten.
Kursachsen macht Anstalten zu einem Kordon.
Die Franzosen haben die Österreicher bei
Gemünden repoussiert und waren also nur noch 5 Meilen von
Würzburg. Wahrscheinlich sind sie dort schon angelangt und finden
erstaunliche Magazine und gerettete Schätze.
Nach allen Nachrichten gehen die sächsischen
Kontingente zurück. Die Österreicher gehen hinter die
Donau; Würzburg muß 12000 Pferde stellen, um sie retro zu
spedieren.
Würtemberg macht Friede und hat schon
Waffenstillstand. Mannheim soll so gut wie verloren sein. Der
Kaiserliche Hof läßt 30000 Mann aus Böhmen und
Galizien kommen.
Frankfurt hat 174 Häuser verloren, zahlt acht
Millionen Livres Geld, 1½ Million Tuch und Zeug und eine Menge
Vivres; dafür soll kein Einwohner ohne Urteil und Recht
mortifiziert werden.
So lauten ohngefähr die tröstlichen
Nachrichten
von verschiedenen Orten und Enden. Das Schicksal unserer Gegenden
beruht bloß darauf: ob es möglich sein wird Zeit zu
gewinnen. Einem ersten Anlauf und einer Streiferei wird man allenfalls
widerstehen können. Daß der König von Preußen in
Pyrmont und also doch die letzte Instanz bei der Hand ist, daß
ihm und dem Landgrafen von Hessen selbst viel daran gelegen sein
muß, einen Frieden für Kursachsen zu vermitteln, daß
die Franzosen genug zu tun haben, den Österreichern durch Franken,
Schwaben und Bayern nach Böhmen zu folgen, und sie auf ihrem
eignen Grund und Boden zu bezwingen, das zusammen läßt uns
einige Hoffnung schöpfen, wenn nicht diese, wie so viele andere,
zu nichte wird.
Von meiner Mutter habe ich noch keine Nachricht; sie
wohnt
auf dem großen Platz, wo die Hauptwache steht, und sieht grade
die
Zeil hinauf; sie hat also den ganzen Halbkreis der Stadt, der
bombardiert wurde, vor ihren Augen gehabt.
Ich habe indessen fortgefahren, meine Tonne zu
wälzen.
Wie die Abschrift des Romans vorrückt, habe ich die verschiedenen
desiderata zu erledigen
gesucht; mit welchem Glück, werden Sie
beurteilen. Leben Sie recht wohl. Die Nachricht vom Koadjutor ist
nicht wahrscheinlich, er hatte Raum und Zeit genug, sich nach Ulm
zurückzuziehen; sogar das Condésche Korps, das in Freiburg
stand, scheint sich gerettet zu haben. Was ich weiter vernehme,
erfahren
Sie auch.
Goethe
230-231 An
Goethe [198]
Jena, den 25. Juli 1796
In
diesen
letzten Tagen habe ich mich nicht wohl genug gefühlt, um über
etwas, was uns interessiert, zu reden; auch heute enthalt' ich mich,
denn der Kopf ist mir von einer schlaflosen Nacht zerstört.
Die
politischen Dinge, denen ich so gern immer auswich, rücken einem
doch nachgerade sehr zu Leibe. Die Franzosen sind in Stuttgart, wohin
die Kaiserlichen sich anfangs geworfen haben sollen, so daß jene
die Stadt beschießen mußten. Ich kann das aber nicht
glauben, da Stuttgart kaum Mauern hat, und es keinem Menschen der bei
Sinnen ist, einfallen kann, sich auch nur drei Stunden darin halten zu
wollen. Von meiner Familie habe ich seit mehreren Wochen keine
Nachricht; die gegenwärtige ist aus einem Briefe der kleinen
Paulus. Der Zusammenhang zwischen Stuttgart und Schorndorf war damals,
wie die Kleine schrieb, gehemmt, und so sind also auch die Posten von
daher abgeschnitten gewesen.
Hier
in
meinem Hause geht es noch ganz gut, nur daß aus dem Stillen
meiner Frau nichts zu werden scheint, weil nichts mehr kommt.
Neulich
erfuhr ich, daß Stolberg und wer sonst noch bei ihm war, den
Meister feierlich verbrannt habe, bis auf das sechste Buch, welches er,
wie Arndts Paradiesgärtlein, rettete und besonders binden
ließ. Er hält es in allem Ernste für eine Anempfehlung
der Herrenhuterei und hat sich sehr daran erbaut.
Von
Baggesen
spukt ein Epigramm auf meinen Musenalmanach, worin die Epigramme
übel wegkommen sollen. Die Pointe ist, daß „nachdem man erst
idealische Figuren an dem Leser vorübergehen lassen, endlich ein
venetianischer Nachttopf über ihn ausgeleert werde“. — Das Urteil
wenigstens sieht einem begossenen Hunde sehr ähnlich. Ich empfehle
Ihnen diese beiden Avis zu bestem Gebrauche. Haben Sie die Güte
mir, was Sie noch von Xenien haben, zu senden, weil es jetzt mit dem
Drucke sehr ernst ist.
Mein
voriger
Musenalmanach ist in Wien verboten; wir haben also in Rücksicht
auf den neuen um so weniger zu schonen.
Folgendes
Epigramm ist das Neueste aus Berlin, wie Sie sehn werden.
U n g e r
über seine beiden
Verlagsschriften:
„W i l h e l
m M e i s t e r“ und das
Journal „D e u t s c h l a n d“.
Der Lettern neuen Schnitt dem Leser zu empfehlen,
Mußt' ich des
Meisters Werk zur e r s t e n Probe wählen,
Die zweite ist, und dann
ist alles abgetan,
Wenn selbst des Pfuschers Werk
sie nicht verrufen kann.
Leben
Sie
recht wohl. Das abgeschriebene achte Buch soll mich wieder aufs neue in
Bewegung setzen. Über die naturhistorischen Dinge mündlich.
Herder hat zum Almanach mancherlei geschickt; auch einiges, wovon
geschrieben steht:
facit
indignatio versum
Qualemcunque
potest.
Die
Frau
grüßt bestens.
Schiller
232 An
Schiller [199]
Ich schicke
hier einen guten Brief von Meyer; es ist der zweite, den ich von
Florenz erhalte, wo er sich ganz wohl befindet: ich wünsche nur,
daß er sich mit recht breiter Ruhe daselbst festsetzen möge.
Auf den Sonnabend schicke ich wohl noch ein paar
Dutzend Xenien. Könnten Sie mir nicht, wie Sie beim Almanach
vorwärts rucken, das Manuskript erst herüberschicken? Ich
habe in den Xenien manche Stelle verändert, auch hie und da noch
Überschriften gefunden, vielleicht wäre etwas davon zu
brauchen.
Die Abschrift des Romans geht vorwärts, und ich
finde noch mancherlei darin zu tun; ich hoffe ihn den 3. oder den 6.
August zu schicken; den 10. besuche ich Sie, und da, hoff' ich, wollen
wir bald zum Schluß kommen.
Bis dahin wird sich auch wohl das politische Unheil
mehr aufgeklärt haben. Thüringen und Sachsen hat, so scheint
es, Frist sich zu besinnen, und das ist schon viel Glück.
Kants Aufsatz über die v o r n e h
m e Art zu philosophieren, hat mir viel Freude gemacht; auch
durch diese Schrift wird die Scheidung dessen, was nicht zusammen
gehört, immer lebhafter befördert.
Die Autodafés der Stolberge und die Epigramme
der Baggesen sollen ihnen übel bekommen; sie haben ja so nur einen
Kredit, weil man sie toleriert hat, und es wird keine große
Mühe kosten, sie in den Kreis zu bannen, wohin sie gehören.
Leben Sie recht wohl! Ich wünsche Ihrer Frau bei der
Veränderung gute Gesundheit und dem Kleinen, bei seiner neuen
Nahrung, Gedeihen. Ich werde indessen so fleißig als möglich
sein, um einige Zeit in Ruhe bei Ihnen bleiben und mich über
manche neue Unternehmung mit Ihnen unterhalten zu können.
Weimar, den 26. Juli 1796
Goethe
233 An
Schiller [200]
Sie haben
so oft, nebst
anderen Freunden, gewünscht, daß unsere Schauspieler
manchmal
in Jena spielen möchten; soeben tritt eine Epoche ein, wo wir sie
von Lauchstädt aus zu Ihnen schicken können; ist alsdann das
Theater einmal eingerichtet, so versteht sich, daß die Sache im
Gang bleiben kann. Schreiben Sie mir doch ein wenig die Disposition der
Gemüter, bringen Sie besonders die Frauens in Bewegung.
Der Herzog hat (unter uns gesagt) mir die Sache ganz
überlassen; an Gotha hat man ein Kompliment hierüber gemacht,
und sie haben auch nichts dagegen; doch soll und mag ich die Sache
nicht ohne Beistimmung der Akademie vornehmen. Ich werde sie aber nicht
eher durch den Prorektor an den Senat bringen, als bis ich gewiß
Majora vor mir habe. Lassen Sie also durch Ihre Bekannte und Freunde
das Wünschenswerte einer solchen neuen Erscheinung recht
ausbreiten und sagen mir bald Nachricht, wie es aussieht?
Ich wünschte die Mère coupable auf kurze
Zeit zu haben; ist sie noch in Ihren Händen, oder können Sie
solche geschwind haben, so kann Herr Hofkammerrat Kirms, der
dieses bringt, sie abends mitnehmen.
Hier ein Brief von meiner Mutter.
Schreiben Sie mir, wie die Ihrigen sich befinden.
Übrigens ist alles in solcher Konfusion und
Bewegung,
daß die ästhetische Stimmung, die erforderlich wäre,
den
Roman nach unseren Wünschen zu vollenden, nur als eine Wundergabe
erwartet werden kann. Indessen ist auch daran nicht ganz zu
verzweifeln. Leben Sie recht wohl.
Weimar, den 28. Juli 1796
Goethe
233-235 An
Goethe [201]
[Jena, den 28. Juli
1796]
Hier die Xenien, welche mir baldmöglichst
zurückzusenden bitte. Was ausgestrichen ist, bleibt teils weg,
teils ist es schon gedruckt oder für den Druck herausgeschrieben.
Änderungen in dem Ausgestrichenen sind also entweder unnötig
oder auch schon zu spät. Die Namen unter den einzelnen Versen
bedeuten nichts, und es ist auch nicht dabei geblieben.
Für die Komödie will ich Stimmen zu werden
suchen und gleich bei dem Hausherrn anfangen, der sonst dazu geneigt
gewesen ist. Für meine Frau besonders wird es mir sehr lieb sein,
wenn es zur Ausführung kommt. Diese befindet sich recht
erträglich; der Kleine leidet viel von Säure und
Krämpfen, doch scheint er sich nach und nach an die neue Nahrung
zu gewöhnen. Man sollte nicht denken, daß man bei so viel
Sorgen von innen und außen einen leidlichen Humor behalten oder
gar Verse machen könnte. Aber die Verse sind vielleicht auch
darnach.
Für den Roman fürchte ich übrigens
gar
nichts. Das wenige, was noch zu tun ist, hängt von ein paar
glücklichen Apperçus
ab, und im äußern
Gedränge pflegt man oft die wunderbarsten Offenbarungen zu
erhalten.
Meyers Stimme aus Florenz hat mich recht erquickt
und
erfreut. Es ist eine Lust, ihn zu hören, mit welcher zarten
Empfänglichkeit er das Schöne aufnimmt, und bei einem so
denkenden und analysierenden Geist, wie der seinige, ist diese
Rührungsfähigkeit, diese offene Hingebung eine unendlich
schätzbare Eigenschaft.
Seine Idee zu einem Bilde scheint mir überaus
glücklich und malerisch zu sein. Schreiben Sie ihm, so bitte ich
ihm recht viel Freundschaftliches von mir zu sagen.
Die Idylle ist abgedruckt, und ich werde den
Probebogen
nächstens schicken. Die zur Eisbahn gehörigen Xenien
(Mittelalter und Individualität abgerechnet) habe ich in ein
Gedicht zusammen gerückt und die einzelnen Überschriften
weggelassen. Dasselbe läßt sich im kleinen auch noch bei
einigen andern tun und wird die Mannigfaltigkeit der Formen vermehren.
Vielleicht haben Sie auch Lust die Newtoniana so zu ordnen.
Für den Brief Ihrer Mutter danken wir
schönstens. Außer dem, was er historisches enthält,
interessierte uns die Naivetät ihrer eigenen Art und Weise.
Der Himmel weiß, wie es uns noch ergehen wird.
Unter
diesen Umständen werden Sie Meyers tröstliche Nachrichten
über die Hinreise nach Italien schwerlich benutzen können.
Leben Sie recht wohl. Meine Frau grüßt
schön.
Schiller
235-237 An
Schiller [202]
Die Xenien
kommen sogleich
wieder zurück; ich habe nur wenige Anmerkungen gemacht und
erinnere nur noch, daß wir in E u d ä m o n i a
das i lang gebraucht
haben, welches wohl nach dem Akzent, nicht aber nach der Quantität
richtig ist. Wahrscheinlich brauchen Sie diese paar Epigramme nicht.
Überhaupt will ich Ihnen nicht leugnen,
daß es mir einen Augenblick recht wehe getan hat, unser
schönes Karten- und Luftgebäude mit den Augen des Leibes so
zerstört, zerrissen, zerstrichen und zerstreut zu sehen. Die Idee
war zu schön, zu eigen und einzig, als daß ich mich nicht,
besonders da sich bei mir eine Idee, ein Wunsch leicht fixiert,
darüber betrüben sollte, für immer darauf renonzieren zu
müssen. Doch mag es denn auch an dem Spaße genug sein, den
uns der
Gedanke indessen gemacht hat; es mag genug sein, daß nun so viel
Stoff da ist, der zu einem andern Körper nun wieder verarbeitet
werden kann. Die Zusammenstellung in Ihrem Almanach wird mich schon
wieder trösten, nur bitte ich, meinen Namen so wenig als
möglich unter die Gedichte zu setzen. Die wenigen, welche ich die
Zeit hervorgebracht habe, muß ich für den Augenblick liegen
lassen; ich bringe sie mit, wenn ich komme, und bis dahin wird der neue
Körper des Almanachs schon so lebendig und mächtig sein, ums
sie sich zu assimilieren.
Noch eins, ich wünschte, daß alles
wegbliebe,
was in unserm Kreise und unsern Verhältnissen unangenehm wirken
könnte; in der ersten Form forderte, trug, entschuldigte eins das
andere; jetzt wird jedes Gedicht nur aus freiem Vorsatz und Willen
eingeschaltet und wirkt auch nur einzeln für sich.
Vom Roman ist gar nichts zu sagen; er hält
einen
Mittagsschlaf, und ich hoffe, er soll gegen Abend desto frischer wieder
aufstehn.
In meinen Beobachtungen über Pflanzen und
Insekten
habe ich fortgefahren und bin ganz glücklich darin gewesen. Ich
finde, daß wenn man den Grundsatz der Stetigkeit recht
gefaßt hat und sich dessen mit Leichtigkeit zu bedienen
weiß, man weder zum Entdecken noch zum Vortrag bei organischen
Naturen etwas weiter braucht. Ich werde ihn jetzt auch an
elementarischen und geistigen Naturen probieren, und er mag mir eine
Zeitlang zum Hebel und zur Handhabe bei meinen schweren Unternehmungen
dienen.
Das französische Ungewitter streift noch immer
jenseit des Thüringer Waldes hin; wir wollen das Gebirge, das uns
sonst die kalten Winde schickt, künftig als eine Gottheit
verehren, wenn es diesmal die Eigenschaften einer Wetterscheidung hat.
Da in Rudolstadt Vogelschießen ist, so geht
unsere
Schauspielergesellschaft den 11ten dahin, und die Wünsche des
jenaischen Publikums nach einer anmutigen Unterhaltung im September
können indessen laut werden.
Schreiben Sie mir wenn Sie wieder eine Lieferung von
Cellini brauchen.
Ich wünsche zu hören daß Sie mit den
Ihrigen sich recht wohl befinden. Was haben Sie für Nachricht aus
Schwaben?
Die sächsischen Kontingente sollen bei Kronach sein. Ob man sie
brauchen wird, das Voigtland und den Saalgrund vor Streifereien zu
decken, ob man an der Werra noch einen andern Kordon ziehen wird, ob
man Neutralität und Waffenstillstand durch Preußen
vermitteln wird, überhaupt, welche Art von Gewitterableiter man
brauchen kann und will, muß sich in kurzem aufklären. Leben
Sie recht wohl. Ich wünsche, eine ruhige und beruhigte Zeit bald
in
Ihrer Nähe zuzubringen.
Weimar, den 30. Juli 1796
Goethe
237-239 An
Goethe [203]
Jena, den 31. Juli
1796
Sie
können sich von den Xenien nicht ungerner trennen, als ich
selbst. Außer der Neuheit und interessanten
Eigentümlichkeit der Idee ist der Gedanke, ein gewisses Ganzes in
Gemeinschaft mit Ihnen auszuführen, so reizend für mich
gewesen. Aber seien Sie versichert, daß ich die Idee nicht meiner
Konvenienz aufgeopfert habe. Zu einem Ganzen, so wie es auch von dem
liberalsten Leser gefordert werden konnte, fehlte noch
unübersehlich viel; eine mühsame Redaktion hat ich mit
diesem Mangel gar sehr bekannt gemacht. Selbst wenn wir die zwei
letzten Monate ausschließend dazu hätten widmen
können, würde weder der satirische noch der andere Teil die
nötige Vollständigkeit erlangt haben. Das ganze Werk ein
Jahr länger liegen zu lassen, erlaubte weder das
Bedürfnis des Almanachs, noch wäre es wegen der
vielen Anspielungen auf das Neueste in der Literatur, welches nach
einem Jahre sein Interesse verliert, zu wagen gewesen: und was dieser
Rücksichten mehr sind, die ich Ihnen mündlich anführen
will. Übrigens ist uns diese Idee und Form noch gar nicht
verloren, denn es ist noch so erstaunlich viel Stoff zurück,
daß dasjenige, was wir aus dem Alten noch etwa dazu nehmen, darin
verschwinden wird.
I
hren
Namen
nenne ich sparsam. Selbst bei denjenigen politischen, welche niemanden
angreifen, und vor welchen man sich gefreut haben würde, ihn zu
finden, habe ich ihn weggelassen, weil man diese mit den andern, auf
Reichardt gehenden, in Verbindung vermuten könnte. Stolberg kann
nicht geschont werden, und das wollen Sie wohl selbst nicht, und
Schlosser wird nie genauer bezeichnet, als eine allgemeine Satire auf
die Frommen erfordert. Außerdem kommen diese Hiebe auf die
Stolbergische Sekte in einer solchen Verbindung vor, daß
jeder
m i c h als den Urheber sogleich erkennen muß; ich bin mit
Stolberg
in einer gerechten Fehde und habe keine Schonung nötig. Wieland
soll mit der zierlichen Jungfrau in Weimar wegkommen, worüber er
sich nicht beklagen kann. Übrigens erscheinen diese Odiosa erst in
der zweiten Hälfte des Almanachs, so daß Sie bei Ihrem
Hiersein noch herauswerfen können, was Ihnen gut dünkt. Um
Iffland nicht weh zu tun, will ich in dem Dialog mit Shakespeare
lauter Schröderische und Kotzebuische Stücke bezeichnen. Sie
sind wohl so gütig und lassen mir vom Spiritus das Personal aus
fünf oder sechs Kotzebuischen oder Schröderischen
Stücken abschreiben, daß ich darauf anspielen kann.
Der
Cellini
pressiert diesmal nicht; denn leider kann ich schon mehrere
Posttage nichts mehr an Cotta bringen; die Post nimmt nichts nach
Stuttgart und Tübingen an. Auch die letzte Lieferung des Cellini
liegt noch da, die für das achte Stück bestimmt ist, und
Cotta kann das Manuskript zu dem siebenten, welches bei der Einnahme
von Stuttgart noch unterwegs war, nicht empfangen haben.
Aus
Schwaben
sind seit acht Tagen keine Nachrichten mehr angelangt; ich weiß
nicht wie es um meine Familie steht, noch wo sie sich jetzt
aufhält.
Aus
Koburg
wird heute geschrieben, daß die Franzosen in wenig Tagen darin
einrücken würden, daß aber niemand etwas fürchte.
Der allerfurchtsamste Hypochondrist von der Welt, Herr Heß,
schreibt dieses an seine Frau, die hier ist; es muß also wohl
wahr sein.
Es
ist gut,
wenn man den Jenensern Zeit läßt, ihre Furcht vor den
Franzosen los zu werden. ehe man ihnen die Komödie zeigt. Es gibt
gar gewissenhafte Leute hier, die bei einer so großen
öffentlichen Kalamität ein Vergnügen für
unschicklich halten.
Da,
wie ich
höre, das Mannheimer Theater auf ein Jahr suspendiert ist, so
werden
Sie Iffland wohl wieder in Weimar haben können. Es wäre zu
wünschen, daß sich das weimarische Theater bei dieser
Gelegenheit mit einer Schauspielerin rekrutieren könnte. Mlle.
Witthöft, oder wie sie jetzt heißt, würde wohl eine
sehr gute Eroberung sein.
Bei
mir ist
alles wohl auf, und der Kleine gewöhnt sich nach und nach. Meine
Frau grüßt Sie bestens.
Leben
Sie
recht wohl. Ich freue mich, wenn Sie wieder hier sind, auch von den
naturhistorischen Sachen wieder zu hören.
Schiller
239-240 An
Goethe [204]
Jena, den 1. August 1796
Nach langem Hin- und Herüberschwanken kommt jedes Ding doch
endlich in seine wagerechte Lage. Die erste Idee der Xenien war
eigentlich eine fröhliche Posse, ein Schabernack, auf den Moment
berechnet, und war auch so ganz recht. Nachher regte sich ein gewisser
Überfluß und der Treib zersprengte das Gefäß. Nun
habe ich aber, nach nochmaligem Beschlafen der Sache, die
natürlichste Auskunft von der Welt gefunden, Ihre Wünsche und
die Konvenienz des Almanachs zugleich zu befriedigen.
Was eigentlich den Anspruch auf eine gewisse
Universalität erregte und mich bei der Redaktion in die
große Verlegenheit brachte, waren die philosophischen und rein
poetischen, kurz die unschuldigen Xenien; also eben die, welche in der
ersten Idee auch nicht gewesen waren. Wenn wir diese in dem vordern und
gesetzten Teile des Almanachs unter den andern Gedichten bringen, die
lustigen hingegen unter dem Namen X e n i e n und
als ein eigenes Ganze, wie voriges Jahr die Epigramme, dem ersten Teile
anschließen, so ist geholfen. Auf einem Haufen beisammen und mit
keinen ernsthaften untermischt, verlieren sie sehr vieles von ihrer
Bitterkeit, der allgemein herrschende Humor entschuldigt jedes
einzelne, so wie Sie neulich schon bemerkten, und zugleich stellen sie
wirklich ein gewisses Ganzes vor. Auch die Hiebe auf Reichardt wollen
wir unter dem Haufen zerstreuen und nicht, wie erst geschehen war, an
die Spitze stellen. Von der einen Seite war die E h r e
und von der andern die B e l e i d i g u n g
zu groß, die wir ihm durch diese Auszeichnung antaten. Und so
wären also die Xenien (wenn Sie meinen Gedanken gut heißen,
wie ich denke) zu ihrer ersten Natur zurückgekehrt, und wir
hätten doch auch zugleich nicht Ursache, die Abweichung von jener
zu bereuen, weil sie uns manches Gute und Schöne hat finden lassen.
Und da nach dem neuen Plane diejenigen politischen
Xenien von Ihnen, welche bloß Lehren enthalten und gar niemand
treffen, von den satirischen ganz getrennt sind, so habe ich unter jene
Ihren Namen gesetzt. Er gehört davor, weil sich diese Konfessionen
an die Epigramme vom vorigen Jahr und selbst an den Meister
anschließen und, in Form und Inhalt, unverkennbar Ihren Stempel
tragen.
Ich habe heute wieder keine Nachricht aus Schwaben
erhalten; es scheint, daß wir ganz abgeschnitten sind. Herr v.
Funk, der mir heute schreib, hat aus Artern, seinem gewöhnlichen
Quartier, in die Gegend von Langensalza vorrücken müssen.
Doch muß man dort nicht viel fürchten, denn er hält
diese Stellung für unnütz.
Leben Sie recht wohl.
Schiller
240-241 An
Schiller [205]
Sie werden,
mein Lieber, noch manchmal in diesen Tagen zur Geduld gegen mich
aufgefordert werden; denn jetzt, da die Zeit herbeikommt, in welcher
ich abreisen sollte, fühle ich nur zu sehr, was ich verliere,
indem mir eine so nahe Hoffnung aufgeschoben wird, welches in meinem
Alter so gut als vernichtet heißt. Was ich noch von Kultur
bedarf, konnte ich nur auf jenem Wege finden; was ich vermag, konnte
ich nur auf jene Weise nützen und anwenden, und ich war sicher, in
unsern engen Bezirk einen großen Schatz zurückzubringen, bei
welchem wir uns der Zeit, die ich entfernt von Ihnen zugebracht
hätte, künftig doppelt erfreut haben würden. Des guten
Meyers Beobachtungen schmerzen mich; er hat selbst nur den halben
Genuß davon, wenn sie für mich nur Worte bleiben sollen; und
daß ich jetzt keine Arbeit vor mir sehe, die mich beleben und
erheben könnte, macht mich auch verdrießlich. Eine
große Reise und viele von allen Seiten zudringende
Gegenstände wären mir nötiger als jemals; ich mag es
indessen nehmen, wie ich will, so wäre es töricht,
gegenwärtig aufzubrechen, und wir müssen uns also drein
finden.
Ich hoffe Sie bald zu besuchen, und es freut mich,
daß Sie sich einen Weg ausgedacht haben, wie wir den Spaß
mit den Xenien nicht verlieren. Ich glaube, es ist der ganz richtige,
und der Kalender behält seine vorige Form und zeichnet sich vor
allen andern durch Vorspiel und Nachspiel aus; er wird nicht bunt durch
Vermischung heterogener Dichtungsarten und wird doch so mannigfaltig
als möglich. Wer weiß, was uns einfällt, um übers
Jahr wieder auf eine ähnliche Weise zu interessieren. Von allem
übrigen sage ich heute nichts. Leben Sie recht wohl.
Grüßen Sie Ihre liebe Frau; ich wünsche Sie mit den
Ihrigen wohl und vergnügt anzutreffen.
Weimar, den 2. August 1796
Goethe
241-242 An
Goethe [206]
Jena, den 5. August 1796
Matthisson ist heute hier durchgereist, er kommt
unmittelbar aus Italien über Triest und Wien. Seinen
Versicherungen nach soll die Reise nach Italien nicht so bedenklich
sein. Er glaubt, der Weg von Triest nach Rom über Ancona sollte
keine Schwierigkeit haben. Es ist ihm selbst auf der Reise keine
Unannehmlichkeit begegnet, und aufgehalten wurde er bloß in
Nürnberg, wo es an Pferden fehlte. Wenn es also binnen drei, vier
Wochen entschieden würde, ob Sie für Haus und Herd nichts zu
fürchten haben, so wäre die Reise doch noch nicht aufzugeben.
Auch Hirt hat Italien verlassen; Matthisson hat sich in Wien von
demselben getrennt; doch sagt er, Hirt würde auch hieherkommen.
Von Meyern wußte er nicht mehr zu erzählen, als wir wissen,
und überhaupt hat er nicht viel Neues über die neuesten
Ereignisse zu erzählen gehabt.
Ich sende Ihnen hier eine Anzahl ernsthafter Xenien,
die ich, aus den Ihrigen und den Meinigen gemischt, in einen
Strauß zusammen gebunden habe, damit doch auch, in Absicht auf
die ernsthaften Stücke, die Idee einiger beiderseitigen
Vereinigung in etwas erfüllet werde. Haben Sie die Güte, das
Manuskript anzusehen und zu bemerken, wo Sie etwas anders
wünschen. Fänden Sie keine Erinnerung zu machen, so erbitte
ich mir das Manuskript mit retournierendem Botenmädchen
zurück, um es gleich an Göpferdt zu geben.
Von andern Sachen das nächste Mal. Ich bin
nicht allein. Möge Sie dieser Brief heiter und beruhigt finden!
Bei mir ist alles wohl, und meine Frau läßt Sie herzlich
grüßen.
Schiller
242-243 An
Schiller [207]
Die ci-devant Xenien nehmen
sich, in ihrer jetzigen Zusammenstellung, sehr gut aus, und wird diese
ernste Gesellschaft gewiß auch gut aufgenommen werden.
Könnten Sie noch die paar fehlenden Überschriften finden, so
würde es sehr schön sein; mir hat der Geist in diesen kurzen
Stunden nichts eingeben wollen. Die nächste Woche bin ich bei
Ihnen, und ich hoffe, unser Zusammensein soll nicht unfruchtbar
bleiben;
wir werden manches vollenden und uns zu manchem entschließen
können. Von naturhistorischen Dingen habe ich manches Gute zu
erzählen.
Ich habe in diesen Tagen das schönste
Phänomen,
das ich in der organischen Natur kenne (welches viel gesagt ist),
entdeckt und schicke Ihnen geschwind die Beschreibung davon. Ich
weiß nicht, ob es bekannt ist; ist es aber, so verdienen die
Naturforscher Tadel, daß sie so ein wichtig Phänomen nicht
auf allen Straßen predigen, anstatt die Wißbegierigen mit
so vielen matten Details zu quälen. Sagen Sie niemand nichts
davon. Ich habe zwar die Beobachtung nur an einer Art machen
können, wahrscheinlich aber ist es bei allen so, welches sich
noch diesen Herbst entscheiden muß. Da die Veränderung so
schnell vorgeht, und man nur wegen der Kleine des Raums die Bewegung
nicht sehen kann, so ist es wie ein Märchen, wenn man den
Geschöpfen zusieht; denn es will was heißen, in zwölf
Minuten um einen halben Zoll in der Länge und
proportionierlich in der Breite zu wachsen und also gleichsam im
Quadrate zuzunehmen! und die vier Flügel auf einmal! Ich will
sehen, ob es nicht möglich ist, Ihnen dieses Phänomen unter
die
Augen zu bringen. Leben Sie recht wohl! Unter uns gesagt, ich hoffe,
Ihnen Friede und Ruhe für Thüringen und Obersachsen
mitbringen zu können.
Weimar, den 6. August 1796
Goethe
Nachschrift
Es versteht sich von selbst, daß man sich
dieses
Wachstum nicht vorzustellen hat, als wenn die festen Teile der
Flügel in so kurzer Zeit um so vieles zunähmen; sondern ich
denke mir die Flügel aus der feinsten tela cellulosa schon
völlig fertig, die nun durch das Einstreben irgend einer
elastischen Flüssigkeit, sie sei nun luft-, dunst- oder
feuchtartig, in so großer Schnelle ausgedehnt wird. Ich bin
überzeugt, daß man bei Entwickelung der Blumen eben so etwas
wird bemerken können.
244 An
Goethe [208]
Jena, den 8. August 1796
Ihre neue Entdeckung ist in der Tat wunderbar; sie
scheint bedeutend und auf eine wichtige Spur zu führen. Sie
erinnerte mich an die schnelle und gewaltsame Entwicklung, welche in
dem Herzen und den Lungen des neugeborenen Tiers vorgeht. Daß der
Schmetterling die Lichtseite so sehr vermeidet, ist auch etwas
Merkwürdiges und muß abermals auf den Einfluß des
Lichts auf organische Naturen aufmerksam machen.
Ich wünschte sehr, das Phänomen selbst zu
sehen. Sie setzen diese Tage wahrscheinlich Ihre Versuche fort und
werden mir, wenn Sie hieher kommen, mehreres davon zu erzählen
haben.
Hier wird allgemein erzählt, daß in
Weißenfels eine Zusammenkunft zwischen dem Kurfürsten von
Sachsen, einigen Herzogen von Sachsen, ja selbst dem König von
Preußen im Werke sei. Die Sachsen würden die Stadt Erfurt
besetzen und was des Gerüchtes mehr ist. Aus Schwaben ist noch
immer keine Nachricht gekommen, und ich kann keine dorthin bringen.
Schlegels Bruder ist hier; er macht einen recht
guten Eindruck und verspricht viel. Humboldt hat eine große Reise
nach dem nördlichen Deutschland bis auf die Insel Rügen
angetreten, wird die Freunde und Feinde in Eutin und Wandsbeck besuchen
und uns allerlei Kurzweiliges zu melden haben. Ich konnte nicht recht
begreifen, was ihn auf einmal ankam, sich dorthin in Bewegung zu setzen.
Das achte Buch ruht wohl noch?
Haben Sie nicht eine Schrift über
die h e r k u l a n i s c h e n Entdeckungen? Ich
bin gerade jetzt einiger Details darüber bedürftig und bitte
Sie darum. Schon in Volkmanns Geschichte findet man, glaube ich,
mehreres davon.
In meinem Hause steht's gut. Wir freuen uns alle
(denn Karl gehört auch dazu) auf Ihre Hieherkunft.
Kommen Sie ja recht bald!
Schiller
245-246 An
Schiller [209]
Mein Paket
war gemacht; ich hoffte wieder einige gute Zeit mit Ihnen zuzubringen.
Leider halten mich verschiedene Umstände zurück, und ich
weiß nicht, wenn ich Sie sehen werde.
Was Sie eigentlich von den herkulanischen
Entdeckungen zu wissen wünschen, möchte ich näher
wissen, um Ihnen zweckmäßig aushelfen zu können. Ich
schicke Ihnen hierbei den Volkmann; auch ist in der Büttnerischen
Bibliothek ein Buch:
Beschreibung von Herakleia,
aus dem Italiänischen des Don M a r c e l l
o V e n u t i. Frankfurt und Leipzig 1749.
Schicken Sie mir doch mein Blatt über die Schmetterlinge
zurück. Das Phänomen scheint allgemein zu sein; ich habe es
indessen bei andern Schmetterlingen und auch bei Schlupfwespen bemerkt.
Ich bin mehr als jemals überzeugt, daß man durch den Begriff
der S t e t i g k e i t den organischen Naturen
trefflich beikommen kann. Ich bin jetzt daran, mir einen Plan zur
Beobachtung aufzusetzen, wodurch ich im Stande sein werde, jede
einzelne Bemerkung an ihre Stelle zu setzen, es mag dazwischen fehlen
was will; habe ich das einmal gezwungen, so ist alles, was jetzt
verwirrt, erfreulich und willkommen. Denn wenn ich meine vielen,
ungeschickten Kollektaneen ansehe, so möchte sich wohl schwerlich
Zeit und Stimmung finden, sie zu sondern und zu nutzen.
Der Roman gibt auch wieder Lebenszeichen von sich.
Ich habe zu Ihren Ideen Körper nach meiner Art gefunden; ob Sie
jene geistigen Wesen in ihrer irdischen Gestalt wieder kennen werden,
weiß ich nicht. Fast möchte ich das Werk zum Drucke
schicken, ohne es Ihnen weiter zu zeigen. Es liegt in der
Verschiedenheit unserer Naturen, daß es Ihre Forderungen niemals
ganz befriedigen kann; und selbst das gibt, wenn Sie dereinst sich
über das Ganze erklären, gewiß wieder zu mancher
schönen Bemerkung Anlaß.
Lassen Sie mich von Zeit zu Zeit etwas vom Almanach
hören. Hier ein kleiner Beitrag; ich habe nichts dagegen, wenn Sie
ihn brauchen können, daß mein Name darunter stehe.
Eigentlich hat eine arrogante Äußerung des Herrn Richter, in
einem Briefe an Knebel, mich in diese Disposition gesetzt.
Lassen Sie mich ja wissen, was Humboldt schreibt.
In einigen Tagen wird Herr Legationsrat
M a t t e i sich bei Ihnen melden; nehmen Sie ihn freundlich
auf; er war Hofmeister bei dem Grafen Forstenburg, natürlichem
Sohn des Herzogs von Braunschweig, und zugleich an dessen Mutter, Frau
von Branconi, attachiert und hat mit beiden ein ziemliches Stück
Welt gesehen. Leben Sie recht wohl.
Weimar, den 10. August 1796
Goethe
246 An
Goethe [210]
[Jena, den 10. August 1796]
Eben erhalte ich Ihren Brief und will nur das
Manuskript geschwind fortschicken, das Sie begehren. Für den
Volkmann und die übrigen Notizen danke ich Ihnen aufs beste. Der
Chinese soll warm in die Druckerei kommen; das ist die wahre
Abfertigung für dieses Volk.
Daß Sie nicht sogleich kommen können, ist
mir recht verdrießlich. Ich hätte jetzt so gern mein
Lämpchen bei Ihnen angezündet. In Absicht auf den Roman tun
Sie sehr wohl, fremden Vorstellungen, die sich Ihrer Natur nicht leicht
assimilieren lassen, keinen Raum zu geben. Hier ist alles aus einem
Stück; und selbst wenn eine kleine Lücke wäre, was noch
immer nicht erwiesen ist, so ist es besser, sie bleibt auf
I h r e A r t, als daß sie durch eine fremde
Art ausgefüllt wird. Doch davon nächstens mehr.
Auf den Freitag sende ich Ihnen auch Almanachs-Bogen.
Leben Sie recht wohl.
Schiller
247 An
Goethe [211]
[Jena, den 12. August 1796]
Ich bin heute in ein Gedicht hinein geraten,
worüber ich den Botentag rein vergessen habe. Eben mahnt mich
meine Frau, die Ihnen Zwieback schickt, und ich habe nur noch zu ein
paar Worten Zeit.
Hier Proben von bessern und schlechtern
Abdrücken der ersten Almanachs-Bogen. Der vierte ist jetzt unter
der Presse, und es läßt sich an, als ob wir in der ersten
Woche Septembers damit zu stande sein könnten. Er wird erstaunlich
reich werden und von dem vorjährigen völlig verschieden. Wenn
ich Ihre Idylle gegen die Epigramme im vorigen Jahr abrechne, so wird
der diesjährige wohl den Preis davontragen. Mit meinen Arbeiten
darin bin ich viel besser zufrieden, als ich es mit denen im vorigen
Jahr bin. Ich empfinde es ganz erstaunlich, was Ihr näheres
Einwirken auf mich in mir verändert hat, und obgleich an
der A r t und an dem V e r m ö g e
n selbst nichts anders gemacht werden kann, so ist doch eine
große Läuterung mit mir vorgegangen. Einige Sachen, die ich
jetzt unter Händen habe, dringen mir diese Bemerkung auf.
Herrn Mattei habe ich noch nicht gesehen; er soll
mir willkommen sein, wenn er erscheint. Mein Schwager, der Legationsrat
von Wolzogen, mit seiner Frau ist gegenwärtig hier; er hat sich
mehrere Jahre mit der Architektur abgegeben, und da es ihm gar nicht an
Kopf fehlt, er auch gereist ist, so werden Sie ihn nicht leer finden.
Leben Sie recht wohl, und bleiben Sie nicht zu lange
mehr aus. Ich wünschte jetzt gar sehr, das achte Buch wieder zu
haben; kann ich es nicht bald erhalten?
Schiller
247-249 An
Schiller [212]
Ihre
freundliche Zuschrift, begleitet von den ersten Bogen des Almanachs und
den guten Zwiebäcken, waren mir sehr erfreulich; sie trafen mich
mitten im Fleiße von allerlei Art. Der Almanach macht wirklich
ein stattliches Gesicht, und das Ganze kann nicht anders als reich und
mannigfaltig werden. Könnten Sie nicht, da Sie doch einige
Blätter umdrucken lassen, auch gleich die E i s b a h
n mitnehmen? Wie sie jetzt steht, verspricht sie ein Ganzes zu
sein, das sie nicht leistet, und die zwei einzelnen Distichen am Ende
machen den Begriff davon noch schwankender. Ich schicke Ihnen hierbei,
wie ich wünschte, daß sie abgedruckt würden. Die
Distichen würden durch einen kleinen Strich getrennt, und da ich
noch einige hinzugetan habe, so machten sie eine Art von Folge und
leiteten die künftigen ein, die auf eben diese Weise stehen
werden. Sophie Mereau hat sich recht gut gehalten. Der Imperativ nimmt
sich recht lustig aus. Man sieht recht bei diesem Falle, wie die Poesie
einen falschen Gedanken wahr machen kann, weil der Appell ans
Gefühl sie gut kleidet. Mir ist aufgefallen wie das Gedicht von
Conz doch eigentlich nur gute Prosa ist, und wie wunderlich die Kobolde
sich in der übrigen hellen Gesellschaft ausnehmen. Es ist aber
recht gut, daß Sie von allen diesen beliebten Arten etwas
aufnehmen. Haben Sie nicht auch noch eine leidliche Romanze? Bei der
Redaktion der Xenien hoffe ich gegenwärtig zu sein und meine
neusten noch unterzubringen. Bis künftigen Mittwoch hoffe ich
manches überstanden zu haben; bis dahin werde ich mir auch die
Frage, ob ich Ihnen das achte Buch nochmals schicke? beantworten
können. Ich müßte mich sehr irren, oder ich muß
künftig diesen letzten Band zu zwei Bänden erweitern, um
etwas mehr Proportion in die Ausführung der verschiedenen
Gegenstände zu bringen.
Was sagen Sie zu beiliegender Wundergeschichte? Sie
ist aus der Florentiner Zeitung genommen; lassen Sie es doch
abschreiben und teilen es einigen Freunden mit. Merkwürdig ist das
Mandat, das man zu gleicher Zeit, zur Sicherstellung der
französischen Kommissarien, die man erwartet, vom Quirinal
publiziert hat; es werden darin die unmittelbarsten, strengsten Strafen
demjenigen, der sie nur im mindesten beleidigte, oder sich bei allem
was geschehen könnte (wahrscheinlich ist der Transport der
Kunstsachen gemeint) nur im mindesten regte und rührte, ohne
prozessualische Form, angedroht.
Meyer hat geschrieben und ist recht gutes Muts; er
hat schon angefangen, die Madonna della Seggiola zu kopieren, und wird
sich nachher wahrscheinlich an einen Teil eines trefflichen Bildes von
Michelange machen; er hofft immer noch auf mein nächstes Kommen.
Die nächste Woche werde ich auch mehr sagen
können, wie unsere Politika stehen. Das sächsische Kontingent
bleibt im Voigtlande; die übrigen Truppen sind denn doch so
verteilt, daß der Kordon eine Gestalt hat; demohngeachtet wird
wohl das Beste, was zu hoffen ist, nicht von Macht und Gewalt, sondern
von höhern Verhältnissen und höhern Konstellationen
abhängen.
Grüßen Sie alles, was Sie umgibt; ich
freue mich, Sie bald wieder zu sehen, wie ich denn von unserer
Wechselwirkung noch Folgen hoffe, die wir jetzt gar noch nicht ahnen
können. Leben Sie recht wohl.
Weimar, den 13. August 1796
Goethe
249-250 An
Goethe [213]
Jena, den 15. August 1796
Endlich habe ich Briefe aus
Schwaben, die mich zwar nicht viel unterrichten, aber im Ganzen doch
beruhigen. Cottas Briefe lege ich bei. Meine Familie hat wenig von den
Kriegsunruhen, desto mehr aber von den Krankheitsumständen meines
Vaters gelitten, der einem langsamen Tod auf einem sehr schmerzhaften
Krankenlager entgegen schmachtet. Meine jüngste Schwester, von der
ich Ihnen im vorigen März erzählt, ist schon im April
gestorben, und meine zweite dem Tode mit Mühe entgangen.
Weil ich vorderhand nur über Frankfurt Briefe
nach Schwaben bringen kann und mir an der gegenwärtigen Bestellung
an Cotta alles liegt, so ersuche ich Sie, Eingeschlossenes an Ihre Frau
Mutter nach Frankfurt einzuschließen und die schnellste
Absendung nach Stuttgart zu empfehlen.
Zugleich haben Sie die Güte, mich wissen zu
lassen,
an wen in Weimar ich mich der Decke zum Almanach wegen, von welcher
Cotta schreibt, zu wenden habe?
Morgen mit dem Botenmädchen ein mehreres, heute
habe
ich alle Hände voll zu tun.
Leben Sie aufs beste wohl.
Eben erfahre ich, daß man auf hiesiger Post
Briefe
nach Stuttgart über Frankfurt annimmt. Ich brauche Sie also nicht
zu belästigen.
Schiller
Die Eisbahn kann noch recht gut umgedruckt werden,
da
ohnehin auf demselben Bogen zwei Blätter umgedruckt werden.
250-251 An
Schiller [214]
Künftigen Donnerstag abend hoffe ich bei Ihnen zu sein; indessen
schicke ich hier ein Paket allerlei voraus.
- Die Abdrücke
zu der Hirtischen Abhandlung; die durch den Grabstichel ausgearbeiteten
sind zu nochmaliger Korrektur in meiner Hand.
- Die Cottaischen
Briefe. Eine Kupferplatte zum Deckel des Musenalmanachs kann in
vierzehn Tagen fertig sein; nur die Zeichnung wird einige Schwierigkeit
machen. Meyer hat einige, die trefflich sind, ich weiß nicht, zu
was für Kalendern, erfunden und stechen lassen; ich bringe sie
mit. Am Ende komponieren wir selbst eine schickliche Bordüre,
lassen das Mittelfeld frei, setzen vorne ein ernsthaftes und hinten ein
lustiges Xenion drauf, so ist die Sache abgetan und doch wieder was
neues.
- La Mère coupable.
- Ein P u
b l i k u m, welches die Situation von Rom, verbunden mit jenen
Wundergeschichten, gar wohl erkennen läßt.
- Ein nagelneues
Märchen, dessen Verfasser Sie wohl erkennen werden. Sollte man
nicht aus diesem Produkt, wenn man es übersetzte und ihm etwas
gäbe und nähme, einen interessanten Beitrag zu den Horen
machen können? Wenigstens ist die demokratische Tendenz eines so
rein aristokratischen Quellwassers einzig in ihrer Art, und man
könnte, wie ich mir's imaginiere, aus der Produktion, mit wenigem
Aufwand, noch manchen Vorteil ziehen.
Das
achte Buch des Romans soll noch von hier abgehen, damit, was mir
gelungen sein möchte, Sie im Druck überrasche, und was daran
ermangeln mag, uns Unterhaltung für künftige Stunden
gewähre; denn was den Augenblick betrifft, so bin ich, wie von
einer großen Debauche, recht ermüdet daran und wünsche
Sinn und Gedanken wo anders hinzulenken.
Es tut mir sehr leid, daß Ihre
Familiennachrichten
so traurig sind. Da es im allgemeinen so übel geht, sollte man
billig im einzelnen erfreut werden. Es soll mir sehr angenehm sein,
Ihre
Frau Schwägerin wiederzusehen und Ihren Herrn Schwager kennen zu
lernen. Leben Sie recht wohl.
Weimar, am 16. August 1796
Goethe
251-252 An
Schiller [215]
Ob wir
gleich mehr als jemals vom Augenblick abhängen, so hoffe ich doch,
es soll mich nichts hindern, morgen abend bei Ihnen zu sein. Die tabulas votivas bringe ich morgen
wieder mit. Ihre Distichen sind außerordentlich schön, und
sie werden gewiß einen trefflichen Effekt machen. Wenn es
möglich ist, daß die Deutschen begreifen, daß man ein
guter tüchtiger Kerl sein kann, ohne gerade ein Philister und ein
Matz zu sein, so müssen Ihre schönen Sprüche das gute
Werk vollbringen, indem die großen Verhältnisse der
menschlichen Natur mit so viel Adel, Freiheit und Kühnheit
dargestellt sind.
Weit entfernt, daß ich die Aufnahme gewisser
Arbeiten in den Almanach tadle; denn man sucht dort gefällige
Mannigfaltigkeit, Abwechslung des Tons und der Vorstellungsart; man
will Masse und Menge haben, der gute Geschmack freut sich, zu
unterscheiden, und der schlechte hat Gelegenheit, sich zu
bestärken, indem man ihn zum besten hat.
Von so vielem andern mündlich. Ich hoffe, wir
wollen diesmal wieder zusammen eine gute Strecke vorwärts kommen.
Da ich den Roman los bin, so habe ich schon wieder zu tausend andern
Dingen Lust. Leben Sie recht wohl.
Weimar, den 17. August 1796
Goethe
252-253 An
Goethe [216]
Jena, den 5. Oktober 1796
Möchten Sie glücklich angelangt sein und
alles bei sich wohl gefunden haben!
Endlich hab' ich ein anderthalb Tausend Titelkupfer
erhalten, wovon ich hier vor der Hand zweihundert sende. So viel
Exemplare, denk' ich, soll der Buchbinder auf den Freitag nachmittag
fertig kriegen, welche mir dann durch einen Expressen zu senden bitte.
Die Musiknoten sind nicht gekommen; diese können also nicht mehr
mit versendet werden.
Ich sende hier auch hundertundfünfzig
Titelblätter. Weil eine der drei Sendungen an den Buchbinder
unmittelbar aus Ihrem Hause erfolgt ist, so vermute ich, daß auch
schon eine Quantität Titelbogen mit nach Weimar abgegangen sein
wird. Sollte dies nicht sein, so bitte ich, mich davon zu
benachrichtigen.
Humboldt schreibt mir, daß man in Berlin
über Ihre Idylle, davon aus Karlsbad und Teplitz Exemplare dahin
gekommen, ganz entzückt sei.
Leben Sie recht wohl. Hier ist alles wohl und
grüßt Sie aufs schönste.
Sollte der Buchbinder Freitag gegen drei oder vier
weniger als hundert Exemplare fertig kriegen, so ist es unnötig,
einen Expressen zu senden, und das Botenmädchen kann alsdann
Sonnabends alles, was fertig ist, mitbringen.
Schiller
253-254 An
Schiller [217]
Aus dem
ruhigen Zustande, den ich in Ihrer Nähe zugebracht habe, bin ich
gleich auf ganz andere Schauplätze gerufen worden; gestern und
vorgestern war ich auf Ettersburg und in Schwansee, und heute früh
hat uns ein Brand in der Jakobsvorstadt in Bewegung gesetzt. Von
Bertuchs Hause sieht man gerade hinüber in die Lücke.
Indessen haben unsere mordbrennerischen Füchse
auch schon angefangen, ihre Wirkung zu tun. Des Verwunderns und Ratens
ist kein Ende. Ich bitte Sie um alles, ja kein Zweifelhaftes zu
gestehen, denn der Sinn der Rätsel wird, wie ich sehe, tausendfach.
An dem Buchbinder will ich treiben was ich kann.
Dienstag erhalten Sie eine Ladung; schicken Sie aber nur wieder
Titelblätter und Kupfer; ich schreibe baldmöglichst, wie wir
überhaupt stehen.
Wenn es Ihnen recht ist, so will ich das eine
inkomplette Exemplar dazu benutzen, um die Druckfehler zu notieren;
machen Sie sich auf die zweite Ausgabe bereit und veranstalten Sie
solche in klein Oktav, wie Sie neulich sagten.
Hier folgt ein reiner Abdruck der Hirtischen Platte;
sie soll Montags nach Frankfurt; wenn ich die Fortsetzung des
Manuskripts erhalte, korrigiere ich auch die andere. Schreiben Sie mir
nur beizeiten, worin ich Ihnen beistehen kann, denn ich sehe viele
Zerstreuung voraus. Sagen Sie doch Ihrem Herrn Schwager, nebst vielen
Empfehlungen, er möge den S c h e f f a u e r schen
Antrag nicht geradezu ablehnen; ich habe einen Gedanken darüber,
den ich Ihnen nächstens mitteilen will. Leben Sie recht wohl, und
grüßen Sie die Frauenzimmer schönstens.
Weimar, den 8. Oktober 1796
Goethe
254-255 An
Goethe [218]
Jena, den 9. Oktober
1796
Ich habe durch meinen Schwager diesen Morgen hundert
Terpsichore und hundert Titelblätter gesendet; aber nach meiner
Rechnung ist beides schon längst nach Weimar geliefert gewesen,
und diese heut überschickten Abdrücke von Titel und Kupfer
mußte ich von den rohen Exemplaren des Almanachs nehmen. Beide
sind also verloren gegangen, wenn sie nicht entweder bei Ihnen oder bei
dem Buchbinder liegen. In meinem Brief vom 5. müßte es,
glaube ich, stehen, wieviel Terpsichores ich Mittwoch abends geschickt
habe.
Mit den Titelblättern ist es ebenso. Ich
muß
hundert von diesen neu drucken lassen; es ist schade um das Geld. So
sehe ich mich frühe für das Böse gestraft, das wir den
schlechten Autoren erzeigt haben. Ich kann Ihnen nicht beschreiben, mit
wie vielen kleine fatalen Details mich die Besorgung des Almanachs in
diesen Tagen plagt, und die zu späte Sendung der Melodien macht
mir schon allein dreiundsechzig neue Pakete notwendig. Es ist weder
die Zeit noch die Gelegenheit, die Melodien noch zu binden; sie
mögen so mitlaufen; ohnehin dankt niemand den Aufwand und die
Mühe.
Auf neue D e c k e n wartet der
hiesige Buchbinder mit
Schmerzen. Sollte mein Schwager mir heute nichts mitbringen, so bitte
ich Sie inständig, mir morgen mit dem frühesten zu schicken,
was bis dahin fertig werden kann. Ich begreife nicht, warum uns der
Abdrucker sechs Tage gar nichts mehr geschickt hat.
Hier wird noch immer nach Almanachs gefragt, aber
nach
lauter guten Exemplaren, womit mir gar kein Dienst geschieht. Ich
fürchte, wir setzen die schlechteren nicht ab, und da der guten
nur
fünfhundert sind, so wird es zugleich an Almanachen für die
Käufer und an Käufern für die Almanache fehlen.
Wie sind Sie mit der Musik zufrieden? Was ich, in
einem
sehr unvollkommenen Vortrag, davon gehört, hat mir sehr
gefallen.
M i g n o n ist rührend und lieblich; auch der
B e s u c h von mir hat einen
sehr angenehmen Ausdruck. Wollen Sie so gütig sein, von
beiliegenden sieben Exemplaren der Melodien sechs an Herder und eins an
Geheimrat Voigt abgeben zu lassen?
Einen Brief von Körner lege ich bei, weil er
einiges
über den Almanach enthält. Wir sollten ordentlich Akta
über alle schriftliche und gedruckte Urteile vom Almanach halten,
um einmal, wenn es der Mühe wert ist, daraus referieren zu
können.
Ich habe nicht aufgeschrieben, wie viel Exemplare
des
Almanachs der Buchbinder in Weimar hat. Nach dem Bestand der Auflage,
die bei mir liegt und bei dem hiesigen Buchbinder noch restiert,
müßten noch etwa hundertundachtzig in Weimar sein.
Wollen Sie durch Geist nachsehen lassen?
Alles befindet sich hier leidlich wohl und
grüßt Sie aufs beste.
Schiller
255-256 An
Schiller [219]
Ihr Herr
Schwager bringt mir, zu meiner großen Zufriedenheit, die
Titelblätter und Kupfer wie auch die Melodien; wäre alles nur
vierzehn Tage früher beisammen gewesen, so hätten wir uns der
ganzen Expedition erfreuen können.
Die Hoffmannische Buchhandlung prätendiert, mit
Cotta in Verhältnis zu stehen, und verlangt fünfzehn bis
zwanzig Exemplare auf Rechnung. Soll ich sie ihr geben? oder bar Geld,
versteht sich mit einem Viertel Rabatt, verlangen?
Leben Sie recht wohl; nächstens mehr.
Weimar, den 9. Oktober 1796
Goethe
256-257 An
Goethe [220]
Jena, den 10. Oktober 1796
Hoffmann in Weimar steht bereits auf dem Cottaischen
Speditionszettel; Sie können ihm also, auch dem Industrie-Kontor,
wenn es welche haben will, Exemplare des Almanachs auf Rechnung
abliefern lassen. Sie sind so gütig und bemerken auf beiliegenden
Preiszetteln, wie viel Exemplarien an beide Handlungen abzugeben sind,
und lassen einen Empfangschein für mich geben. Sollten Velin- oder
holländische Exemplarien gewünscht werden, so
müßte ich das Mittwoch früh spätestens erfahren.
Zugleich sende ich einen Vorrat von Melodien; was zu
viel ist, werden Sie so gütig sein, mir auf den Sonnabend
zurückzusenden.
Von hiesigen Buchhandlungen sind nunmehr
zweiundsiebenzig Exemplare verlangt und abgegeben worden. Gehen in
Weimar achtundzwanzig ab, so sind wir in diesen zwei Orten, die etwa
zwölftausend Menschen enthalten, hundert Exemplare los geworden.
Es wird interessant sein, den aktuellen Zustand der poetischen
Lektüre in deutschen Städten aus diesen Beispielen zu
ersehen. Ich bin überzeugt, daß in Thüringen und im
Brandenburgischen, vielleicht noch in Hamburg und umliegenden Orten,
der dritte Teil unserer Leser und Käufer sich finden wird.
Ich bitte sehr um den Rest der D e c k e
n. Hirts Aufsatz sende ich morgen. Den Abdruck des Kupfers will
ich an Cotta vor der Kupferplatte voran laufen lassen.
Heute geht das zweite Dritteil der ganzen Auflage
des Almanachs nach Leipzig ab.
Leben Sie recht wohl und schreiben mir bald wieder,
mich zu erquicken und zu stärken.
Schiller
257-258 An
Schiller [221]
Leider
häufen und verdoppeln sich die Unannehmlichkeiten eines
Geschäfts, wie das ist, das Sie übernommen haben, und ich
fürchte, Sie werden noch manches Unheil des Selbstverlags dabei
erleben.
Wir erinnern uns keiner Titelkupfer und
Titelblätter als derer, die wir abgeliefert haben. Geist hat alle
Exemplare, die nach Jena in unser Quartier kamen, gezählt und
gepackt und keine Titelblätter dabei gefunden.
Ihr Brief vom 5. Oktober spricht von zweihundert
Titelkupfern, die Sie auch geschickt haben. Durch Ihren Herrn Schwager
erhielt ich noch hundert, und die wären also komplett; nun brauche
ich noch fünfzig Titelblätter und zweiundsiebenzig Exemplare,
und so hat der Buchbinder alles, was zu dreihunderten gehört;
komplett abgeliefert sind:
|
50
|
| Hierbei
kommen |
124
|
|
────
|
|
174
|
Übergeben Sie ja, wenn es zur zweiten Auflage
kommen sollte, das Ganze irgend jemand zur Besorgung. Man verdirbt sich
durch dergleichen mechanische Bemühungen, auf die man nicht
eingerichtet ist, und die man nicht mit der gehörigen
Präzision treibt, den ganzen Spaß und hat erst am Ende, wo
alles zusammentreffen soll, den Verdruß, weil es an allen Enden
fehlt.
Über die Musik kann ich noch nichts sagen. Ich
habe sie gehört, aber das ist bei den Zelterischen Kompositionen
noch nicht genug; er hat viel Eigenheit, die man ihm erst abgewinnen
muß.
Leben Sie recht wohl. Ich schicke den
Körnerschen Brief hier zurück. Da wir das Publikum kennen, so
wird uns schwerlich auch bei dieser Gelegenheit eine neue Erscheinung
entgegen kommen. Wenn ich Starken und den Buchbinder bezahlt habe, so
schicke ich die Rechnung.
Weimar, den 10. Oktober 1796
Goethe
Hier noch zu besserer Übersicht ein Auszug, wie
wir mit dem Buchbinder stehn.
Er erhielt Exemplare:
| erste
Sendung |
50
|
| zweite
Sendung |
100
|
| dritte
Sendung |
50
|
| vierte
Sendung |
28
|
|
────
|
|
228
|
|
════
|
| Titelkupfer |
200
|
| zweite
Sendung |
100
|
|
──── |
|
300
|
|
════ |
| Titelblätter |
150
|
| zweite
Sendung |
100
|
|
──── |
|
250
|
|
════ |
| Umschläge
auf einmal |
300
|
258-259 An
Goethe [222]
Jena, den 11. OKtober 1796
Aus der Berechnung des nach Weimar Gesandten ersehe
ich nun, daß mir gerade hundert Druckpapier-Exemplare fehlen, die
mir wahrscheinlich Göpferdt nicht gesandt hat, denn aus meinem
Hause können sie nicht weggekommen sein, da von da aus nie etwas
als nach Weimar exportiert wurde. So fehlen mir gleichfalls
Titelblätter und Titelkupfer, welche freilich leichter zu ersetzen
sind. Es ist fatal, daß Göpferdt just auf der Messe ist, wo
er noch zehn Tage bleibt.
Ich habe die Paketierung und Emballage der gestrigen
Leipziger Lieferung an den hiesigen Buchhändler Gabler
übergeben; aber das nahm mir nur einen Teil der Arbeit: denn die
Bestimmung dessen, was in jedes Paket kommen sollte, bei der vierfachen
Verschiedenheit der Exemplare, das überschreiben der
Speditionszettel usw. blieb mir noch immer, und so noch eine Menge
Kleinigkeiten.
Das letzte Paket geht auf den Sonnabend, und dann
ist die Last mir vom Halse.
Unterdessen habe ich nichts mehr vom Almanach
gehört, als daß unsere gute Freundin S** hier die auf Manso
gerichteten Xenien abgeschrieben und an Gottern geschickt hat, welcher
sehr davon soll erschreckt worden sein.
Eben diese erzählt auch schon vom siebenten und
Anfang des achten Buchs Ihres Wilhelm Meisters, den sie gedruckt will
gelesen haben. Es ist doch sonderbar, daß die S** früher die
gedruckten Bogen Ihres Romans erhält, als Sie selbst.
Leben Sie recht wohl.
Die zweiundsiebenzig Exemplare des Almanachs, welche
noch zu dreihundert fehlen, kann ich nicht mehr senden, weil ich zu
denjenigen, die der hiesige Buchbinder schon angefangen zu heften, die
in Weimar überflüssigen zweiundsiebenzig Titelkupfer haben
muß. Haben Sie also die Güte, mir diese zweiundsiebenzig
Kupfer nebst den Decken, die dazu gehören, sowie auch die noch
übrigen zweiundzwanzig Titelblätter senden zu lassen. Der
weimarische Buchbinder hat noch keine Arbeit dabei gehabt; ich
muß also den hiesigen vorgehen lassen, der alles schon gefalzt
und geheftet, und dem nur diese Kupfer und Titel noch fehlen.
Leben Sie recht wohl.
Schiller
260 An
Schiller [223]
Nun hoffe
ich bald zu hören, daß Sie von der Sorge und Qual, die Ihnen
der Almanach gemacht hat, befreit sind; wenn man nur auch der lieben
Ruhe zu genießen recht fähig wäre; denn man lädt
sich, wie die entbundenen Weiber, doch bald wieder eine neue Last auf.
Die zweitausend Exemplare der Decken sind nun
abgeliefert.
Hierzu folgen:
| Titelblätter |
26
|
| Decken |
71
|
| Titelkupfer |
81
|
Das ist nun alles teils zu viel, teils zu wenig; die hundert Exemplare,
die Ihnen fehlen, müssen sich aber auf alle Fälle finden.
Morgen früh liefert mir der Buchbinder seine
letzten Exemplare; ich will gleich zwanzig davon an Hoffmanns geben und
die übrigen liegen lassen, bis das Industrie-Kontor von Leipzig
zurückkommt. Die Berechnung von den Exemplaren, die durch meine
Hand gegangen sind, schicke ich Sonnabends; es wird alles so leidlich
zutreffen.
Alsdann soll auch die Geldrechnung folgen. Eine
Abschrift von Starkes Rechnung, die ich bezahlt habe, liegt hier bei;
Sie erhalten alsdann alles auf einem Blatte.
Heute nichts weiter. Heil unserer Freundin S.,
daß sie unsere Gedichte abschriftlich verbreiten und sich um
unsere Aushängebogen mehr als wir selbst bekümmern will!
Solchen Glauben habe ich in Israel selten funden.
Die guten Exemplare für Hoffmann schicken Sie
mir ja wohl.
Siebenundzwanzig Melodien habe ich im letzten Paket
erhalten. Leben Sie recht wohl; nächstens mehr.
Weimar, den 12. Oktober 1796
Goethe
261-262 An
Goethe [224]
Jena, 12. Oktober 1796
Nach und nach kommen wir zur Ordnung und Ruhe. Das
vermißte Hundert Exemplarien hat sich gefunden und Titelkupfer
sind bestellt, so viel noch zu dem zwanzigsten Hundert fehlen.
Titelblätter hat Göpferdt zum Glück über die Zahl
drucken lassen, so daß sich noch ein Vorrat beim Buchbinder
fand. Gebunden ist jetzt alles, was gebunden werden sollte; zwei
große Lieferungen, vier Zentner schwer, sind nach Leipzig; wegen
des an Cotta ins Reich bestimmten Quantums habe ich schon mit dem
Fuhrmann kontrahiert, der es in etlichen Tagen nach Frankfurt mitnimmt.
Mit dem Sonnabend fällt mir die ganze Last vom Halse.
Die Nachfrage nach Exemplaren ist hier noch immer
stark;
aber alles will schreibpapierne, die uns gerade fehlen, und
postpapierne
habe ich keine mehr vorrätig. Hier erhalten Sie das letzte
für Hoffmann. Können Sie das überkomplette in gelb
Papier
gebundene, das Sie von mir in Händen haben, schonen, so ist
mir's lieb, weil wir jetzt alle gute Exemplare zu Rat halten
müssen. Ich habe einzelne Bogen defekter Exemplare auf Velin- und
Postpapier, woraus wir zu dem Behuf der Korrektur noch ein
vollständig Exemplar zusammen bringen können.
Hier allein sind sieben Velin- und acht
holländische
Exemplarien aufgebraucht worden, und beinahe noch einmal so viel
wäre gegangen, wenn ich noch vorrätig gehabt hätte.
Auch habe ich mir's für alle künftige Fälle zur Regel
gemacht, alles was ich drucken lasse, gut und kostbar drucken zu
lassen:
so geht es am gewissesten ab, denn auch der elendeste Lump will nicht
mehr mit Lumpen vorlieb nehmen.
Die erste Lieferung, so viel nämlich davon in
ein
Heft kommt, habe nebst dem Abdruck des Kupfers heute abgesendet. Der
Rest ist noch nicht ganz abgeschrieben.
Unterdessen erinnern Sie sich doch auch wieder des
Cellini. Wie froh wäre ich, wenn wir noch etwas Neues und Lustiges
zu lesen zum Schluß des zweiten Horen-Jahrgangs auftreiben
könnten!
Wenn Sie doch gelegentlich Herdern bedeuten wollten,
daß er noch keine Horenstücke haben kann. Er hat davon
gehört, daß einzelne Stücke (die mir Cotta durch
Briefpost geschickt) in Weimar spuken, und glaubt, man hätte ihn
vergessen.
Für den Hecht danken wir schönstens und
wünschten sehr, daß Sie ihn mit uns verzehren
möchten.
Alles grüßt.
Schiller
262-263 An
Goethe [225]
Jena, den 14. Oktober 1796
Endlich habe ich alle Speditionsarbeit mir vom Halse
geschafft, um eine neue, wiewohl lustigere zu beginnen. Ohne kleine
Konfusionen ist es freilich nicht abgegangen, doch sind sie zum
Glück von keiner Bedeutung, und das Ganze ist doch glücklich
beendigt. Möchte nun nicht ganz weggeworfene Arbeit sein, was wir
körperlich und geistig daran gewendet haben. Doch so was belohnt
sich zum Glück, wie das Kindermachen, von selbst.
Gestern war Blumenbach hier und auch bei mir. Nach
dem, was neulich von ihm gesprochen worden, wunderte ich mich nicht
wenig, die Äußerung von ihm zu hören: „er preise sich
glücklich, daß er die Wissenschaft, an der er mit ganzer
Seele hänge, als Beruf betreiben dürfe.“ Auch Lavater ist
hier, ich hab' ihn aber nicht gesehen. An Paulus, den er kürzlich
etwas gröblich behandelte, schrieb er ein Billet und bittet um
eine Zusammenkunft. Machen Sie sich in Weimar auf ihn gefaßt. Die
Mereau ist wieder hier. Von ihr hab' ich Ihnen was zu erzählen.
Leben Sie recht wohl. Lassen Sie mich bald wieder
etwas von Ihnen hören. Alles grüßt.
Schiller
263-264 An
Schiller [226]
Sie
erhalten hierbei auch die Rechnung, mit der Abschrift der einzelnen
Quittungen, und so wäre auch das berichtigt. Die 95 Rtlr. 9 Gr.
Überschuß wünschte ich für Rechnung Herrn Cottas
inne zu behalten, indem er uns doch zu unserer italienischen Expedition
Zwischenzahlungen auf das Honorar der Horen versprochen hat. Wegen der
hier gebundenen Exemplarien liegt eine Berechnung bei. Können Sie
mir beiliegenden, nur halbgedruckten Bogen gegen einen vollkommenen
auswechseln, so wird noch eins gebunden, und wir sind vollkommen
richtig. Ich schicke Ihnen das erste h o l l ä n d i s
c h e zurück und eins von meinen V e l i n,
dagegen ich mir zwei geringe genommen habe. Ebenso folgt auch
eine Lage, die zu viel war.
Auch hat man mir noch Abdrücke der Decke
geschickt, die sich, ich weiß nicht wo, versteckt hatten. Ich
hoffe, Sie sollen nun genug haben; auf alle Fälle läßt
sich dieser Mangel am leichtesten ersetzen; ich werde die Platte zu mir
nehmen.
Weiter wüßte ich nun nichts, und
wünsche diesem Werke gut zu fahren. Im ganzen finde ich nur
einerlei Wirkung: jedermann findet sich vom Phänomen frappiert,
und jedermann nimmt sich zusammen, um mit anscheinender
Liberalität und mehr oder weniger erzwungenem Behagen
darüber zu sprechen, und geben sie einmal acht, ob das nicht meist
der Fall sein wird.
Für die sonderbare Nachricht, daß
der P r o p h e t in Jena sei, danke ich aufs beste.
Ich werde mich seiner zu enthalten suchen und bin sehr neugierig auf
das, was Sie von ihm sagen werden. Blumenbach war auch bei mir; er
hatte einen sehr interessanten Mumienkopf bei sich.
Wenn die Konferenz zwischen dem Propheten und Paulus
zustande kommt, so zieht der letzte wahrscheinlich den kürzern und
muß sich noch bedanken, daß er beleidigt worden ist. Es
kostet dem Propheten nichts, sich bis zur niederträchtigsten
Schmeichelei erst zu assimilieren, um seine herrschsüchtigen
Klauen nachher desto sichrer einschlagen zu können.
Sagen Sie mir doch etwas von der Geschichte der
kleinen Schönheit.
Ein Heft Cellini, ohngefähr zwölf Bogen
Manuskript, kommt bald; alsdann gibt es noch zwei Abteilungen, die ich
gleich hintereinander vornehmen will, da ich mich völlig
unfähig fühle, etwas anders zu tun. Die zwei armen letzten
Gesänge werden noch eine Zeit im Limbo verweilen müssen. Es
ist wirklich eine Art der fürchterlichsten Prosa hier in Weimar,
wovon man außerdem nicht wohl einen Begriff hätte.
Ich lege auch das letzte Buch meines Romans bei, da
mir die letzten Bogen des siebenten Buchs fehlen. Wahrscheinlich hat
Unger sie, nach seiner löblichen Gewohnheit, durch Einschlag
geschickt, und sie liegen, ich weiß nicht wo. Sobald die guten
Exemplare kommen, erhalten Sie eins davon.
Gestern ist meine Freitags-Gesellschaft wieder
angegangen; ich werde sie aber wohl nur alle 14 Tage halten und dazu
einladen lassen.
Leben Sie recht wohl und grüßen Sie alles.
Weimar, den 15. Oktober 1796
Goethe
Noch etwas: können Sie mir nicht über
einen gewissen Hauptmann Rösch aus Stuttgart einige Nachricht
geben? Vielleicht haben Sie ihn persönlich gekannt. Von seinen
guten Kenntnissen sind wir informiert; es wäre jetzt
hauptsächlich von seiner Person, seinem Charakter und übrigem
Wesen die Rede.
265-266 An
Goethe [227]
Jena, den 16. Oktober 1796
Hier erfolgen endlich zwei Monatstücke Horen;
gestern wurden sie mir von Leipzig geschickt. Der Buchhändler
Böhme, an den ich die Almanache geliefert, schreibt mir zugleich
den Empfang der zwei ersten Ballen, und daß alle Exemplarien, die
ich vorrätig bei ihm niedergelegt (es sind etwa vierundvierzig,
ohne die rohen Exemplare) schon vergriffen seien. Dies ist wirklich
viel, denn es ging zugleich eine ansehnlich Partie Exemplare für
mehr als fünfzehn Leipziger Buchhändler mit, die also nicht
zugereicht hat. Es muß ein fürchterliches Reißen darum
sein, und wir werden wohl auf eine zweite Auflage denken müssen.
Böhme hat nun in einem dritten Ballen
zweihundertfünfundzwanzig broschierte und wieder eine Anzahl roher
Exemplare erhalten. Sobald er mir schreibt, daß diese über
zwei Dritteile abgesetzt sei, so will ich zur neuen Auflage Anstalten
machen lassen. Die Post ist so schlecht mit dem zweiten Ballen
umgegangen, daß die Nässe einige Dutzend Exemplare verdorben
haben soll. Es ist dies der Ballen, den Gabler gepackt hat; der meinige
ist wohlbehalten angelangt.
Sie müssen doch das neue Stück vom Journal
Deutschland lesen. Das Insekt hat das Stechen wieder nicht lassen
können. Wirklich, wir sollten es noch zu Tode hetzen, sonst ist
keine Ruhe vor ihm. Gegen den Cellini hat er seinen bösen Willen
ausgeübt, und um Sie zu schikanieren, die Stellen angepriesen,
auch zum Teil extrahiert, die Sie ausgelassen haben usw. Von dem
Aufsatz der Stael spricht er mit größter Verachtung.
Mit Lavatern habe ich Sie vorgestern
unnützerweise fürchten gemacht. Es ist sein Bruder gewesen,
der hier war.
Reichardt soll auch in Leipzig sein; Niethammer und
Paulus aber haben ihn nicht gesehen. Schlegel ist noch in Leipzig, wo
sich die Herzen vermutlich gegeneinander ergießen werden.
Leben Sie recht wohl.
Schiller
Eben erhalt' ich einen recht schönen Brief von
Körner über den Almanach. Sie sollen ihn morgen erhalten, wo
ich auch noch sechs Horen zu senden habe.
266 An
Schiller [228]
Beiliegendes Paket war schon vorgestern Abend beisammen, ich lege noch
das Heft Cellini bei, welches indessen fertig geworden. Sie sehen es ja
wohl noch einmal durch und lassen es abschreiben.
Aus dem Propheten ist ein Prophetenkind geworden,
das ich aber auch nicht zu sehen wünsche, da ich, nach dem
erhabenen Beispiel des Judengottes, meinen Zorn bis in die vierte
Generation behalte.
Die drei ersten Gesänge des neuen Gedichtes
sind nun so ziemlich durchgearbeitet, ich werde nunmehr an den vierten
gehen. Alle vier zusammen werden etwa 1400 Hexameter haben, so
daß, mit den zwei letzten Gesängen, das Gedicht wohl auf
2000 anwachsen kann.
Auch werden Fisch und Vögel anatomiert, und
geht alles nebeneinander seinen alten Gang. Leben Sie recht wohl, und
lassen Sie mich bald hören, daß Sie leidlich gesund und
fleißig sind.
Weimar, den 18. Oktober 1796
Goethe
266-267 An
Goethe [229]
Jena, den 18. Oktober 1796
Hier sende ich Ihnen
Körners Brief, der bei der Unbedeutenheit und Flachheit des
gewöhnlichen Urteils ein recht tröstlicher Laut ist. Senden
Sie ihn mir, sobald Sie ihn gelesen, zurück.
Ich habe mir nicht gemerkt, wie viel Exemplare der
Horen
von jedem Monat und jeder Sorte ich Ihnen gestern gesendet, und kann
darum heute den Rest nicht nachsenden.
Humboldts schrieben neulich, daß sie mit Ende
dieser
Woche von Berlin abreisen, sich unterwegs zehn Tage aufhalten und etwa
den ersten November hier eintreffen würden.
Von den Xenien habe weiter nichts erfahren.
Schlegel, der
wieder angekommen, war zu kurze Zeit in Leipzig, da er auch einen
Abstecher nach Dessau gemacht, um viel erfahren zu können. Bei
seiner Zurückkunft von Dessau, sagt er, hätten sie schon
sehr in Leipzig rumort.
Ich höre, daß man unter andern auch die
Herzogin in W. unter der zierlichen Jungfrau versteht.
Das Xenion: „Wieland! Wie reich ist dein Geist usw.“
halten einige für eine Satire auf Wieland und auf die neue
Ausgabe! usf.
Leben Sie wohl. Man unterbricht mich.
Schiller
267-268 An
Schiller [230]
Recht
vielen Dank für den überschickten Körnerischen Brief.
Eine so wahrhaft freundschaftliche und doch so kritisch motivierte
Teilnahme ist eine seltne Erscheinung. Ich will gedachte Blätter
noch einige Tage behalten, um verschiedne Gedichte, die ich noch nicht
einmal gelesen habe, bei dieser Gelegenheit anzusehen.
Grüßen Sie den Freund recht vielmals und danken ihm auch von
mir; sagen Sie ihm etwas von meinem neuen Gedichte, und versichern Sie
ihm, daß ich mich freue, es dereinst in seinen Händen zu
sehen.
Den Spitz von Giebichenstein müssen wir nun
eine Weile bellen lassen, bis wir ihn einmal wieder tüchtig
treffen. Überhaupt aber sind alle Oppositionsmänner, die sich
aufs Negieren legen und gern dem, was ist, etwas abrupfen möchten,
wie jene Bewegungsleugner zu behandeln: man muß nur
unablässig vor ihren Augen gelassen auf und ab gehen.
Hinter seinem Anpreisen der ausgelassenen Stellen
des Cellini, fürchte ich, steckt was anders. Da er das Original
hat, fürchte ich, übersetzt er die fehlenden Stellen und
läßt das Ganze nachdrucken, denn er ist zu allem fähig.
Ich will daher die zwei letzten Lieferungen, die ohnedem zusammen
gehören, erst ins künftige Jahr geben, mein Manuskript
indessen komplettieren und eine vollständige Ausgabe
ankündigen; denn das Gefrage darnach ist sehr stark, und die
zerstreute Lektüre im Journal macht schon jedermann ungeduldig.
Wenn Sie an Boie schreiben, so fragen Sie ihn doch,
ob er mir die englische Übersetzung, die ich von ihm durch
Eschenburg habe, überlassen will. Ich will gern bezahlen, was sie
kostet, und noch ein Exemplar meiner Übersetzung, wenn sie einmal
ganz herauskommt, versprechen.
Auf Humboldts Ankunft freue ich mich recht sehr.
Sobald er da ist, besuche ich Sie wohl einmal, wenn es auch nur ein Tag
ist.
Vom siebenten und achten Stück haben Sie mir
von jedem zwei Exemplare, eins auf bläulichem, eins auf gelblichem
Papier geschickt. Ich bitte bald um die übrigen, denn man
quält mich gewaltig darum.
Leben Sie recht wohl; grüßen Sie alles,
und sagen Sie mir bald, daß Sie eine neue Arbeit angefangen haben.
Weimar, den 19. Oktober 1796
Goethe
Könnten Sie mir nicht ein fünftes
Stück der Horen von diesem Jahr, von welcher Papiersorte es auch
sei, noch überlassen?
Mein Pack Dienstag mit der fahrenden Post ist doch
angekommen?
269-270 An
Goethe [231]
Jena, den 19. Oktober 1796
Mit dem heutigen Paket haben Sie mir eine recht
unverhoffte Freude gemacht. Ich fiel auch gleich über das achte
Buch des Meisters her und empfing aufs neue die ganze volle Ladung
desselben. Es ist zum Erstaunen, wie sich der epische und
philosophische Gehalt in demselben drängt. Was innerhalb der Form
liegt, macht ein so schönes Ganze, und nach außen
berührt sie das Unendliche, die Kunst und das Leben. In der Tat
kann man von diesem Roman sagen: er ist nirgends beschränkt als
durch die rein ästhetische Form, und wo die Form darin
aufhört, da hängt er mit dem Unendlichen zusammen. Ich
möchte ihn einer schönen Insel vergleichen, die zwischen zwei
Meeren liegt.
Ihre Veränderungen finde ich zureichend und
vollkommen in dem Geist und Sinne des Ganzen. Vielleicht, wenn das Neue
gleich mit dem Alten entstanden wäre, möchten Sie hie und da
mit einem Strich geleistet haben, was jetzt mit mehrern geschieht; aber
das kann wohl keinem fühlbar werden, der es zum erstenmal in
seiner jetzigen Gestalt liest. Meine Grille mit etwas deutlicherer
Pronunziation der Hauptidee abgerechnet, wüßte ich nun in
der Tat nichts mehr, was vermißt werden könnte. Stünde
indessen nicht Lehrjahre auf dem Titel, so würde ich den
didaktischen Teil in diesem achten Buch für fast zu
überwiegend halten. Mehrere philosophische Gedanken haben jetzt
offenbar an Klarheit und Faßlichkeit gewonnen.
In der unmittelbaren Szene nach Mignons Tod fehlt
nun auch nichts mehr, was das Herz in diesem Augenblick fordern kann;
nur hätte ich gewünscht, daß der Übergang zu einem
neuen Interesse mit einem neuen Kapitel möchte bezeichnet worden
sein.
Der Marchese ist jetzt recht befriedigend
eingeführt. Der Graf macht sich vortrefflich. Jarno und Lothario
haben bei Gelegenheit der neuen Zusätze auch an Interesse gewonnen.
Nehmen Sie nun zu der glücklichen Beendigung
dieser großen Krise meinen Glückwunsch an, und lassen Sie
uns nun bei diesem Anlaß horchen, was für ein Publikum wir
haben.
Für die überschickten Rechnungen danke
ich. Mit dem Geld werde ich's nach Ihrem Sinn arrangieren; ohnehin
haben Sie für Ihren Anteil an dem Almanach ja 24 Louisdors gut,
und noch mehr, wenn wir eine zweite Auflage erleben. Auch für den
Cellini danke ich bestens. Das Schiff kann nun wieder flott gemacht
werden. Vor einem Augenblick ist auch ein historischer Aufsatz von Funk
angelangt.
Den Major Rösch kenne ich, und noch spezieller
kennt ihn mein Schwager. Außer seinen mathematischen, taktischen
und architektonischen Kenntnissen, worin er aber sehr vorzüglich
ist, ist er freilich sehr beschränkt und ungebildet. Er hat viel
Gemeines und Pedantisches, und so wacker er als Lehrer ist, so wenig
kann ihn sein übriger Anstand und sein Geschmack in einem Kreise,
worin man Welt verlangt, empfehlen. Übrigens ist er ein braver und
sanfter Mann mit dem gut zu leben ist, und seine Schwachheiten
belustigen mehr als daß sie drücken.
Schiller
270-271 An
Schiller [232]